Die nördlichen Nachbarn der Prußen
von Beate Szillis-Kappelhoff
Die Ordensleute behaupteten gerne, die Wildnis
sei unbewohnt gewesen, jedoch lebten in dieser Region die alteingesessenen
Schalauer und Nadrauer sowie einige Kuren und Szemaiten. Das Gebiet der
Szemaiten (Niederlitauer) lag nördlich des Flüsschen Schusche. Ihnen gehörte
praktisch das gesamte Gebiet des heutigen Litauens nördlich der Memel. Die
Litauer waren aus dem heutigen Rußland in Richtung Westen gedrängt worden und
siedelten zunächst östlich der Sudauer und verdrängten ihrerseits die Szemaiten
nach Westen. Der Name der Szemaiten leitet sich ab von "zheme" bzw, "szeme"
(sprich wie das "G" in "Gelee" oder das "J" in "Journal") und bedeutet "Erde",
aber auch Niederung Tiefebene, Talung.
Die Nehrung und das Kreisgebiet um Memel herum
(auf einigen Karten abweichend das Gebiet nördlich von Memel in Richtung
Polangen) waren kurisches Stammland. Der Name "Kure" heißt etwa "schnell zu
Wasser" und hat sprachlich die selbe Wurzel wie der schnelle "Kurier" und der
"Korsar" (Pirat). Im Wesentlichen ernährten sich die Kuren vom Fischfang,
gelegentlich auch von der Piraterie, aber sie besaßen auch auf der gegenüber
liegenden Haffseite ihre Heuwiesen, die sie bewirtschafteten. Die Kuren
wanderten wegen des feuchter werdenden Klimas nach Lettland, nur wenige Familien
blieben zurück. Einige Jahrhunderte später setzte eine Rückwanderung ein, aber
die alten kulturellen Verbindungen waren
unterbrochen, so dass die neuen Kuren lettisches Brauchtum mitbrachten.
Bemerkenswert waren die Keitelkähne mit ihren
familien- und ortstypisch geschnitzten Wimpeln. Keitel oder Kidel waren
trichterförmige aus Hanf gefertigte Treibnetze, mit denen in der Zeit vom 1.
Juli bis 1. Oktober das Haff befischt wurde, allerdings aus Naturschutzgründen
nur mit halbem Segel. Die Kurrenfischerei wurde mit zwei etwas
kleineren Kähnen betrieben, zwischen denen ein Netz gezogen wurde. Im Winter gab
es auf dem Haff die überaus harte Arbeit der Eisfischerei.
In der süd-östlichen Wildnis, in Nadrauen und
Sudauen, gab es Besiedlung mit Hochlitauern, die vor der polnischen Willkür
geflohen waren und das mildere Recht des Ordens suchten. Oft gab es
diplomatisches Gezerre um diese Menschen, die aber häufig das Glück hatten,
ihrer Obrigkeit nicht
ausgeliefert zu werden. Ab dem 15. Jh. sickerten
dann immer mehr Szemaiten und Litauer in die Wildnis ein. Meist kamen sie in
Familienverbänden und wurden zur Urbarmachung der Wildnis angesiedelt.
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