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BJO-Stellungnahme zu Lüneburg: Eine zweite Vertreibung? Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden rund 15 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat in den östlichen Provinzen des Deutschen Reiches und den angestammten Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa unter Bruch des Völkerrechts und unter Anwendung brutalster Gewalt vertrieben. Über 2 Millionen Menschen verloren dabei ihr Leben. In Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaften wurden „ethnisch gesäubert“ und verschwanden von der Landkarte. In Lüneburg fordern nun vom Verfassungsschutz beobachtete, linksextreme Gruppierungen, die entsprechend dem kommunistischen Jargon des Kalten Krieges nicht einmal das Wort „Vertreibung“ akzeptieren, den Ausschluß der gewählten Vertreter der betroffenen Menschen aus den Gremien des Ostpreußischen Landesmuseums. Ihre Geschichte soll umgeschrieben werden, ihre leidvollen Erlebnisse und persönlichen Erfahrungen passen nicht in das Weltbild verirrter Ideologen, deren Forderungen einer zweiten Vertreibung gleichkämen, diesmal aus dem Bewußtsein der Menschen und damit aus der eigenen Geschichte. Der Historiker Dr. Andreas Kossert (Dt. Historisches Institut Warschau) und die Publizistin Dr. Helga Hirsch (Die Zeit/Die Welt) stellen fest: „Es waren die Vertriebenen, die Jahrzehnte Brücken in den Osten gebaut haben.“ [1] „Und zwar durch die vielen Kontakte in den ehemals deutschen Ostgebieten. Durch die vielen Reisen von Vertriebenen ist da über Jahrzehnte, denke ich, ein Vertrauen und auch ein Wissen gewachsen auf beiden Seiten.“ [2] Anläßlich des Kommunalpolitischen Kongresses der Landsmannschaft Ostpreußen am 8. Oktober 2004 in Allenstein (Ostpreußen) bedankte sich der damalige bayrische Innenminister Dr. Günther Beckstein bei der Landsmannschaft Ostpreußen „für das bisher gezeigte reichhaltige Engagement im Sinne der Völkerverständigung […] Über die Heimatkreisgemeinschaften der ostdeutschen Landsmannschaften wurden vielfältige Initiativen ergriffen, um das Europa der Zukunft aufzubauen.“ [3] Statt sich allerdings mit den heimatpolitischen Tätigkeiten der Landsmannschaft Ostpreußen weitergehend auseinanderzusetzen, ist den Gegnern der Vertriebenen offensichtlich eher daran gelegen, Skandale zu konstruieren und einseitige Schmutzkampagnen loszutreten. Zu den Hauptvorwürfen gegen das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg gehört, daß in einer Sonderausstellung zum Thema „Jagd“ mit rund 200 Exponaten auch ein von Hermann Göring geschossener Hirsch zu sehen war, ohne daß das Exponat mit einer ergänzenden Erklärung zu den Verbrechen des Nationalsozialismus versehen worden sei. Gerade am Beispiel des herangezogenen Ausstellungsstückes offenbart sich jedoch die Fadenscheinigkeit der Anschuldigungen in besonderer Weise: Jedem halbwegs gebildeten Besucher des Museums dürfte die Person „Göring“ hauptsächlich im Zusammenhang mit dessen prominenter Rolle im Dritten Reich bekannt gewesen sein. Neu war für viele Nicht-Ostpreußen hingegen das Wissen um dessen ausgedehntes Jagdrevier in der Rominter Heide. Es kann nicht Sinn einer Jagdausstellung sein, Selbstverständlichkeiten aus dem Bereich der Allgemeinbildung unverhältnismäßig auszuweiten. Der Platz, der den deutschen Vertriebenen und der Geschichte ihrer Heimatgebiete in der Erinnerungskultur unseres Landes nicht nur moralisch, sondern nach § 96 BVFG auch gesetzlich zukommt, kann nur mit den betroffenen Menschen gestaltet werden, nicht gegen sie. „Ein nationales Gedenken an Flucht und Vertreibung der Deutschen und an die verlorenen Gebiete im Osten – das wäre ein Anfang“ [4], unterstreicht Kossert. Die Opfer der größten demographischen Umwälzung des 20. Jahrhunderts [5] bzw. deren gewählte Vertreter nun aus diesem Gedenken auszuschließen, wie teilweise in Lüneburg gefordert, käme hingegen einer Farce gleich.
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____________ [1] Andreas Kossert: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, München 2008, S. 354. [2] Helga Hirsch in einem Interview mit dem Deutschlandradio von 06.02.2008, veröffentlicht unter: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/735477/, 31.01.2009. [3] Günther Beckstein als bayrischer Innenminister am 8. Oktober 2004 beim Kommunalpolitischen Kongreß der Landsmannschaft Ostpreußen in Allenstein/Ostpreußen, veröffentlicht unter: www.stmi.bayern.de/imperia/md/content/stmi/service/reden/kommunalpolit_kongress_041008.pdf, 31.01.2009. [4] Kossert: Kalte Heimat, S. 353.
[5]
Vgl.: de Zayas, Alfred-Maurice: 50 Thesen zur Vertreibung, London u. München 2008,
S. 11.
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