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Beerdigung   
von Beate Szillis-Kappelhoff 
Mit dem Tod gingen unsere prußischen Vorfahren 
sehr selbstverständlich um, schließlich wanderte die Wele eines Sterbenden zu 
den Göttern, während seine Dusin in Pflanzen oder Tieren weiterbestand und 
Kontakt zu den Lebenden halten konnte.  
Merkte ein Totkranker, dass es mit ihm zuende 
ging, so ordnete er selbst an, wie sein Leichenbegängnis stattfinden sollte: Wie 
viel Getreide zu Brot und Strietzel verbacken, wie viel Bier gebraut und wie 
viel geschlachtet werden sollte. Auch bestimmte er seine Kleidung im Sarg sowie 
seine Grabbeigaben. Die Angehörigen befolgten seine Anweisungen selbstredend. 
Nichts wurde vergeudet: die Haut des geschlachteten Ochsen wurde zu Leder 
gegerbt und den Leuten gegeben, die für die Seele beten würden; aus dem Talg 
machte man Kerzen für Grablichter.  
Der Sterbende erhielt selbst von allen 
zubereiteten Speisen, sofern er noch essen und trinken konnte, und die 
versammelte Familie und Nachbarschaft diskutierte freimütig mit ihm seinen 
Zustand, ob er schwächer würde oder sich erholte, befühlte seine Füße und 
berichtete ihm, wie weit Kälte und Leichenflecken schon fortgeschritten seien. 
Der Sterbende verteilte nach Möglichkeit seine Habe "mit warmer Hand". Es 
passierte jedoch auch, dass der Sterbende bei all diesen schönen Feierlichkeiten 
ihm zu Ehren wieder genas.  
Ist der Mensch nun gestorben, so wird er sauber 
gewaschen, mit seinen besten Kleidern angezogen und auf einen Stuhl gesetzt. Ein 
Freund betet für die Seele, eine Kauschel in der Hand haltend, und gießt der 
Erdgöttin Zhemina Bier auf die Erde. Dazu spricht er: "Zhemynele buk linksma ir priik sze dusele, ir gerrai kawrok." Das heißt: 
"Sei fröhlich Erdmuttchen und nimm dies Seelchen wohl auf und verwahre es wohl." 
Dann trinkt er dem Toten Palabindama zu und sagt, dass Gott seine Seele wohl 
bewahren wolle. Dann zhemynelauken alle Anwesenden und trinken nacheinander Palabindama. Es soll wohl auch 
vorgekommen sein, dass die Jugend während der nächtlichen Totenwachen bis zur 
Beerdigung tanzen wollte. Damit der Tote mitfeiern konnte, habe man den Sarg 
kurzerhand senkrecht gestellt.
 
Aus ganz früher Zeit wird überliefert, dass der 
Verstorbene bis zu zwei Monate aufgebahrt blieb, so dass Reiterfestspiele 
stattfinden konnten, bei denen das Erbe unter den Siegern verteilt wurde. Diese 
lange Aufbahrungszeit hat Rätsel aufgegeben, weil von einer Kältemethode die Rede war, die niemand so recht hat klären 
können. Natürlich hatte jeder Haushalt einen Eiskeller. Im Winter wurden 
quaderförmige Eisblöcke aus den Gewässern heraus gesägt und in Erdkellern 
gelagert, so dass man auch im heißesten Sommer noch gekühlte Speisen und 
Getränke herstellen konnte. Vielleicht spielte ja auch 
jenes geheimnisvolle Gefrierkraut" eine Rolle: "Einstmals zeigte mir ein Mann 
aus dem Ragnitischen ein Kraut, das hatte einen schwarzen Stengel und 
krauselichte eingezackte runde Blätter; sagte, er wolle ein kochendes Wasser in 
kurzer Weile gefrieren machen. Ich ließ zur Probe Wasser beisetzen und sieden. 
Er warf von dem Kraut hinein. Bald ließ das Wasser vom Sieden nach und setzte 
eine Borke an wie Eis, in welchem Eise die Gestalt des hineingeworfenen Krautes zu 
sehen war."  
In späteren Jahrhunderten ist von einer 
Kältekonservierung der Toten keine Rede mehr. Der Verstorbene wurde mit seinen 
besten Kleidern und Schmuck in einen Sarg gelegt, eben alles was der Sterbende 
befohlen hatte. Waren die Leute sehr arm, so gaben sie dem Toten wenigstens Nähnadel und Zwirn mit ins Grab, damit er im 
Jenseits eine gepflegte Erscheinung abgab. "Zu unserer Väter Zeiten hat man 
erfahren, dass sie noch von dem zu dem Trauerbegängniss gegebenen Bier in den 
Sarg getan haben. Ich kann mich erinnern, dass ich einstmals eine solche Kanne 
Bier gesehen; es hatte eine dicke Haut angesetzet, war 
aber klar trotz dem schönsten Mete, und sollen Andere es, wie mir berichtet 
wird, gekostet und von herrlichem Geschmack gefunden haben. Man hält dafür, dass 
in und an Zamaiten in Preussen solche Dinge noch vorgehen."  
Bevor der Leichnam zum Friedhof gebracht wird, 
heben die Frauen ihre Klagen an: Warum bist du gestorben? Ist es dir denn hier 
nicht gut gegangen? Hast du nicht ein schönes Weib gehabt? Hab ich dich nicht 
geliebt? Hast du nicht gute Kinder? Warum lässt du mich hier im Elend? Du hast 
doch so viel Vieh und so viele Güter. Warum bist du gestorben?  
Dann wird der Schulmeister gerufen, und wenn der 
zu singen beginnt, hört das Klagen auf. Die Frauen und die eigentlichen 
Leidtragenden begleiten den Sarg nur bis zum Hoftor und sprechen: "Nun geh in 
Gottes Namen. Wir werden dich nicht mehr sehen noch sprechen. Sei fröhlich in jener Welt!"
 
Kommt die Trauergemeinde zum Haus zurück, so 
steht am Toreseingang ein Eimer Wasser mit einem weißen Handtuch. Jeder, der 
beim Begräbnis dabei war, muss sich nun die Hände waschen. Auf einem abseits 
stehenden Tisch sind inzwischen Speisen und Getränke angerichtet worden. Der eigentliche Esstisch wird nicht mit einem 
Tischtuch bedeckt, es werden auch keine Teller darauf gesetzt. Der älteste Sohn 
oder der nächste Blutsverwandte beginnen nun mit dem Zheminelauken,  
wobei jeweils drei Bissen Brot, drei Bissen 
Fleisch und drei Löffel Bier auf die Erde gegeben werden, damit Zheminele die 
Seele wohl pflegen möge. Schließlich beginnt das Palabindama, jedoch wird darauf 
geachtet, dass vorher jeder, auch der geringste Bettler, der sich zufällig oder weniger zufällig eingefunden hat, mit einem 
Getränk versorgt wurde.  
Nach einem Monat wiederholt sich die Zeremonie 
des Zheminelauti, ebenso in jedem der folgenden drei Jahre. Dann ist die Witwe 
wieder frei für eine weitere Heirat, so sie möchte. 
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