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Die Sage von Bruteno und Widewuto
von Beate Szillis-Kappelhoff
Zur Zeit der Goten setzten sich die Brüder
Bruteno und Widewuto vom Volke der Cymberer in Skandinavien auf ihre Flöße,
überquerten die Ostsee und landeten im Aismares (Frisches Haff) bei dem Volk der
Ulmigerier, "wo sie ein Volk fanden ganz unerfahren. Hier schlugen sie ihre
Gezelte auf, bauten nach ihrer Weise Schlösser und Dörfer, und warfen sich
theils mit Güte, theils mit Gewalt, theils mit Hinterlist zu Herren des Landes
auf. Im selbigen fanden sie Honig, von dem sie ein Getränk bereiteten, während
sie von Anbeginn Molken getrunken. Die Ureinwohner von Ulmigeria wurden auch von
den Cymberern zu ihrer Lebensweise geführt, so daß mit der Zeit beide Theile dem
Trunk heftig ergeben waren und zugleich gewaltige Kriegsmänner wurden."
Bruteno wurde zum Kriwe Kriwaito, "das ist unser
Herr nach Gott", also zum obersten Priester, während Widewuto zwölf Söhne
zeugte. Als Widewuto 116 und Bruteno 132 Jahre alt wurden, versammelten sie
alles Volk. "Zum ersten nahm der Kriwe einen Bock und tödtete ihn vor der
heiligen Eiche um ihrer aller Sünde willen; das Fleisch brieten sie mit den
Blättern der Eiche, verzehrten es und tranken dazu Meth. Am anderen Morgen früh
setzten sich Widewuto und Bruteno vor der Eiche nieder und riefen zuvörderst
jenes ältesten Sohn herbei, welcher hieß Litthuo, und sprachen zu ihm: Gelobest
du unsern gnädigen Göttern Andacht und ihrem Kriwaito Gehorsam und daran zu
setzen Leib und Gut, so jemand sie verringern wollte in ihrer Ehre? Worauf
Litthuo sprach: ich gelobe es bei der Strafe meines Gottes Perkuno, der mich
tödten soll durch sein Feuer, so ich meinen Eid nicht halte."
Bruteno und Widewuto teilten sodann das Land auf:
Litthuo erhielt Litauen, das mit der Zeit ein mächtiges Land wurde. Der zweite
Sohn Samo erhielt die Halbinsel zwischen den Wassern, die bekam den Namen
Samland. Die Samländer waren "andächtiger" als die übrigen Brutener und wählten
einen besonderen Eichwald zu ihrer Andacht aus, in dem sie "einen Haufen
Schlangen zu Ehren ihrer Götter unterhielten" (Tatsächlich soll sich das
prußische Haupt-Heiligtum im Samland befunden haben, andere Heiligtümer sind in
Ortsnamen an der Silbe "Rom-" zu erkennen: Berg Rombinus, Rominter Heide).
Der dritte Sohn Sudo benannte das Land Sudauen,
das im Osten liegt. "Die Sudauer aber sind bis auf den heutigen Tag ein lustig
Volk geblieben, das seine größte Freude im Trinken hat." Dem vierten Sohn Nadrau
wurde das Land zwischen Pregel und Memel gegeben. Der fünfte Sohn Scalawo
erhielt das Land Schalauen nördlich und südlich des Memel-Deltas mit den Städten
Tilsit und Ragnit. "Die Bewohner aber sind von Anbeginn gewesen ein unlustiges
Volk und ungetreu und fanden ihre größte Seligkeit im Schlafen, so daß die
Trägheit im ganzen Land zum Sprichwort ward." Natango, der sechste Sohn, bekam
das Land südlich des Pregels, Barto das Gebiet in der Mitte um Bartenstein herum
und der achte Sohn Galindo erhielt Galindien, das heutige Masuren. Warmo erhielt
das Gebiet am Frischen Haff, das zunächst Warmien und später Ermland genannt
wurde. Der zehnte Sohn Hoggo benannte sein südlich davon liegendes Gebiet nach
seiner Tochter Pogesanien. Pomeso verschlug es an die Weichsel und der zwölfte
Sohn Chelmo erhielt den südlichsten Teil, das Kulmer Land, welches um die Stadt
Thorn gelegen ist.
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