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Die Kurische Sprache 
Wer sind eigentlich die Kuren, wird immer wieder 
gefragt. Wenn wir die Archäologen fragen, so erhalten wir zur Antwort, dass ihr 
südliches Siedlungsgebiet auf der Nehrung an das Samland grenzte und auf dem 
Festland der Minge-Fluss die Grenze zu den prußischen Schalauern bildete. Ihr 
Gebiet umfasste weite Teile des heute szemaitischen Bereiches Litauens und 
reichte entlang der Ostsee bis in das heutige Lettland. Bereits aus dem 
„Goldenen Zeitalter der Balten“, nämlich im 2. bis 5. Jh. n.Chr. ist 
nachgewiesen, dass die Kuren anders als ihre Nachbarn ihre Toten inmitten eines 
Steinringes oder einer rechteckig angeordneten Steineinfriedung beerdigten. 
Fragen wir die Linguisten, so handelt es sich 
eindeutig um ein baltisches Volk, das der indo-europäischen Sprachfamilie 
angehört. Dann aber hören die Eindeutigkeiten auf, und die Meinungen gehen 
teilweise sehr weit auseinander. Einig sind sich die Linguisten wiederum darin, 
dass die schwache Überlieferung ein großes Hindernis für die Forschung 
darstelle. Die kurische Sprache wird als mit der lettischen verwandt, aber nicht 
identisch bezeichnet, und für die Erforschung scheint das Alt-Kurische wichtig 
zu sein. Andererseits rücken jedoch einige Besonderheiten diese Sprache in die 
Nähe des Alt-Preußischen. Einige Sprachwissenschaftler finden eine besondere 
Ähnlichkeit zu den selischen und semgellischen Sprachen und bezeichnen sie als 
sprachliches Übergangsgebiet zwischen Westbaltisch (prußisch und 
sudau-jatwingisch) und Ostbaltisch (litauisch und lettisch), andere sehen in ihr 
einen Zwischendialekt zwischen lettisch und litauisch. Ein interessantes 
Beispiel für die Unterscheidung der Sprachen ist bei Prätorius (etwa 1680) zu 
finden: „Wort“ heißt prußisch wirdas, litauisch wardas, kurisch werdas und 
lettisch vards. 
Selbst der Name der Kuren führt zu merkwürdigen 
Spekulationen. So gibt es einen Wissenschaftler, der –heftig von anderen 
bestritten- von einem finnischen Ursprung ausgeht, während K. Buga ihn von 
kuršas ableitet, was „Rodeland, Landstrich mit niedrigen Sträuchern und 
verkrüppelten Bäumen“ bedeutet. Eine interessante Interpretation ist bei 
Wolfgang Schmid zu lesen, der alle diese Deutungen als „blinde Etymologien“ 
bezeichnet. Er bietet eine indo-europäische Lösung an, indem er das Wort kurš 
auf die Wurzel krs zurückführt, die auch dem lateinischen currere (laufen) 
zugrunde liegt. Weiter teilt er mit, dass schon bei Cicero cursum expectare „auf 
günstigen Wind warten“ bedeutete. Eben dies tat aber der Korsar, der Seeräuber 
des Mittelmeeres. Also folgert Schmid, dass der Eigenname Kure nur „schnell 
beweglich auf See“ bedeuten könne. Die Kuren der Nehrung nannten sich selbst 
Kursenieki. 
Zuletzt möchte ich noch Historiker zu Wort kommen 
lassen. Verallgemeinernd kann man feststellen, dass die Arbeiten des zu seiner 
Epoche sehr geschätzten Adalbert Bezzenberger von neueren Wissenschaftlern 
kritisiert werden. Sie werfen ihm vor, vorhandene Quellen nicht ausgeschöpft und 
tiefer liegende Sprachschichten nicht beachtet zu haben. Konsens herrscht 
darüber, dass die Kuren erstmalig Mitte des 9. Jh. n. Chr. durch den Hamburger 
Erzbischof Rimbert als Cori erwähnt werden. In seiner „vita Ansgarii“ erwähnt er 
einen Kriegszug der Schweden gegen die Kuren im szemaitischen Apoule bei Schoden. 
