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"Das Gespenst des Deutschtums" |
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In Kattowitz wird um die
Neuausrichtung des Schlesischen Museums gestritten
Von Martin Sander |
Die
Neukonzeption der Ausstellung im Schlesischen Museum in Kattowitz sorgt in der
Region für Streit. Kritiker beklagen die Überbetonung der deutschen Eliten in
der einst preußischen Provinz.
Die Arbeiten im Betonrohbau laufen auf Hochtouren. Mitten in Kattowitz,
der Hauptstadt des oberschlesischen Industriereviers, auf dem Gelände der
Steinkohlengrube "Katowice" entsteht ein großer Neubau des Schlesischen
Museums. Derzeit residiert das Museum noch eher bescheiden im ehemaligen
Grandhotel der Stadt. Im neuen Haus werden ab Sommer 2013 6.000 Quadratmeter
Ausstellungsfläche zur Verfügung stehen - und zwar unter der Erde liegen in
unmittelbarer Nachbarschaft zum stillgelegten Förderturm und den alten
Maschinenhäusern der Kohlengrube. Das neue Museum soll das kulturelle Erbe
Oberschlesiens spiegeln und die Besonderheiten dieser Region vorstellen.
Deshalb will man neben den vorhandenen Kunstsammlungen auf einem Viertel der
Fläche eine völlig neu konzipierte Dauerausstellung zur Geschichte Schlesiens
zeigen - fokussiert auf den Zeitraum zwischen 1790 und 1989. Museumsdirektor
Leszek Jodliński erläutert:
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Industrialisierung den Transmissionsriemen liefert, auf dessen Grundlage wir
alle Themen ausbreiten können. Die Industrialisierung ist das am stärksten
multikulturelle und moderne Element."
Am Anfang der neuen historischen Ausstellung soll die erste Dampfmaschine
Schlesiens stehen. 1788 wurde die Maschine in Tarnowitz aufgestellt, 25
Kilometer nordwestlich von Kattowitz. Damals gehörte die Region zu
Preußen.
1790 reiste Johann Wolfgang von Goethe nach Tarnowitz, um die Maschine zu
sehen. Goethe schrieb auch ein Epigramm an die Bürger von Tarnowitz, das
ebenfalls in der Ausstellung vorkommen soll. Goethe und die Dampfmaschine,
diese Idee der Ausstellungsmacher hat heftige Reaktionen ausgelöst. Führende
Politiker schlugen Alarm und forderten Änderungen, so auch der Vizewojewode
der Region Piotr Spyra:
"Oberschlesien wird im Ausstellungskonzept aus der
Sicht der damaligen deutschen Eliten Schlesiens vorgestellt. Meiner Meinung
nach sollte man sich aber auf die Entwicklung konzentrieren, die zur
Herausbildung der schlesischen Identität führte. Dieser Prozess begann im
Völkerfrühling des 19. Jahrhunderts in Opposition zum Deutschtum. Er führte
dazu, dass Schlesien polnisch wurde. Und polnische Kulturinstitutionen dürfen
das nicht außer Acht lassen - auch nicht im Namen einer
deutsch-polnischen
Versöhnung."
Der Vizewojewode Spyra, von Beruf Historiker und Mitglied der
liberalkonservativen Bürgerplattform von Premier Donald Tusk, gehört zur Schar
jener, denen Goethe und
Eichendorff sowie deutsche Bauhaustradition im
Ausstellungskonzept zu viel ist. Spyra wünscht sich mehr Platz für
die
oberschlesischen Aufstände, die dazu beitrugen, dass die Kattowitzer Region
Anfang der 1920er-Jahre polnisch wurde.
"Diese Aufstände weisen darauf hin, dass das
Polentum in Schlesien sehr stark verwurzelt war. Die deutschen Historiker
sprechen hier von Bürgerkrieg. Das sind einfach verschiedene Perspektiven auf
Schlesien. Es ist logisch, dass deutsche Kulturinstitutionen, wie zum Beispiel
das Schlesische Museum in Görlitz, eine deutsche Sicht auf
Schlesien zeigen.
Aber es ist ebenso logisch, dass polnische Institutionen den polnischen
Standpunkt in Bezug auf Schlesien präsentieren."
Museumsdirektor Leszek Jodliński, der aus Kattowitz stammt und unter anderem
in Heidelberg und Japan studiert hat, kontert die Angriffe:
"Wir haben es in den
deutsch-polnischen
Beziehungen eben mit dem Erbe des Zweiten Weltkriegs zu tun. Und da wird das
Gespenst des Deutschtums immer mal wieder aus dem Hut gezogen. Das ist sehr
traurig und sehr provinziell. Auf der gesamtstaatlichen Ebene haben wir diese
Phobie überwunden, aber hier kommt sie noch zum Vorschein."
Oberschlesien hat derzeit einen Strukturwandel, vergleichbar mit dem des
Ruhrgebiets, zu bewältigen. Darüber hinaus gewinnt in
Schlesien die
Idee einer
größeren Selbständigkeit innerhalb des zentralistisch verwalteten Polen immer
mehr Anhänger. 360.000 Menschen, so viele wie nie zuvor, bekannten sich in der
letzten Volkszählung ausschließlich als Schlesier, außerdem über 400.000 als
Polen und Schlesier zugleich. Für mehr Eigenständigkeit kämpft die in
Kattowitz ansässige "Bewegung für schlesische Autonomie". Deren Vorsitzender
Jerzy Gorzelik begeistert sich für das neue Ausstellungskonzept des
Schlesischen Museums.
"Für mich ist das eine erste Chance hier in
Oberschlesien, eine wirklich moderne Ausstellung der oberschlesischen
Geschichte zu haben, die nicht in einem nationalistischen Paradigma steckt,
sondern eigentlich eine übernationale Sicht ermöglicht und die auch diesen
großen zivilisatorischen Aufschwung zeigen kann, den wir hier in Oberschlesien
im 19. und auch in der ersten Hälfte des 20. erlebt haben, natürlich mit allen
Konsequenzen. Zu diesen Konsequenzen gehörte auch diese nationale
Auseinandersetzung und viele gesellschaftliche Probleme, die zum Vorschein
gekommen sind. Aber natürlich war das eigentlich ein Erfolg, eine
Erfolgsgeschichte."
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