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Die Lage der Bauern 
Der Orden hatte am Gegenbeispiel Palästina 
gelernt, daß einem gesunden Bauernstand außerordentliche Wichtigkeit beizumessen 
sei und richtete deshalb bald sein Augenmerk auf die bäuerliche Kolonisation. 
Die erste „grundherrliche“ Besiedlungsperiode entsprang ganz bewußt der Politik 
des Ordens, wobei die Kolonisation der westlichen Teile etwa im 14. Jh. ablief 
und sich in der „Wildnis“ bis zum 15. Jh. hinzog. Einem (zunächst) deutschen „Locator“, 
aber auch einem preußischen Freien, das waren Prußen, die sich an den Aufständen 
nicht beteiligt hatten, wurde ein sehr großes Areal zu Lehen gegeben, das sie 
jedoch allein wegen seiner Größe nicht selbst bewirtschaften und kultivieren 
konnten. Also hatten sie ein gesteigertes wirtschaftliches Inrteresse daran, 
Bauern zu finden, denen sie es als Unterlehen weitergeben konnten. Diese 
wiederum, aber auch der Oberlehnsherr, konnten das Land weiter zergliedern, bis 
es gut zu bewirtschaften war. Die Größe eines landwirtschaftlichen Gutes wurde 
in „Hufen“ gemessen, anderswo auch „Hube“, „Hof“ oder „Hake“ genannt, die etwa 
17 Hektar zu vier Morgen betrug (in Ostpreußen zählte ein Hektar dagegen nur 
zwei Morgen). Die Hauptabgabe war der Hufenzins. Ein Zinsdorf betrug etwa 50 bis 
60 Hufen. Wer nicht erfolgreich war, konnte aus dem Lehen entlassen werden. Der 
Locator war zugleich der Schulz und hatte damit nicht nur die Verwaltung und 
Eintreibung der Steuern, auch die Gerichtsbarkeit auszuüben. An 
Wegkreuzungen wurden gezielt „Krüge“ errichtet, das waren einfachste 
Gastwirtschaften (mit oft nicht mehr als sechs Trinkgefäßen) oder Herbergen, die 
ebenfalls mit Deutschen besetzt wurden, die die Aufgabe hatten, der deutschen 
Sprache und Kultur als Multiplikator zu dienen, da an diesen Treffpunkten auch 
die Einheimischen einkehrten. Deutsche Adlige lehnten es meist ab, Dörfer zu 
gründen, da sie keine freien Bauernschaften dulden wollten und umgekehrt zogen 
die Kolonisten es vor, sich unter die Oberhoheit des Landesherrn (Domänegüter) 
zu begeben. Ebenso erhielten meist nur Deutsche die Jagd- und 
Fischereigerechtigkeit als auch die Bewirtschaftung der Schmieden und der 
Mühlen, die gleichzeitig der Kontrolle der Erntemenge und damit der steuerlichen 
Festsetzungen dienten. Diese Wirtschaftsbetriebe konnten nach 1750 auch durch 
Einkaufsgeld in Erbpacht ausgetan werden. Ab 1850 ermöglichte man den 
Erbpächtern durch Kapitalabfindung oder Rentenzahlung das volle Eigentum zu 
erwerben, sie wurden so zu „Erbzinsern“. Im 14. Jh. geschah die Verleihung meist 
nach Magdeburger Recht, weil in Todesfällen das Gut zunächst nicht an die Erben 
fiel, sondern häufigere Verleihungsmöglichkeiten bot. Später war die Vererbung 
an männliche Nachkommen, nach 1487 auch an weibliche möglich. Sonst gab es keine 
Unterschiede zum preußischen Recht, das kein Erbrecht kannte. Wer von den Prußen 
nach günstigerem Recht eingestuft worden oder sonst erfolgreich aufgestiegen und 
möglicherweise Schulze geworden war, versuchte recht bald, seinen Namen zu 
ändern. Oft wurde der Name einfach ins Deutsche übersetzt oder lautsprachlich 
angepaßt, so daß es äußerst schwierig war, die ethnische Zuordnung unserer 
Vorfahren vorzunehmen. Hinter jedem deutschen Namen kann sich auch ein Pruße 
verbergen (Neumann oder Werner). 