Etliche Wissenschaftler weisen an Hand von Orts- und Flussnamen aus dem 13. Jh. 
die Anwesenheit von Kuren nach: Kurschen, Kurschlauken (Kreis Memel), 
Steponkuhren (Kreis Heydekrug), Neu-Kuhren (Samland). Auch der Ort Drawöhnen 
habe sich aus der Wiese Drivene entwickelt. Die Flussnamen Dange und Minge 
werden als eindeutig kurisch bezeichnet. 
Immer wieder ist zu lesen, das südliche kurische 
Gebiet Pilsaten, also der nördliche Teil des Memellands, sowie die anderen drei 
südkurischen Landschaften Duwsaren, Megowe und Ceclis wären im 13. Jh. eine 
unbesiedelte Wildnis gewesen. Dem widersprechen etliche Autoren, denn auch wenn 
in lateinischen Ordensurkunden immer wieder das Wort incultae (unbebaut) erwähnt 
wird, so müsse das nicht zwingend „unbewohnt“ heißen. Schließlich wurden vom 
Orden bei der Aufteilung der Landschaften stets die einheimischen seniores 
hinzugezogen, womit im damaligen Verständnis die „Ältesten“ bezeichnet wurden. 
Da ein unbewohntes Land keine Ältesten haben könne, müsse der Schluss gezogen 
werden, dass das Land möglicherweise dünn, aber doch besiedelt war. 
Anton Salys äußert sich über Urkunden von 
Heinrich, Bischof von Kurland aus dem Jahr 1258 folgendermaßen: „Die beiden 
Urkunden über die Einigung des Ordens mit dem Bischof von Kurland wegen des 
Baues der Burg und der Stadt Memel sind für unsere Frage nicht ohne Bedeutung. 
Die oben angeführten Stellen dieser Urkunden sprechen, wenn auch indirekt, doch 
unzweifelhaft für die Bewohntheit der gesamten Gebiete. Sonst wäre die 
Überlassung des Landes an den Orden zum Niessbrauch unverständlich. Wozu die 
Einschränkung auf 5 Jahre, wenn das Land Wildnis ist?“. Hans Mortensen schildert 
in diesem Zusammenhang, dass die Wildnis für ihre Bewohner einen großen Wert 
hatte, was auch den Ordensleuten durchaus bekannt gewesen sei. Als wohl 
eindeutigen Beweis für die Anwesenheit der Kuren im Memelland sei die 
Livländische Reimchronik (1259) herangezogen, die berichtet, dass von Goldingen 
aus gefordert wird, die Kuren von Memel mit in den Feldzug zu nehmen. 
Abgesehen von einigen wenigen Sippen, die als 
Halbnomaden weiter auf der Nehrung blieben, setzte aber bald danach eine 
Abwanderung der Kuren nach Norden ein, die, wie Mortensen nachweist, durch eine 
Klimaänderung verursacht worden war. Eine längere Feuchtigkeitsperiode machte 
das Leben in der versumpfenden Landschaft zunehmend schwerer, so dass der 
kühlere Norden wegen seines trockneren Klimas als Lebensraum vorgezogen wurde. 
Mortensen widerlegt die Gerüchte, der Orden habe die Kuren ausgerottet, indem er 
Urkunden anführt, in denen über die Behandlung der Nordkuren Livlands berichtet 
wird. Warum, so fragt er, sollte der Orden die Nordkuren am Leben lassen und die 
Südkuren ausrotten? Vermutlich haben die Südkuren immer wieder zu Schiff ihre 
alten Fanggründe aufgesucht und das Wissen über ihre alten Landschaften an die 
folgenden Generationen weitergegeben. Jedenfalls setzte ab 1400, als das Klima 
wieder günstiger wurde, eine Rückwanderung der Kuren ins Memelgebiet ein.  
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