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Polens Ostgebiete
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Die Mär von den vertriebenen Vertreibern
Daß Ostdeutschland für Polen eine gerechte Entschädigung für dessen »verlorene Ostgebiete« sei, ist eine Legende
von Manfred Höft

Spricht man heutzutage als Vertriebener mit jungen Leuten über Pommern, Ostpreußen oder Schlesien, hört man häufig, daß die jetzt dort wohnenden Polen ja auch Vertriebene seien. Oder doch zumindest deren Nachkommen. Womit deutlich wird, daß die Saat der polnischen Rechtfertigung aufgegangen ist. Denn mit dem Beginn der Eingliederung deutscher Provinzen ostwärts der Oder und Neiße in das polnische Staatsgebiet wurde unter anderem argumentiert: „Polen hat im Osten Gebiete an die Sowjetunion abgeben müssen. Dafür besteht ein Anspruch auf Entschädigung im Westen auf Kosten deutschen Gebietes.“ Woraus sich folgende fünf Fragen ergeben: Gibt der polnische Gebietsverlust im Osten Polen wirklich Recht und Anspruch auf deutsche Gebiete? Sind die polnischen Ostgebiete überhaupt als polnisches Land anzusehen? Von welchem Volk waren sie bewohnt? Wie sind sie in den polnischen Staatsverband gekommen? Welchen wirtschaftlichen Wert stellten sie dar? Antwort hierauf geben nicht zuletzt auch polnische Zahlen und Fakten.

Die Idee, Polen im Westen für im Osten abgenommenes Gebiet zu entschädigen, war auf Stalins Mist gewachsen. Er wollte damit unter anderem erreichen, über ein weit nach Westen vorgeschobenes, unter seinem Einfluß stehendes Polen, den eigenen Machtbereich bis weit nach Mitteleuropa auszudehnen. Gleichzeitig sollte so jede deutsch-polnische Annäherung verhindert werden.

Zur ersten Frage ist festzustellen, daß die Annexion eines Gebietes keine Ansprüche des Geschädigten gegen einen Dritten begründet. Schon Wilson sagte in seinen „Vier Prinzipien“, der Handel mit Menschen und Provinzen – als wären sie Figuren in einem Spiel – sei zu verurteilen. („A history of the peace conference of Paris“, hrsg. v. H. W. V. Temperley, London 1920 und 1924.)

Polen hatte 1919 unter seinem Präsidenten Marschall Pilsudski einen Feldzug gegen die Sowjetunion begonnen, in dessen Verlauf Budjonnis „Proletarische Reiterarmee“ die polnischen Angreifer bis Warschau zurückwarf. Aufgrund des Eingreifens der französisch-englischen Militärmission endeten die Kampfhandlungen mit einer sowjetischen Niederlage. Polen zwang aufgrund der günstigen militärischen Lage die Sowjets im Frieden zu Riga am 18. März 1921 zu einer Grenzziehung, die zum Teil 200 Kilometer weit über die Curzon-Linie hinausgehend, ukrainisch-weißruthenisch und litauisch besiedeltes Gebiet umfaßte. Die Botschafterkonferenz (der Siegermächte des Ersten Weltkriegs) vom 15. März 1923 erklärte ihre Anerkennung des Rigaer Grenzverlaufs. (Samuel L. Sharp in Harvard University Press: „Polen war innerhalb der Grenzen, die ihm durch die Verträge von Versailles und Riga zugebilligt wurden, alles andere als ein Staat, der unstreitig polnisches Gebiet umfaßte, wie dies Wilson im Auge hatte.“)

Laut Volkszählung von 1931 hatte das Land östlich der Curzon-Linie – die eroberten polnischen Ostgebiete – eine Gesamtbevölkerung von 11,8 Millionen, davon nur 4,7 Millionen Polen. Legt man die amtlichen polnischen statistischen Angaben der Volkszählung von 1931 zugrunde, ergibt sich für die sogenannten Ostwoiwodschaften folgendes Bild: „Polesien“ mit 14,5 Prozent Bevölkerungsanteil mit polnischer Muttersprache und 11,1 Prozent mit römisch-katholischem Bekenntnis, „Wolhynien“ mit jeweils 16,6 Prozent und 15,7 Prozent, „Stanislaus“ mit 22,4 Prozent und 16,6 Prozent, Jarnopol mit 49,3 Prozent und 36,7 Prozent, „Wilna“ mit 59,7 Prozent und 62,5 Prozent, „Nowogrodek“ mit 52,4 Prozent und 40,2 Prozent, Lemberg mit 57,7 Prozent und 46,3 Prozent. Danach ergibt sich für die ersten vier Woiwodschaften ein Durchschnittswert von 25,5 Prozent mit polnischer Muttersprache und 20 Prozent mit römisch-katholischem Bekenntnis, für die letzteren ein solcher von 56,6 Prozent und 47,6 Prozent.

