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Dresden:
Stachel des Zweifels Die Symbolik des 13. Februar ändert sich rasant. Der ursprüngliche Ausgangspunkt, das anglo-amerikanische Bombardement von 1945, gerät dabei immer mehr aus dem Blick. Im inoffiziellen Staatskalender hat das Datum sich zum Großkampftag einer staatlich geprüften und zertifizierten Protestszene gewandelt, die ein ungeschriebenes Ermächtigungsgesetz sogar zu Rechtsbrüchen befugt. Politiker, Kirchenführer, Gewerkschafter, einschlägige Lobbyisten und gewöhnliche Krawallbrüder marschieren Arm in Arm und versichern sich gegenseitig des großen Mutes, den sie aufbringen, um ein paar hundert zweifellos radikal bis extrem eingestellte Demonstranten durch Sitzblockaden, Menschenketten und Sprechchöre zu arretieren. Noch der banalste Mitläufer steigert sich zur widerständigen Existenz empor: Was für ein Lust- und Gemeinschaftsgefühl, im großen Kollektiv der Zivilgesellschaft aufzugehen! Der 13. Februar ist ein Tag, an dem sich auch eine bestimmte Form von innerer Einheit manifestiert: Der staatsfromme Bundesrepublikaner (Ost) führt vor, daß er sich dem historischen Bewußtseinsstand des staatsfrommen Bundesrepublikaners (West) angenähert hat, und dieser wiederum freut sich, daß ihm aus der Ex-DDR keine Störung seines Seelenfriedens mehr droht. Es ist vollbracht! Endlich! Die DDR erlaubte einen winzigen Freiraum des Gedenkens Zwar galt in der antifaschistischen DDR die Schuld des „deutschen Faschismus“ als eine absolute, gleichwohl wurden die Bombenangriffe auf deutsche Städte – und insbesondere der auf Dresden – als Großverbrechen der imperialistischen Westmächte angeprangert. Die Deutung folgte der Logik des Klassenkampfes und des Kalten Krieges und stellte einen Mißbrauch des Horrors zu politischen Zwecken dar. Sie enthielt aber auch einen legitimen Stachel der Kritik an den Weltkriegssiegern und eröffnete einen winzigen Freiraum, wo die Überlebenden und die Nachgeborenen sich des Schicksals ihrer Familien, der zertrümmerten Städte und sogar des Landes als ein in Tragik getauchtes erinnern konnten. Das kann die heutige Bundesrepublik unmöglich dulden. Sie hat die antifaschistische Staatsräson von der DDR nicht bloß übernommen, sie vervollkommnet sie sogar! Und so gilt: Jedes Mittel war recht bis hin zum nächtlichen Massenmord durch Bomben, um die Deutschen, die Hitler ins Amt geholt hatten und die nun zu faul und feige waren, ihn daraus wieder zu verjagen, Mores zu lehren! Der Massenmord als Geburtsstunde eines neuen, besseren Selbst Die Aufforderung „Bomber Harris, do it again!“ – über die Briten und Amerikaner heute angewidert den Kopf schütteln – ist da nur folgerichtig: Wer sich dem geschichtlichen und dem Sittengesetz noch immer verweigert, das die Bomben verkündeten, hat seine Auslöschung durch die Zivilgesellschaft der Rechtgläubigen verdient. Diese Gesellschaft bringt es bereits fertig, die Jahrestage der Angriffe als „Feste der Demokratie“ zu begehen und damit den Moment des Massenmords und der Zerstörung zur Geburtsstunde eines neuen, besseren Selbst zu erklären. Wer sich auf solche Geburtshelfer beruft, ist dazu verdammt, als Zombie durch die Welt zu irren – und sich am Ende eine der sichersten Währungen der Welt gegen ein Esperanto-Weichgeld abhandeln zu lassen. Es ist verrückt: Goldman Sachs & Konsorten ergreifen peu à peu die Macht in Europa. Die deutschen Politiker verpfänden unsere Ersparnisse. Unser Schulsystem – einst das beste der Welt – entläßt immer mehr funktionale Analphabeten. Ein Landesminister spricht sich für die Einführung der Scharia aus. Doch die bombig konditionierten Engagierten lassen sich nicht beirren und behalten den wahren, den Nazi-Feind ruhig-fest im Blick. Jedes Gedenken ist selektiv. Wer sich nicht selbst verlieren will, muß einmal im Jahr ganz bei sich sein und an das erinnern, was ihn ganz unmittelbar und unter Qualen betroffen hat. Das als Alternative empfohlene, angeblich nichtselektive Gedenken stellt auch bloß einen zivilreligiösen und geschichtspolitischen Dezisionismus dar, der einseitig und ausschließlich gegen Deutschland gerichtet ist. Der Feind ist der eigene Zweifel als Gestalt So haben die evangelischen Bischöfe in Sachsen den 13. Februar zum Anlaß genommen, um sich pharisäerhaft mit einer Erklärung gegen den Rechtsextremismus vorzudrängeln: „Gerade als Christen sind wir aufgefordert, uns dieser menschenverachtenden und menschenfeindlichen Ideologie entgegenzustellen. Sie leugnet die Schuld des deutschen Volkes. Sie verbreitet Feindschaft gegenüber dem Gottesvolk Israel.“ Die Gnadenlosigkeit gegen das eigene Volk kommt nicht aus dem Evangelium, sie entspringt der bischöflichen Unzucht mit einer Hure namens Zeitgeist! Warum fehlt es dieser Gesellschaft an Gelassenheit, um den Auftritt von ein paar Andersdenkenden – deren Gedankenwelt einen ja anwidern mag – einfach links beziehungsweise rechts liegenzulassen? Offenbar repräsentieren sie mehr als einen Nazi-Geist, nämlich den Stachel des Zweifels. Des Zweifels am zivilreligiösen Götzen und an der antideutschen Geschichtspolitik, der selbst die Rechtgläubigen einholt. In Abwandlung eines Carl-Schmitt-Zitats: Der Feind, das ist der eigene Zweifel als Gestalt. Um den nagenden Zweifel so effektiv wie möglich abzuwehren, wird er mit der schlimmsten aller denkbaren Gestalten, des modernen Teufels – des Nazis eben – identifiziert. Weil niemand sonst dieses Stigma erträgt, muß der Widerspruch, wie in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, für seinen öffentlichen Auftritt in eben diese stigmatisierte Gestalt schlüpfen, die nun den willkommenen Anlaß für hysterische Abwehrbewegungen bietet. Der 13. Februar zeigt wie ein Fieberthermometer den Grad des gesellschaftlichen Wahnsinns an.
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