  
Die Prußen waren durch Aufstände, Kriegsfahrten 
und Seuchen derart dezimiert, daß in ganz Ostpreußen ein Arbeitskräftemangel 
herrschte. So wurden neben dem Gesinde, das sich aus Kindern deutscher und 
prußischer Bauern zusammensetzte, auch Gärtner und freie Landarbeiter 
eingestellt (gegen Lohn). Gärtner waren meist nach kulmischem Recht („Kölmer“) 
beliehen, jedoch nur mit einer kleinen landwirtschaftlichen Stelle, die eine 
Familie oft nicht ernähren konnte. Die Gärtner wurden in manchen Gegenden auch 
als „Eigenkätner“ bezeichnet. Die Kölmer waren zum Reiterdienst bei der 
Landesverteidigung verpflichtet und hatten deswegen große Freiheiten: so 
leisteten sie nur geringe Abgaben an Wachs, Geld und Pfluggetreide, konnten an 
Söhne und Töchter vererben und sogar mit Vorwissen des Ordens Land verkaufen. 
Weiter waren sie von allem Scharwerk befreit und bekamen Privilegien der 
Brauerei, der Fischerei sowie der mittleren und minderen Jagd. Die Zahl der 
prußischen Landarbeiter war jedoch so gering, daß etwa um 1500 auch deutsche 
Bauern zum Scharwerksdienst herangezogen wurden und somit in die Hörigkeit 
gerieten. Daneben blieben die Zinszahlungen: für Deutsche in Geld, für Prußen in 
Naturalien. Hochzinser waren solche Bauern, die sich durch zusätzliche 
Geldleistungen vom Scharwerk befreien konnten und nur mit einigen Bediensten und 
Fuhren belastet wurden. 
Solange der Orden die Zügel in der Hand behielt, 
waren die Hintersassen vor gar zu großer Ausnutzung und Überlastung mit Diensten 
sicher. Es ging ihnen besser als den unter polnischer Herrschaft stehenden 
Litauern und den nach Litauen geflohenen Prußen. „Scharen mißhandelter 
Leibeigener fliehen aus Litauen hinüber in das mildere Recht des Ordens.“ Nach 
der Schlacht von Tannenberg (1410), in der der Orden durch Polen-Litauen besiegt 
wurde, änderte er zwangsläufig seine bauernfreundliche Politik, weil er fast 
pleite war und seine Söldner mit Land statt mit Geld bezahlen mußte. Eine Unzahl 
von Söldnern und deutschen Adligen erhielten Großgrundbesitz und damit die 
Herrschaft über die Bauernschaften. Der Zuzug deutscher Siedler ließ nach, denn 
die Mißwirtschaft und Willkürherrschaft dieser Leute sprach sich schnell herum. 
Viele Bauern zog es in die Städte, denn „Stadtluft macht frei!“ Dies war 
folgenreich, denn es bedeutete vermehrte Scharwerksdienste der verbliebenen 
bäuerlichen Hintersassen, die Gutsherren konnten wegen des geschwächten Ordens 
eigene Arbeitsverfassungen einführen und der Adel nutzte die Lage aus, indem er 
deutsche Bauern gutsuntertan machte, zunächst nur dinglich, später 
erbuntertänig. Die Entweichungen der Bauern in Städte oder Nachbargüter mit 
weniger Scharwerksdiensten häuften sich so sehr, daß jetzt die Gutsherren von 
abwandernden Kolonisten die Stellung eines Sohnes oder sonstigen Ersatzmannes 
forderten. Die Dienste der prußischen Hintersassen und ihrer Kinder als Gesinde 
standen selbstverständlich dem Gutsherrn zu, während die Kinder deutscher Bauern 
die volle Verdingungsfreiheit hatten und frei entscheiden konnten, zu wem sie in 
Stellung gingen. Das Gesinde war sich seiner Unentbehrlichkeit durchaus bewußt 
und hat auch später seine Stellung dem Adel gegenüber stets zu wahren gewußt. 
Im Jahre 1525 zettelten prußische Freie einen 
Bauernaufstand an, der schnell auf deutsche Bauern überschwappte (Statistiken 
des 16. Jh. weisen aus, daß die Bevölkerung noch zu 80% aus Prußen bestand). 
