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Einheitsfeier missachtet Vertriebene Eine Einheitsfeier ohne an den Verlust der deutschen Ostgebiete zu erinnern, ist zumindest geschichtslos. Als Vertriebener fragt man sich, wieso es bei uns dieses rationierte Gedächtnis gibt. Wir erinnern uns: Mit dem 2+4-Vertrag, dem damit einhergehenden Grenzbestätigungsvertrag mit Polen und dem Einigungsvertrag gewann Deutschland seine Einheit, allerdings nur eine Einheit, die aus der Bundesrepublik Deutschland und der in Mitteldeutschland gelegenen DDR bestand. Es wurde also nichts wiedervereinigt, was schon einmal so bestanden hatte. Von einer Vereinigung zu sprechen, ist deshalb richtig, das Wort Wiedervereinigung zu verwenden ist entweder gedankenlos, in jedem Fall aber eine sprachliche Verirrung. Das Wort Wiedervereinigung ist eine sprachliche Verirrung. Man kann auch fragen, ob die sprachlichen Ungereimtheiten nicht politischem Kalkül entsprechen. Will man damit das Vergessen an die Vertreibung und den Verlust der deutschen Ostgebiete befördern? Ein Gedanke, der angesichts der mangelnden Kenntnisse bei den nachwachsenden Generationen über die deutsche Geschichte durchaus nahe liegt. Oder will man durch Negieren des insbesondere für die Vertriebenen schmerzlichen Verlusts vermeiden, dass ein Vertreiberstaat sich angegriffen fühlt? Sicher legen deutsche Politiker auch keinen Wert darauf, an eigenes Versagen erinnert zu werden. Schließlich war es für sie kein Ruhmesblatt, die verbliebenen Deutschen in der Heimat abzuschreiben, sie durch das veränderte Grundgesetz auszugrenzen und ihre Rechte gegenüber den Titularmächten nicht grundlegend abzusichern. Dass die große Mehrheit des Bundestages heftig klatschte, als über die endgültige Abtretung Ostdeutschlands abgestimmt worden war, daran erinnert zu werden, könnte zudem peinlich sein. Deutsche Vertragspolitik völlig unzulänglich. Gern wird dafür lieber an die Leistungen von Kanzler Kohl erinnert, die er sich im Zuge der deutschen Einheit in Verhandlungen mit den ehemaligen Siegermächten des 2. Weltkriegs erworben hat und die bei eindimensionaler Sicht durchaus zu sehen sind. Man muss dabei verschiedene Fakten allerdings ausblenden, vor allem die deutschen Gegenleistungen. Zu nennen ist, wie ausgeführt, die Ausgrenzung der verbliebenen Deutschen in der Heimat. Die Bestätigung einer Grenze, durch die jahrhundertealtes deutsches Kulturland aufgegeben wurde, ist eine Gegenleistung, die es in dieser Form wohl noch nicht gegeben hat. Sie bedeutete zudem eine späte Anerkennung der Politik zweier kommunistischer Staaten. Bekanntlich bestätigte Deutschland nicht die von den Siegermächten in Potsdam bestimmte Oder-Neiße-Linie, sondern die durch Polen und die DDR im Görlitzer Vertrag von 1950 nach Westen verschobene Grenze, die auch Stettin mit westlichem Hinterland einschloss. Die damals von allen demokratischen Parteien in der Bundesrepublik und von den Westmächten nicht anerkannte Abmachung machte sich die deutsche Regierung 1990 zu eigen und erkannte kommunistisches Unrecht damit an. Nicht unerwähnt bleiben darf auch, welche Milliardenzahlungen an Staaten des ehemaligen Ostblocks mit den Verträgen einher gingen. Ein völlig vergessenes Thema bleibt die Rolle der westlichen Siegermächte. Zwar wird hin und wieder auf den Widerstand der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand gegen die deutsche Einheit hingewiesen, vergessen wird dabei aber der Deutschlandvertrag von 1954. Hierin hatten sich die USA, Großbritannien und Frankreich verpflichtet, bis zum Abschluss der friedensvertraglichen Regelung ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das in die europäische Gemeinschaft integriert ist. Es ist bis heute nicht bekannt geworden, ob die deutsche Regierung an diese Zusage erinnert hat. Man fragt sich in diesem Zusammenhang, wie vertragstreu die mit uns verbündeten Staaten überhaupt sind. Deutsche Politiker betonen immer wieder, sie hätten der Abtretung Ostdeutschlands nur unter Druck zugestimmt. Dagegen erklärte der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 14. November 1990 bei der Unterzeichnung des Vertrages über die Bestätigung der zwischen Polen und Deutschland bestehenden Grenze in Warschau: „Die Bestätigung der bestehenden Grenze ist die freie Entscheidung der Deutschen. Sie ist uns von niemandem aufgezwungen worden.“ Wer sagt die Unwahrheit? Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass es nicht im Interesse westlicher Regierungen lag, den Deutschen das völkerrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen. Deutschland stimmte dem Grenzvertrag im Übrigen zu einem Zeitpunkt zu, als bereits die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft war. Die deutsche Einheit war also nicht mehr zu verhindern. War die Grenzbestätigung also doch freiwillig, wie Genscher dies zu Protokoll gegeben hatte? Verfassungsgerichtspräsident mit fehlerhaften Aussagen. Die diesjährige Ansprache am 3. Oktober zum Tag der Einheit vor den Spitzen unseres Staates hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Andreas Voßkuhle. Ob es nun unverzeihlicher Flüchtigkeit zuzuschreiben oder ob es die von der Politik vorgegebene Political Correctness ist, die ihn zu verschiedenen Falschaussagen verleitete, mag dahingestellt bleiben. Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass auch Voßkuhle weder die Vertriebenen noch die Amputation Deutschlands erwähnte. Stattdessen sprach auch er von einer Wiedervereinigung. Die Europäische Union nannte er eine Rechtsgemeinschaft, obwohl er als herausragender Jurist wissen müsste, dass Polen, Tschechien und Großbritannien die Grundrechtecharta des Vertrages von Lissabon nicht übernommen haben. Er müsste auch wissen, dass in einigen Mitgliedsstaaten der EU die Nachkriegsdekrete mit ihren menschenverachtenden Bestimmungen und Entrechtungen noch in Kraft sind. Wie kann dann von einer Rechtsgemeinschaft gesprochen werden? Unser Ziel muss es sein, die um sich greifende Ignoranz gegenüber der deutschen Geschichte aufzubrechen. Eine Ignoranz, die auch die Würde der Vertriebenen und der Opfer der Vertreibung verletzt.
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