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Warnung vor Missdeutung
BdV bei Merkel: Unschuldige im ZgV nicht zu Tätern machen
Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing am 31. März
das Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV) mit seiner Präsidentin Erika
Steinbach zu einem Meinungsaustausch im Bundeskanzleramt in Berlin. Dort hatten
sich beide Seiten auf vier Themen verständigt, die zu diskutieren seien: 1)
nationaler Gedenktag, 2) Massengräber deutscher Ziviltoter in den
Vertreibungsgebieten und den deutschen Siedlungsgebieten im Süd-Osten Europas,
3) Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter und 4) Stiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“ (ZgV).
Hinsichtlich des nationalen Gedenktages für die
Opfer von Flucht und Vertreibung machte Merkel deutlich, dass die
Bundesregierung dieses Anliegen ergebnisoffen prüfen werde. Die Bundesregierung
habe hier keine Alleinzuständigkeit. Der Bundespräsident und eine breite
Parlamentsmehrheit müssten empfehlend zustimmen, um das Vorhaben zu realisieren.
Die Widerstände auch in der eigenen Fraktion seien erheblich.
Zum Thema Massengräber deutscher Ziviltoter in
den Nachbarländern wurde von beiden Seiten die Arbeit des Volksbundes Deutsche
Kriegsgräberfürsorge gewürdigt. Die Diskussion ergab, dass der Volksbund nur
eine Zuständigkeit für Soldatengräber habe, er aber dennoch, wie das Beispiel
der Ziviltoten des Massengrabes Marienburg zeige, im gewissen Umfang auch die
Gräber der Ziviltoten im Auge habe. Um intensiv auf dem Sektor „Gräber der
Ziviltoten“ tätig zu werden, fehle dem Volksbund die erforderliche
Finanzausstattung und die Zuständigkeit.
Der Bundesregierung wurde nicht zum ersten Mal
das Problem einer bisher nicht stattgefundenen Entschädigung für deutsche
Zwangsarbeiter nahe gebracht. Einige Mitglieder des Präsidiums machten der
Kanzlerin deutlich, dass hier eine humanitäre Geste der Regierung dringend
erforderlich sei. Es handle sich zu einem erheblichen Teil um Frauen, die noch
im jungendlichen Alter gleich nach Kriegsende zur Zwangsarbeit deportiert
wurden. Ein Drittel dieser Deportierten habe die Verschleppung nicht überlebt.
Die Zurückgekehrten hätten heute nur eine geringe Rente oder würden auf
Sozialhilfeniveau leben, da die Zwangsarbeit bei der Rentenberechnung nicht
angerechnet werde. Die meisten Betroffenen seien schon verstorben. Die
Befürchtung, dass hier ein neues Entschädigungsfass mit unabsehbaren Folgekosten
aufgemacht würde, sei unbegründet. Merkel versprach, prüfen zu lassen, ob für
die Lösung dieses Problems eine Gesetzeslücke zu schließen sei.
Schließlich wurde der Bundeskanzlerin die Sorge
des BdV-Präsidiums nahe gebracht, dass bei der neuerrichteten Stiftung „Flucht –
Vertreibung – Versöhnung“ die erforderliche Einbettung des
Vertreibungsverbrechens in den historischen Kontext zu einer Umdeutung oder
Missdeutung führen könne. Es sei schon zu beobachten, dass die zahlreichen
Gegner der Stiftung im In- und Ausland mit der Aufrechnungsthese argumentieren.
An den fürchterlichen Verbrechen des NS-Regimes seien alle Deutschen beteiligt
gewesen, woraus sich ergebe, dass keine Unschuldigen, sondern „Täter“
„ausgesiedelt“ worden seien, so die Theorie der Gegner. Wenn das eine Botschaft
der Dokumentationsstätte werden sollte, so der BdV, würde damit die historische
Wahrheit über Flucht und Vertreibung auf den Kopf gestellt und die noch lebenden
Opfer in nicht zu übertreffender Weise ihrer Menschenwürde beraubt. Auch würde
man mit einer derartigen These die Nachgeborenen noch stigmatisieren. Die
Bundeskanzlerin stellte klar, dass kein Nachfolgeverbrechen mit einem voraus
gegangenem Verbrechen zu rechtfertigen sei. - Wilhelm v.
Gottberg
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