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Prag verknüpft Ja zu EU-Vertrag mit
Affront gegen Vertriebene Das EU-Ratsvorsitzland Tschechien hat eine wichtige Hürde zur Ratifizierung des EU-Reformvertrags genommen, diesen Schritt aber mit einem Affront gegen die Sudetendeutschen verknüpft: Das Abgeordnetenhaus billigte den Vertrag gestern mit 125 zu 61 Stimmen. Abgelehnt wurde er von den Kommunisten und einem Teil der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premier Mirek Topolanek. Einiger waren sich die Abgeordneten in einem Begleit-Beschluss, dem fast alle zustimmten. Darin werden eventuelle Bemühungen abgelehnt, die Benes-Dekrete, aufgrund derer die Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei enteignet und vertrieben worden waren, und die daraus resultierenden Eigentumsverhältnisse infrage zu stellen. Der Obmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich (SLÖ), Gerhard Zeihsel, nennt den Beschluss empört eine „Raubsicherungsklausel“. Vertrag muss noch weitere Hürden nehmen Während in Europa der Ratifizierungsbeschluss allgemein begrüßt wurde und etwa WKÖ-Präsident Christoph Leitl einen „Meilenstein auf dem Weg zu mehr Handlungsfähigkeit von Europa“ sieht, zeigt sich der tschechische Präsident Vaclav Klaus wenig begeistert. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die zweite Parlamentskammer sich „verantwortlicher" verhalten werde. Der Senat wird voraussichtlich erst im April abstimmen. Klaus will den Vertrag — wenn überhaupt — erst unterzeichnen, wenn auch Irland zugestimmt hat.
Nationalismus Das tschechische Parlament hat den Lissabon-Vertrag gebilligt, allerdings steht noch die Zustimmung des Senats aus. Außerdem beschloß das Parlament eine Begleitresolution, die auf die Bekräftigung der Vertreibung abzielt. Die beiden führenden Vertreter der Sudetendeutschen, Volksgruppen-Sprecher Bernd Posselt, und der SL-Bundesvorsitzende Franz Pany haben dies als „Ausdruck des schlechten Gewissens“ zurückgewiesen. In der Entschließung werde „in rückwärtsgewandter Weise erneut versucht, die rassistischen Benesch-Dekrete für vereinbar mit den Menschenrechten und der EU-Grundrechtecharta zu erklären“. Dieser, wenn auch vorsichtig formulierte, Versuch, die Unrechtsfolgen der Vertreibung zu verewigen, zeige, „daß dieses Thema endlich im direkten Dialog mit den betroffenen Sudetendeutschen behandelt und einer einvernehmlichen Lösung zugeführt werden“ müsse, da es die die deutsch-tschechischen Beziehungen sowie die gesamte tschechische Außen- und Europapolitik immer wieder belaste. „Es ist höchste Zeit, daß der nationalistische Müll einer unseligen Vergangenheit in europäischem Geist entsorgt wird,“ betonten Posselt und Pany. K.B.
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