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Über die Bocksheiligung und
Frömmigkeit der Prußen
zusammengestellt von Beate
Szillis-Kappelhoff
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Patolos, Perkunas,
Patrimpos (Schriftsprache der Prußen?) |
„Die Bruteni nanten ihren obirsten herren, der
sie regirte im nahmen irer götte kirwaido das ist gottis muntt, die Masuren in
nanten criwe, is hott aber nix auff sich, wen es bedeut ein person. Und wardt so
vorhalten, domit einer zu dem andern sprach, hostu auch unseren kirwaiden
gesehen, sprach er nein, so sagte der in fragte, und ich in hab gesehen, darumb
bin ich heiliger, wen du.“ (Kriwe war der oberste Priester, ihm unterstanden
Waidelotten). „Wie wol is teufflisch gespenst war mit ihren göttin, so hetten
sie doch viel waidlotten, sowol von frauen als von mennir, ...“ „Wiewol bey den
kirwaiden zu Rickoyot viel waidler worden und waidlin, die alle arbeit genugk
hetten in dem opphirn den götthirn dos feuer zu halten und wie den ihre dienst
woren...“
Ein mittelalterlicher Zeitzeuge gerät in arge
Bedrängnis: „Wie aber alle dinge do zugangen ist, hab ich nicht gefunden sunder
wie itzund der undeutschen Preussen waidlen zugehet, ich is also gesehen habe,
aber unwaenes dorzu qwam dan sie halten is gantz stille. Ich qwam in ein haus
eines dorffes und fandt in der stuben viel mennir und frauen, welche in
Preuschir sproche predigte ein alter pauer ir waidlott. Sie entpfingen mich ein
iglicher mit seinem messer mich zu todten, so gebrach ich is ag am waidlotten,
und er sprach ein wort. Den gobin gottis ich is dancke, und ich kundt ein wenigk
Preusch, mit welchin ich bat umb mein leben, ich wolt thun, was sie wollten. Und
sie hörten von mir ire sprache, sie wurden irfreuet und schrigen alle sta nossen
rickie, nossen ricki (Er ist unser Herr, einer von uns), und muste ein eit
schweren im namen Perkuno des gottis, und ich is nit wult dem bischoff sogen,
der ir herre war, und ich schwur und hilffe mit waidelen. Dem weidler so ein
stul und geses gemacht hetten so hoch, domit es gar nohende an der stuben decke
reichte mit seinem haupte, und so in predigte. Zum irsten er in do sagte von
irem herkommen und was sie etwan gethon hetten. Dornoch er in vor alte die 10
gebot gottis, und werlich und ich sie bis auff den tagk ny so schon hette
gehörtt. Noch dem, sy ein bogk nomen und in gebenedeiten und ein langes gebet
ubir in thettin. Dornoch sy gingen zu ein iglicher in sonderheit und im beichten
musten ire missethat, das ist, dos er gethon hette widder die lernungk des
waidlotten. Noch diesem allis man den bogk helt und der waydlott im das heuppt
abeheut, das blut sie fangen und is irem krancken vich geben, sy in schinden und
in stucken hauen, und die frauen haben ein gluenden backofen. Das fleisch vom
bocke sie auff eichen blette legin und is so brotten. Under diesem brodten ein
iglicher sich vor dem waidlotten kniet, und der waidelotte zeuhet in bey den
horen und gibt im eine gutte hubsche, und ist ein absolucio. Noch allen so
steigt abe der waidlott, und sie alle zugleiche im ins haer fallen und zien,
domit er mechtigk schreie, von welchim geschrei sie ist halten, und jo grösser
is gewest ist, jo me in gott sunde vergeben hat. Noch diesem man die frauen
vornimpt, und sie auch lernett, wie sie im thun sal. Dornoch sie heben an zu
trincken und essen und dis sie nennen kirwaiten und mus jo niemandt nuchter
sondern gantz trunken heimgehen.“
Unheimlich war es für die Prußen, daß die
Ordensritter (Rittibaltas, „baltas“ heißt „weiß“) auf Schimmeln ritten und sich
weiße Hunde und weiße Tauben hielten, denn weiße Tiere und Albinos waren mit
Tabu belegt und brachten Unheil. Das Christentum wurde mit dem Schwert gebracht
und kostete viele Menschenleben. Trotzdem gab es später Geistliche, die sich
auch um das Seelenheil der Einheimischen kümmerten, ihre Sprache erlernten und
Bibelübersetzungen herausgaben. Bis in die Mitte des 19.Jh. gab es noch
gelegentlich Predigten in prußischer Sprache, danach kann man diese Sprache im
wesentlichen (außer vielleicht „im Litauischen“) als ausgestorben betrachten.
Die Frömmigkeit der Prußen war sehr groß, auch
wenn man noch sicherheitshalber parallel den alten Göttern huldigte, so besuchte
man doch gerne und ausgiebig den christlichen Gottesdienst. Die Dörfler fanden
sich lange vor Beginn des Gottesdienstes ein und stimmten sich inbrünstig mit
Liedersingen ein. Im evangelischen Gesangsbuch gibt es zwei Lieder mit über
siebzig Strophen, deren alle gesungen wurden. Am Schluß intonierte man ebenso
inbrünstig den Namen des Textdichters Paul Gerhardt.
„Der Predigt folgen sie mit der größten
Aufmerksamkeit, besprechen sie hinterher untereinander und gehen auch wohl noch
zum Geistlichen, um sich nähere Aufklärung zu erbitten, oder ihm darüber ihre
Ansicht mitzutheilen. Bei besonders rührenden Stellen fängt Einer, gewöhnlich
von den Alten, zu stöhnen und zu seufzen an, um dadurch theils seine eigene
Andacht zu beweisen, theils Andere dazu aufzumuntern; alsbald stimmen die
Übrigen ein, ein bewegliches Stöhnen und Seufzen erfüllt das Haus und zwingt den
Prediger nicht selten inne zu halten. Sie werden nicht leicht etwas unternehmen,
ohne dafür auf der Kanzel zu bitten und nach glücklich beendigtem Geschäft dafür
danken zu lassen. Je kräftiger und länger solche Fürbitten und Danksagungen vom
Prediger gehalten werden, desto höher werden sie geschätzt, und die Geistlichen
haben davon, besonders in den wohlhabenden Gegenden, eine gute Nebeneinnahme.
Man läßt nicht nur für Menschen, sondern auch für das Vieh beten, um schön
Wetter, gute Ernte und Erhaltung von Besitz und Vermögen.“
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