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Das Leben in der Wildnis
von Beate Szillis-Kappelhoff
Wie kann man sich das Leben in der Wildnis
vorstellen? Die einheimischen Prußen lebten nur in geringer Zahl in den Städten,
und wenn, dann in schlecht eingefriedeten Vororten, sogenannten "Lischken". Der
Großteil von ihnen wohnte am Rande der Wildnis. Dort kannte man sich aus, und
man verachtete die Fremden wegen ihrer Unkenntnis: "So dumm wie ein Deutscher".
Ein Beobachter berichtet: "Gegen den Fremden wie überhaupt gegen Deutsche zeigt
er sich argwöhnisch und zurückhaltend, hinterlistig und voll übertriebenen
Selbstgefühls."
Die Einheimischen bewohnten in der "Wüste" oft
mehrere einfache Holzbuden, die, während man nomadisierend weiterzog, sorgsam
verrammelt wurden, während Vorräte in tönernen Gefäßen im Sand vergraben oder in
"Kleten", das sind kleine Lagerschuppen, aufbewahrt wurden. Neben den Heuwiesen,
der Jagd und dem Pelzhandel spielte die Waldbienenzucht als zusätzliche
Wirtschaftsgrundlage eine nicht unbedeutende Rolle, denn von Seiten des Ordens
herrschte eine große Nachfrage nach Bienenwachs zur Herstellung von Kerzen für
die Gottesdienste. Gemüseanbau spielte keine große Rolle, denn "Fleisch ist das beste Gemüse", was sich noch im
Doenig´schen Kochbuch von 1938 niederschlägt: Von 586 Seiten gibt es lediglich
24 Seiten Gemüse-Rezepte, die recht langweilig "gestowt" werden, das heißt
gedünstet oder geschmort mit einer Mehlbindung, aber 107 Seiten sehr
interessante Fleisch- und Wildrezepte und 136 Seiten ausgesprochen fantasievolle
und raffinierte Fischrezepte sowie 4 Seiten Pilzgerichte. Der Rest sind Mehl-,
Eier-, Obst- und Süßspeisen, wobei hier wieder der Honig eine tragende Rolle
spielt.
Wichtig waren natürlich auch die Herstellung von
Glumse (Quark), von saurem Schmand und von alkoholischen Getränken. Die
Haltbarmachung der Nahrung hatte einen sehr hohen Stellenwert. Dabei wurden alle
bekannten Techniken wie Pökeln, Einlegen, Säuern, Trocknen, Süßen und Kühlen im
Eiskeller angewandt. Gewürzt wurde übrigens mit reichlich saurem Schmand, mit
Kümmel, Majoran, Wacholder und Lorbeer. Die allgemeine Geschmacksrichtung war
süß-sauer, wobei Backobst, Holunder, Äpfel und Sauerampfer als Geschmacksträger
dienten. Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sehr häufig Hungersnöte gab.
Vor der Einführung der Kartoffel aß man wie überall Getreidebreie, die in einen
Lederbeutel gefüllt und darin weichgeknetet wurden. Flinsen waren das Fladenbrot
der damaligen Zeit, aber ganz armen Leuten blieb nichts anderes übrig als den
kärglichen Getreidebrei noch mit Spreu zu vermengen, um das Hungergefühl zu
betäuben.
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