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Der DRK-Suchdienst Suche mit KarteikartenMitten im Flüchtlingschaos im Frühjahr 1945 gründeten zwei Offiziere ohne irgendeinen offiziellen Auftrag ein Flüchtlingshilfswerk: Oberleutnant Helmut Schelsky und Leutnant Kurt Wagner hatten an der Ostfront gekämpft. Auf ihrem Rückzug sahen sie in Flensburg Zehntausende Flüchtlinge auf der Suche nach einer Unterkunft und in der Hoffnung Angehörige wiederzufinden. Wenigstens dabei wollten sie ihnen helfen. Mit Hilfe der Listen der registrierten Flüchtlinge errichteten sie eine Dienststelle: "Deutsches Rotes Kreuz, Flüchtlingshilfswerk, Ermittlungsdienst, Zentral-Suchkartei". Schelsky und Wagner gingen davon aus, dass jeder Gesuchte auch seinerseits ein Suchender sein würde. Um die Getrennten wieder zusammenführen zu können, begannen sie eine Doppelkartei aufzubauen. Für jeden Fall wurden zwei Karteikarten ausgefüllt und separat abgeheftet. Auf der einen - der Stammkarte - verzeichnete man die Personalien und die Anschrift des Suchenden, auf der anderen - der Suchkarte - alle Angaben über die Gesuchten. Wer nicht wusste, wo er den anderen finden sollte, konnte darauf hoffen, dass sich die beiden Karteikarten in einem Karton wiedertrafen. Das so genannte Karteibegegnungsverfahren war geboren.
Auf lange Sicht erwies sich jedoch der Standort als Nachteil und so zog die Zentrale Suchkartei bereits im September 1945 nach Hamburg um. Dort saßen die Suchdienstpioniere tagsüber im Halbdunkel hinter zerborstenen Fensterscheiben, die provisorisch mit Pappe abgedeckt wurden. Sie hatten kaum Heizmaterial für den Winter und die Lebensmittelrationen reichten nur für das Nötigste. Dennoch ging die Arbeit weiter und die Suchkartei wuchs täglich, vor allem nachdem sich im Januar 1946 in der britischen Besatzungszone eine Suchdienst-Arbeitsgemeinschaft gegründet hatte. In der amerikanischen Besatzungszone bildete sich in München das Gegenstück zur Hamburger Suchdienst-Zentrale, das unter ähnlich schlechten Bedingungen arbeiten musste. Und der Strom der Suchenden nahm kein Ende. Die Suche geht weiter
Im Februar 1950 erschien erstmalig die "Suchdienst Zeitung", die fast 30 Jahre lang jeden Monat erscheinen sollte. Im gleichen Monat startete Bundespräsident Theodor Heuss einen Aufruf an die Bevölkerung: Die Menschen sollten sich registrieren lassen, um Vermisstenlisten erstellen zu können. Ab 1957 wurden dann auch die ersten Bildlisten erstellt. Sie enthielten Angaben von 1,4 Millionen Kriegsverschollenen. Mit diesen Bildbänden fuhren die Suchdienstler durchs Land und legten sie den Heimkehrern vor. Diese wurden dann über das Schicksal ihrer Kameraden befragt. Die Fotos unterstützten das Erinnerungsvermögen enorm. Suchkinder - ohne Namen, ohne Geburtstag
Die Kleinkinder wuchsen heran, ihre Gesichter veränderten sich. Je mehr Zeit verstrich, desto unwahrscheinlicher wurde die Chance noch von Angehörigen gefunden zu werden. 1982 verließen die letzten Druckplakate die Druckerei. Heute sind noch rund 400 Fälle offen. Diese Menschen leben seit mehr als einem halben Jahrhundert mit einer angenommenen Identität und wissen nichts über ihre leibliche Familie. Öffnung der östlichen Archive
Seit dieser Zeit werden immer wieder neue Vereinbarungen über den Austausch und die Zusammenarbeit der Rotkreuz-Gesellschaften in beiden Ländern getroffen. Immer mehr Archive öffnen ihre Pforten und noch heute kommen unzählige Feldpostbriefe zu Tage, die Aufklärung schaffen. Zwar handelt es sich nach mittlerweile mehr als einem halben Jahrhundert um so genannte "Totenkarteien", dennoch: Für einen Angehörigen ist es auch heute noch wichtig zu wissen, wie und wo zum Beispiel sein Vater gestorben ist, was er bei sich trug und wo er beerdigt wurde. Alte und neue AufgabenMehr als 17 Millionen Menschen wurden über den Suchdienst
wieder miteinander in Verbindung gebracht. Mehr als eine Million Schicksale von
Soldaten und Zivilgefangenen und fast 300.000 Kinderschicksale konnten geklärt werden.
Dennoch: Weit ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelten
noch immer 1,4 Millionen Deutsche als verschollen. Und beinahe täglich kommen neue
Konflikte oder Naturkatastrophen hinzu, die die Arbeit des Suchdienstes nicht zur
Ruhe kommen lassen. Immer wieder gibt es neue Flüchtlinge, die im Bürgerkriegschaos
- zum Beispiel im Kosovokrieg - ihre Angehörigen unter anderem auch in Deutschland
suchen. Darum arbeitet der Suchdienst des DRK eng mit dem "Internationalen Komitee
des Roten Kreuzes" zusammen. Dieses betreibt eine zentrale Suchdienstagentur, die
"Central Tracing Agency" für alle Krisen- und Konfliktgebiete.
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