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Verlobung
von Beate Szillis-Kappelhoff
Wollte ein junger Mann heiraten, so sagte er es
zunächst seinen Eltern. Diese fragten ihn, ob er im Elternhaus verbleiben wolle
oder nicht. Im letzteren Fall würden sie sich nicht sonderlich um die Brautwahl
kümmern. Sollte die Schwiegertochter jedoch zu ihnen einziehen, so sagte der
Vater dem Sohn zu, ihm mehrere Vorschläge zu unterbreiten und den
Hochzeitsvermittler (Pirszlys) in die jeweiligen Häuser zu schicken, ob der Sohn
mit seiner Bewerbung dort eine Chance hätte. Hatte der Sohn bereits eine
Vorliebe gefasst, so musste sie auch den Eltern gefallen.
Um nicht eine falsche Bindung einzugehen, geht
der Sohn von nun an sehr fleißig in die Kirche und in den Krug, um zu sehen, wie
sich die vorgeschlagene Dame dort jeweils benimmt und ob sie etwa Untugenden
habe. Auch fragt er in seinem Bekanntenkreis herum und nimmt jede Gelegenheit,
um mit ihr im Krug zu tanzen und zu sehen, ob sie seine "Courtoisie preussischer
Art" akzeptiert.
Der Heiratsvermittler nimmt nun seine Tätigkeit
auf, darf aber weder zu Fuss gehen noch mit einem Wagen fahren, wenn er ins
Gehöft der Braut kommt. Reitend, mit einem Rautensträußlein (Queta) auf einem
grünen Haselstock, hält er Einzug. Unterwegs hat er schon darauf geachtet, ob ihm ein Wolf oder eine Schlange begegnet, denn
das ist ein gutes Zeichen. Eine ausgeklügelte Zeichensprache läßt ihn schon beim
Erscheinen erkennen, ob die Werbung genehm ist: Sieht er eine junge Frau, so ist
er willkommen, geht jedoch eine Alte über den Hof, kann er gleich wieder
umkehren. Zunächst fragt der Hausvater ihn nach seinem Grund, worauf der
Pirszlys den zukünftigen Bräutigam in höchsten Tönen zu loben beginnt, was den
Vater aber überhaupt nicht beeindruckt, denn man ist allgemein der Meinung, dass
Heiratsvermittler Lügner sind. Danach zieht sich der Vater mit Frau und Tochter
zur Beratung zurück. Anschließend wird der Gast zum Essen eingeladen, bei dem er
an der Art der Speise bereits erkennen wird, wie die Beratung ausgegangen ist.
Ehe er aber auf das Pferd steigt, fragt er noch, ob er wiederkommen dürfe.
Bejaht die Familie dies, so ist das schon das halbe Jawort. Sagen sie Nein, so
ist dies ein endgültiger Korb.
Bei seinem zweiten Besuch hat der Pirszlys seinen
Rautenstrauß auf einen grünen Birkenzweig gesteckt. Und diesmal heißt ihn nicht
der Vater sondern die Braut willkommen. Dann wird ihm der Tag mitgeteilt, an dem
er ein drittes Mal wieder kommen darf, und nun gibt ihm die Braut eine Queta und
eine Josta mit. Das ist ein gewerktes Leibband, an dem der Bräutigam (Grandam
oder Jaunikkis) erkennen kann, dass er genehm ist. Der Heiratsvermittler "wird
brav besäuft, doch so, dass er noch fähig ist die Zeichen zum Bräutigam zu
bringen. Wenn er wegreitet, behängen der Braut Freunde ihn und sein Pferd mit
Kränzen, mit allerhand Kraut und Geblüt aus dem Garten, dass er kaum fortgehen
kann. Der also zurückkehrende Pirszlys wird mit Freuden angenommen und nun gehts
an ein Fressen und Saufen, da bekommt er den Rest, dass er nicht mehr von der
Stätte kann."
Nachdem dieser Teil des Rituals gelaufen ist,
treffen sich die Eltern, um einen Termin auszumachen, an dem sich das junge Paar
im Hause der Braut sehen und die Heirat beschließen soll. Das ist der Tag des
Zwalgauken, der einem anderen ausgedehnten Ritual folgt: Der Bräutigam sammelt
mit dem Heiratsvermittler seine gesamte männliche Verwandtschaft und reitet zum
bräutlichen Gehöft, dessen Tor jedoch mit einem dicken Balken verriegelt ist.
Der Brautvater fragt nun, was die Gesellschaft unterwegs gesehen habe, und der
Pirszlys muss dessen Reichtum loben: Feld, Fett, Stoppeln, Schätze, Mist,
Getreide, Heu, Milch. Erst danach darf er um Einlass bitten. Beim Eintreten in
das Haus darf niemand die Schwelle und die Türrahmen berühren, denn das hätte
ein böses Omen. Nun folgen die Zeremonien des Zheminelauken (Ehrung der
Erdgöttin) und des Palabindama (Willkommen-Zutrinken), wobei man sich immer
wieder die Hände schüttelt und ein Glas Schnaps auf die Erde gießt, um Zhemina
zu ehren.
Nachdem man sich zu Tische gesetzt hat, bringt
der Hauswirt eine Kausche, eine hölzerne Trinkschale, und füllt sie mit Bier.
Währenddessen stehen alle mit entblößtem Haupt, setzen sich erst, bis alle
einzelnen Kauschen gefüllt sind. Der Pirszlys schlägt immer wieder mit seinem rautenbekränzten Stab gegen die Stubenbalken und
fordert Essen sowie das Erscheinen der Braut. Die aber läßt sich lange bitten
und betritt schließlich mit ihren weiblichen Verwandten die Stube. Die
Sitzordnung am Tisch ist dabei genau festgelegt, und es folgen einige lustige
Rate- und Trinkspiele, bei dem sich das junge Paar zwanglos kennenlernen soll.
Nach allerhand Possen und Reden nimmt nun der
Brautbruder eine Kausche, setzt sie auf einen Teller und legt etwa sechs
Groschen hinein, um der Schwester Reichtum zu wünschen. Wieder wird zugetrunken
und schließlich getanzt, wobei die Braut zuerst mit dem Bruder des Grandam,
dieser aber mit der Brautschwester tanzen muss. Wenn Braut und Bräutigam genug
haben, nimmt die Brautschwester den Bräutigam und der Bräutigamsbruder die Braut
an den Arm und führen sie in die Klete, das ist eine Scheune mit einem
Schlafzimmer. Dort lassen sie das frisch verlobte Paar allein (eine Tatsache,
die bei Deutschen und christlichen Priestern auf großes Befremden stieß).
Der Pirszlys übernimmt derweil den männlichen
Teil der Verlobungsgesellschaft und führt ihn in das Haus des Bräutigams, wo
heftig weiter gefeiert wird. In der nächsten Zeit besucht der Grandam seine Braut öfter in ihrem Haus, sie ihn aber
nicht in seinem. Endlich besuchen sich die Alten und verabreden die Hochzeit.
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