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Aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden:
Die Vertreibung von Deutschen 1945 und danach.
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Auch deutschen Opfern eine
Stimme geben
US-Studentin erregt
mit Dokumentarfilm
über die Vertreibung von Deutschen Aufsehen
von Rebecca Bellano
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„Der
vergessene Genozid“ behandelt die Vertreibung der
Donauschwaben und erinnert an
ein Unrecht, das die USA zuließen.
Bereits 2010 überschrieb die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ einen Beitrag über die Arbeit der Stiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“, die eine Dauerausstellung über die Vertreibung von 60
bis 80 Millionen Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erarbeiten
soll, mit den Worten „Unsichtbares Zeichen“. Die Zeitung spielte dabei auf den
Titel „Sichtbares Zeichen“ an, den sich die Bundesregierung als Arbeitstitel für
das Projekt ausgedacht hat.
Auch Ende 2011 ist noch nicht viel sichtbar
geworden. Da freut es umso mehr, dass zumindest in den Weiten des Internets eine
Dokumentation kursiert, die beweist, dass es auch anders geht. Die US-Studentin
Ann Morrison hat unter
www.youtube.com/watch?v=kn0YUsKNv1E einen
Ausschnitt ihrer
Dokumentation der ganzen Welt zugänglich gemacht, in der sie über den
„Vergessenen Genozid“ berichtet. Eigentlich hatte die an der eher unbedeutenden
Universität Merimac in St. Louis (Bundesstaat Missouri) studierende Morrison für
ihre Bachelor-Arbeit sich der Frage annehmen sollen, wie man durch eine
Dienstleistung die Welt verbessern könne. Ganz gegen den allgemeinen Trend
empfahl sie nicht, Müll zu trennen, CO2 einzusparen oder Brot für die Welt zu
sammeln, sondern begann stattdessen Erinnerungen von Zeitzeugen filmisch
festzuhalten, um in den USA etwas ins Bewusstsein zu rufen, das dort kaum einer
weiß: die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. „Millionen
schrien, doch keiner hörte hin“, so schreibt sie auf ihrer Internetseite
www.annsfilms.com. „Der Zweite Weltkrieg endete im Mai 1945 für Deutschland,
aber nicht für die Millionen Deutschen, die in Ungarn, Rumänien, Jugoslawien,
Tschechoslowakei, Ostpreußen und den es umgebenden Regionen lebten“, informiert
Morrison. Am Beispiel der Donauschwaben entschied sich die Studentin 2009, das
Elend von Flucht und Vertreibung deutlich zu machen. Die polnisch-stämmige
US-Bürgerin hatte den Eindruck, dass die meisten Amerikaner, wenn sie von
„Deutschen“ hören, diese immer noch mit „Nazis“ assoziieren. Dieses Vorurteil
wollte sie relativieren und über jene berichten, die ihre Heimat verloren. Für
ihre Arbeit reiste sie durch die USA, Kanada und Europa und befragte Zeitzeugen.
180 Zeitzeugenberichte soll sie inzwischen gesammelt haben. Und auch wenn man
ihrer Dokumentation ansieht, dass sie nicht von einem Profi gemacht wurde, so
erstaunt doch das Engagement, das Morrison, die sich vor allem über Spenden
Heimatvertriebener finanzierte, aufbrachte. „Ich muss dieses Projekt machen, die
Gerechtigkeit verlangt es“, wird die Filmproduzentin zitiert, die brisanterweise
in eine jüdische Familie eingeheiratet hat.
„Der vergessene Genozid“ dürfte Morrison in den
USA nicht nur Freunde gemacht haben. Nur ungern wird man daran erinnert, dass
man Europa von Hitler befreite, die Deutschen dann aber ähnlich behandelte, wie
der als Unmensch und Massenmörder bekämpfte Hitler.
Für ihre Arbeit befragte die Studentin auch den
in Genf lebenden Völkerrechtler Alfred M. de Zayas. De Zayas, der in Harvard
studierte, hat bereits mehrere Bücher über die Vertreibung der Deutschen
veröffentlicht. Manchen dokumentiert er ihr Leid allerdings zu detailliert. Der
Petitionsausschuss des Bundestages will de Zayas nicht als wissenschaftliche
Quelle gelten lassen, da er angeblich durch eine „einseitige Opferperspektive
wissenschaftlichen Standards der Geschichtswissenschaft nicht gerecht“ werde.
Mancher hört eben nicht gern, dass es auch deutsche Opfer des Zweiten
Weltkrieges gegeben hat: „Die Absicht, deutsche Volksgruppen zu vernichten, ist
nachweisbar für den Fall sowohl des Tschechoslowaken Edvard
Benesch als auch des
Jugoslawen Josip Broz Tito“, so de Zayas anlässlich Morrisons Dokumentation.
„Ausreichende Beweise dafür sind ihre eigenen Reden und Dekrete“, fährt er fort.
Das seien Taten gewesen, die die Vertreibung der Deutschen aus jenen Ländern zum
Völkermord stempeln würden. Von besonderer Bedeutung sei in diesen Fällen die
Tatsache, dass die Vertreibungen nicht auf individuellen Vergehen der Opfer,
sondern ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse
basierten. Auch habe es keine Gerichtsverfahren gegeben, die bewiesen hätten,
dass die Vertriebenen irgendwelche Handlungen begingen, die ihre Vertreibung
gerechtfertigt hätten. „Ihre Vertreibung war die Folge absichtlicher rassischer
Diskriminierung und stellte eine Art Staatsterror dar“, ist der Völkerrechtler
überzeugt. Für ihn sind die deutschen Vertriebenen nicht nur Opfer eines
Unrechts, sondern auch Opfer des Schweigens: „Ihr Leid wurde viel zu lange
ignoriert. Sie sind Opfer von Gleichgültigkeit, Ablehnung, Verleumdung und
fortgesetzter Diskriminierung.“
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