Zu den Zahlen betreffend Wilna, Nowogrodek und Lemberg ist folgendes anzumerken: Im Wilnaer Gebiet wohnten Polen, Litauer und Weißruthenen. Die Polen und Litauer waren fast ausschließlich katholischen Bekenntnisses, die Weißruthenen zum Teil. Beim Vergleich des Bevölkerungsanteils der Polen und der Katholiken ergibt sich eine Differenz von 2,8 Prozent Katholiken nichtpolnischen Volkstums – eine völlig unglaubwürdige Zahlenkombination, da es allein an Litauern mehr gegeben hat, als diese Differenz ausdrückt. Auch für Nowogrodek und Lemberg sind die angegebenen Zahlen anzuzweifeln. („Die amtlichen polnischen Quellen pflegen die Zahlenangaben über die Menschen, die sich nicht als Polen betrachten, möglichst niedrig anzusetzen, während andererseits verschiedene Komitees, welche die Minderheit in Polen selbst und im Ausland vertraten, behaupteten, es handele sich in Wirklichkeit um weit größere Zahlen. Die Ukrainer beispielsweise gaben ihre Zahl mit etwa sechs oder gar sieben Millionen an, während polnische Gelehrte sie für das Jahr 1931 auf 4,8 Millionen schätzten.“ Samuel L. Sharp: „Poland White Eagle on a red Field“, Cambridge, Massachusetts, 1953 – Harvard University Press.)

Es wurde früher schon und wird auch noch heute – und nicht nur von polnischer Seite – mit dem Hinweis darauf operiert, daß die aus den an die Sowjetunion abgetretenen Gebieten nun nach Polen zurückgesiedelten Polen Raum bräuchten. Allein schon aus diesem Grund brauche Polen die deutschen Ostgebiete. Die amtlichen polnischen Daten beweisen das Gegenteil. Nach Polen kamen aus den abgetretenen Gebieten rund 1,5 Millionen Polen. Dagegen sind zu rechnen etwa 518219 Ukrainer und Weißruthenen die Polen verließen, sowie zirka 1,2 Millionen Volksdeutsche, die bereits vor 1939 im damaligen Polen gelebt hatten und ab 1945 vertrieben wurden. Insgesamt sind das über 1,5 Millionen Menschen (abgesehen von den weit über eine Million Deutschen, die nach 1919 aus Westpreußen und Posen hinausgedrängt wurden). Die Umsiedlung lief bereits 1947/48 aus. 1947 wurden etwas über 10000 und 1948 wenig über 7000 Personen nach Polen umgesiedelt. Die nach diesem Zeitpunkt aus den sowjetischen Verbannungsgebieten sowie zum kleineren Teil aus den früheren polnischen Ostgebieten nach Polen gekommenen „Repatrianten“ erhöhen die Zahl um höchstens 200000, ändern also an den oben genannten Zahlen kaum etwas. Polen hätte somit seine Landsleute aus dem Osten unterbringen können, ohne auch nur einen Quadratmeter deutschen Bodens in Anspruch nehmen zu müssen. Auf drei Polen, die von der Bevölkerungsverschiebung an Polens Ostgrenze betroffen wurden, kommen 20 Deutsche, die zugunsten von Polen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. („Rocznik Statystyczny 1949“, Warschau 1950, „Statistisches Jahrbuch 1949“, hrsg. v. Statistischen Hauptamt Warschau.)

Die polnischen Ostgebiete, die zum Teil wirtschaftlich verelendet waren, wurden mit den blühenden deutschen Kulturlandschaften kompensiert; für die Abtretung von Europas größtem Sumpfgebiet um Pinsk erhielt Polen eine hochstehende Wirtschaft in Deutschlands Osten. Dieses Mißverhältnis wird von polnischen Quellen zugegeben. So gibt Juliusz Kolpinski in „Przeglad Zachodni“ (1946, S. 721 ff.) den Wert der deutschen Ostgebiete – am Nationaleinkommen gemessen – mit 18 Milliarden Zloty an, während der Wert der polnischen Ostgebiete auf Grund derselben Berechnung mit 3,4 Milliarden Zloty beziffert wird. Das Wertverhältnis ist demnach 18 zu 3,4, das heißt Polen erhielt für jeden abgetretenen Zloty mehr als den fünffachen Wert im Westen! Auch vor diesem Hintergrund ist es völlig verständlich, wenn der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski die Feststellung trifft: Für Polen ist jede Form einer Revision des Nachkriegs-Status-quo inakzeptabel (laut AP-Meldung, „Weser-Kurier, 31. Juli 2004).
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 47 / 26.11.2005,
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der „Pommerschen Zeitung“


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