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Hochzeit
von Beate Szillis-Kappelhoff
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Hochzeitszeremonie der Prußen. (Olaus Magnus Venedig 1565) |
Als der christliche Glaube noch nicht innerlich
akzeptiert war, feierte man die Hochzeit zunächst nach alter Art und ließ sich
etwa drei Tage danach in der Kirche trauen. Später kehrte sich die Reihenfolge
um.
Zur Kirche gehen die Teile der
Hochzeitsgesellschaft getrennt: Der Bräutigam mit seinem männlichen Gefolge und
die Braut mit ihrem weiblichen. Nach der Trauung kehren die Brautleute wieder
getrennt jeweils in ihr Haus zurück. Dann fährt der Bräutigam mit seinen
Verwandten zur Braut, um die Kubel, die Brautlade, und die Aussteuer abzuholen.
Dies wird ihm jedoch von den Schwestern der Braut verweigert, so dass er sie mit
vielen Groschen auslösen muss. Schließlich wird alles auf Wagen geladen, nur das
Bettzeug kommt in den Wagen des Bräutigams. In seinem Haus wird alles der
Bräutigamsschwester übergeben, die es sorgsam verwahrt und das Brautgemach
gemütlich herrichtet.
Der Bruder des Bräutigams, der Dewerys, hat einen
Pallags, einen Brautwagen, hergerichtet, auf den Bügel gesetzt wurden, die mit
Tüchern und Rautenkränzen dicht besetzt sind. Für den Kutscher liegen Brot,
Speck und Weizenfladen bereit. Bevor nun die Braut in den Wagen steigt, muss sie noch die Abschiedszermonie vollziehen, bei
der sie klagt, dass sie nun Mutter und Vater verlassen muss, dass sie sich nun
nicht mehr um das Vieh kümmern kann. Sie nimmt Abschied von den Hausgeistern und
entschuldigt sich, dass sie nun anderen Hausgeistern zu dienen habe.
Schließlich wird ihr der samtene Kranz mit den
Rauten auf das Haupt gesetzt, und sie wird von ihrem Zukünftigen zum Brautwagen
geführt. Unterwegs wird sie an jeder Feldgrenze, an jder Hecke eine Juosta, ein
gewirktes Leibband, abwerfen, damit ihr die Feldgeister, die immer an Grenzen
leben, gut gesinnt bleiben. Sie wird ihre Eltern erst lange Zeit später
wiedersehen dürfen.
Am Hoftor des Mannes angekommen, warten zwei alte
Frauen mit einem brennenden Strohbund, durch das der Pallags fahren muss. Auch
diesen Frauen wirft die Braut Juosten zu. Beim Eintritt ins Haus muss sie
unbedingt darauf achten, dass sie es mit dem linken Fuss zuerst betritt.
Nach ausgiebigen Essen, bei dem die Brautleute
nur Huhn, Fisch und Getreide essen dürfen, eröffnet die Braut den Tanz in einem
geschlossenen Kreis. Danach tanzt sie mit allen Männern, zuletzt mit dem Deweris,
dem Schwager. Dabei versuchen zwei Frauen sie zu erhaschen. Die Braut (Nutaka) versucht zu fliehen, aber es hilft
nichts, denn der Kreis ist ja geschlossen. Sie wird mit einem Tuch überworfen
und in die Klete geführt, wo die Anyta, die Schwiegermutter, auf einem Stuhl
sitzend sie bereits erwartet und sich erst durch etliche Bitten von der Nutaka
erweichen läßt, dieser den Stuhl zu überlassen. Darauf treten alle männlichen
Verwandten des Mannes zu ihr, nehmen ihren Kranz ab, lösen das Stirnband und
flechten die Zöpfe auf. Die weiblichen Verwandten der Nutaka umtanzen diese und
schlagen dabei den zopflösenden Männern mit Birkenreisern auf die Hände.
"Nun erst wird der jungen Frau die Moteris, das
volkstümliche Wulstentuch von weißer Leinwand mit gestickten Enden, aufgesetzt,
worauf der junge Ehemann sich zu ihr niederbeugt, ihr einen Kuß giebt und sie
der Versammlung mit den Worten vorstellt: `Dies ist meine Frau!´ Sogleich tritt
der Oßwis oder Schwiegervater hinzu und hebt die junge Frau vom Stuhl, welche
nun die neuen Eltern auf das Herzlichste begrüßt und ihnen die mitgebrachten
Geschenke überreicht. Der Schwiegervater erhält ein Stück Leinwand, die
Schwiegermutter eine vollständige Kleidung von Kopf bis Fuß, die Schwägerinnen
Marßkinelen oder gestickte Überhemden, und alle Mädchen, die während des
Ausflechtens gesungen haben, schöne mit Spitzen besetzte Handtücher. Nach der
Vertheilung dieser Gaben werden den Herumstehenden die `Thränen der Braut´
dargeboten, das ist eine mit Honig und Branntwein gefüllte Schüssel: Jeder
genießt davon der Reihe nach ein paar Löffel, bis die Quelle versiegt ist. Dann
führt der junge Mann die Frau in´s Haus, wohin ihnen die anderen folgen."
Die jungen Eheleute lebten nun auf des Vaters Hof
und hatten mitzuhelfen. Oft waren es mehrere junge Familien. "Man muß sich aber
verwundern über die Einträchtigkeit dieser Leuthe. Bey deutschen Bauern gehet
solches nicht an; da kann selten ein Vater mit einem Sohn in einem Haus leben."
Hochzeiten in Trachten waren noch bis Ende des
19.Jh. üblich. Während die bürgerlichen Schichten nun adelige Heiraten mit
weißem Brautkleid nachahmten, begann bei einfachen Leuten die Mode eines
schwarzen Brautkleides mit weißem Schleier. Dieses Kleid war während des
gesamten späteren Lebens das "Gute Kleid" und hatte bis zu zwanzig
Taillen-Abnäher, die je nach Körperumfang ausgelassen und wieder eingefasst
werden konnten. Der Schleier wurde dem Neugeborenen über die Wiege gelegt, um es
vor Insekten zu schützen.
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