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Hof als Gewinn für ganz Bayern Hof - Genau 67 Jahre ist es her, dass Christian Joachim als zweijähriger Junge mit seiner Mutter flüchtete. Der Kreisvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Hof erinnerte sich an den kalten ostpreußischen Winter und daran, wie sie den Vater zurückließen. Er erzählte, dass sie auf ihrer Odyssee durch Deutschland elf Monate lang nur aus dem Rucksack lebten. Etwas wie ein neues Zuhause fand er irgendwann in Oberfranken - Christian Joachim ging in Marktredwitz zur Schule. Diese 67 Jahre scheinen lange her. Und doch sind Flucht und Vertreibung in vielen Familien noch präsent. Auch in Hof. Etwa ein Viertel aller Hofer sind Flüchtlinge, Vertriebene oder deren Nachkommen, wie Albrecht Schläger, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen in Deutschland, erklärte. Rund zwei Millionen Menschen wurden in den Nachkriegsjahren durch Hof geschleust; das Moschendorfer Flüchtlingslager war das größte in Bayern. Dass dieses Kapitel Hofer Geschichte bislang wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent war, gehört nun der Vergangenheit an. Der Geschichte der Flüchtlinge und Vertriebenen widmet sich nun eine Dauerausstellung im Museum Bayerisches Vogtland. Mit einem Festakt im Theater wurde die neue Abteilung am Freitagabend eröffnet. Die Stadt hatte sich dazu den 27. Januar ausgesucht - den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Oberbürgermeister Dr. Harald Fichtner dankte den Menschen, die sich für das Museum von ihren Erinnerungsstücken trennten. Die Ausstellung wolle dazu beitragen, dass ihr Schicksal nicht vergessen wird und dass künftige Generationen achtsam sind. Nur in einer Demokratie lasse sich solches Leid vermeiden. "Wir sollten uns, auch das lehrt die Ausstellung, immer einmischen."
Das Besondere an der Ausstellung, die Kuratorin Stefanie Menke konzipierte: Sie zeigt anhand persönlicher Gegenstände das Schicksal der Menschen, die in Hof gelandet sind, und stellt damit exemplarisch die Geschichte von insgesamt 14 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen sowie ihre Integration in Westdeutschland dar. Dieses Konzept, davon zeigte sich Bayerns Kunstminister Dr. Wolfgang Heubisch in seiner Rede überzeugt, ist ein Erfolgsmodell. Dass das Museum Bayerisches Vogtland einen Schwerpunkt auf die Geschichte der Flüchtlinge und Vertriebenen legt, sei genau richtig: Zuletzt habe sich gezeigt, dass gerade Spezialthemen die Menschen in die Museen lockten. Hof stelle seine Geschichte in einen größeren Zusammenhang. "Das ist nicht nur ein echter Gewinn für die Stadt, sondern für den gesamten Freistaat", sagte Heubisch. Und: "Hof ist auch in der Museumslandschaft in Bayern ganz oben." Hof sei nicht nur Kunststadt, sondern als Hochschulstandort auch Wissenschaftsstadt. "Nur das Miteinander von Kunst und Wissenschaft wird Bayern nach vorne bringen." In Bayern gibt es laut Heubisch mehr als 1300 Museen. Es sei wichtig, bestehende Einrichtungen auf den neuesten Stand zu bringen. "Aber gleichzeitig müssen wir die Museumslandschaft ausbauen." Die Museumserweiterung kostete gut 2,5 Millionen Euro. Sie wurde vom Freistaat sowie aus EU-Mitteln kofinanziert. Förderer sind zudem die Hermann und Bertl Müller-Stiftung, die Oberfrankenstiftung, der Kulturfonds Bayern und die Landesstelle für nichtstaatliche Museen. Auch Hartmut Koschyk, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, lobte die neue Ausstellung. "Was hier geschaffen worden ist, fügt sich ein in öffentliches Erinnern." Und er zitierte ein jüdisches Sprichwort: "Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung." Man dürfe dabei nicht vergessen, dass die Integration auch mit Spannungen verbunden war. "Heute glorifizieren wir gerne die erfolgreiche Integration", sagte Koschyk. Dies aufzuarbeiten, sei in Hof gelungen. Auch Festredner Professor Dr. Hellmuth Karasek ist einst mit seiner Familie ausgesiedelt worden - nach Ostdeutschland. "Flucht und Vertreibung sind ein großes Unrecht an mir, das nicht dadurch aufgehoben wird, dass die Generation vor mir der Verursacher war", sagte der Literaturkritiker und Journalist. Er warnte aber davor, die Schuld und die Schicksale gegeneinander aufzuwiegen. Er warb vor allem für die Aufarbeitung, für Versöhnung und Verständigung. Deutschland und seine Nachbarn könnten heute offen über ihr Verhältnis zueinander sprechen, auch darüber, was man aneinander weniger gut finde. "Wir wollen die Dummheiten der Vergangenheit nie wieder wiederholen." Nach dem Festakt im Theater fuhren die Besucher mit Sonderbussen zum Museum, um einen ersten Streifzug durch die neue Abteilung zu unternehmen.
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