Unter dem Orden war der Adelsstand der prußischen Ritter und Knappen wenigstens 
anerkannt worden, jetzt waren auch sie hörige Bauern geworden und konnten dies 
mit ihrem Selbstverständnis durchaus nicht in Einklang bringen. Der Aufstand 
wurde nierdergeschlagen und hatte weitere Verschlechterungen zur Folge: es gab 
kein Vererben des Hofes mehr, der Gutsherr konnte bei schlechter Wirtschaft 
beliebig neue Bauern einsetzen, neue Scharwerksdienste wurden eingeführt, auch 
Frauen wurden jetzt schollenpflichtig und es gab Gesindezwangsdienste. Im Jahre 
1640 war der Unterschied zwischen deutschen und prußischen Bauern verwischt, und 
es wirkte sich jetzt besonders schlimm aus, daß der Gutsherr gleichzeitig 
Arbeitgeber (=Lohngeber), Lehnsherr (=Abgabeneinnehmer) und Richter war. 
Gärtnern erging es ebenso schlecht wie den Bauern; selbst „Kaufgärtner“, die ihr 
Land gekauft hatten, durften es nicht mehr vererben. Lohngärtner hatten dagegen 
mehr Freizügigkeit und handelten meist Verträge über drei Jahre aus. Sie bekamen 
Geld und konnten nicht einfach zu Scharwerksdiensten herangezogen werden wie 
Gärtner und Bauern. Daneben gab es noch die „Inste“ oder „Einwohner/ Einlieger“, 
die ebenfalls Freizügigkeit hatten, deren Arbeitsverhältnis mehr auf 
Saisonarbeits- und Tagelohnbasis bestand. Die eigene landwirtschaftliche Arbeit 
mußte bis zum Feierarbeit warten, denn die Scharwerksdienste für den Gutsherrn 
hatten immer Vorrang, selbst wenn die eigene Ernte zu verderben drohte. Diese 
Dienste waren so zahlreich, daß sie aufgeführt lohnen: 
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Pflügen und Eggen  
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Ausmisten, Mistfahren, Miststreuen  
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alle Erntearbeiten  
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Waschen und Scheren der Schafe  
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Schafhortenfuhren  
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Brot- und Malzgetreidefuhren zur Mühle  
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Zwei Getreidefuhren nach Königsberg zu üblicher 
  Bezahlung  
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Jährlich ½ Fischfuhre  
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Wollfuhren  
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Fahren von Bier und Branntwein aus der 
  Brennerei in die Krüge  
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Deputatholzfuhren gegen übliche Bezahlung  
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Deputatholzfuhren für Kirchen- und 
  Schulbediente  
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Salzfuhren, wenn angefordert  
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Vorspann-, Kriegs- und Marschfuhren  
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Fouragelieferungen gegen Vergütung des 
  gelieferten Getreides zu üblichen Preisen  
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Burgdienste bei Amts- und Vorwerksgebäuden  
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Alle Mühlendienste  
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Alle Forst- und Jagddienste  
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Dienste zur Verbesserung der Ströme und Dämme  
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Hand- und Spanndienste bei Kirchen- und 
  Schulbauten  
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Reparatur der Vorwerkszäune  
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Reparaturen an Vorwerksinsthäusern  
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Holen und Wegbringen der Justizbeamten  
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Fortbringen der herrschaftlichen Briefe  
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Botengänge nach Willkür der Herrschaft  
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Beiträge für Festungsbauten, sowohl an Menschen 
  als auch an Geld  
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Leistung aller Dorfverbindlichkeiten  
  - 
  
Besserung der Wege und Brücken  
  - 
  
Weidenpflanzungen in Dörfern und an Straßen  
 
Wohlgemerkt: die Dienste waren, nur wenn 
gesondert vermerkt, ohne jede Bezahlung zu leisten. Das hatte zur Folge, daß der 
Verantwortungswille gelähmt wurde. Die Bauern kümmerten sich weder um den 
Verfall ihrer Häuser noch den des Inventars. Sollte es doch die Herrschaft im 
eigenen Interesse wieder aufbauen! Selbst das Vieh wurde schlecht versorgt und 
behandelt, gehörte es doch dem Gutsherrn. Auch die Einführung neuer 
landwirtschaftlicher Techniken wurde abgelehnt, zumindest aber mißtrauisch in 
Angriff genommen, da die ständige Bevormundung die Bauern gelehrt hatte, in 
jeder Neuerung nur Böses zu vermuten. Im 18. Jh. werden sie als „träge, dumm, 
gedankenlos, grob, trunksüchtig, mißtrauisch, boshaft, rückständig, trotzig, 
diebisch und heimtückisch“ bezeichnet. Deshalb gingen die Gutsherren nun davon 
aus, daß der Bauer am besten in Druck und Elend seine Pflicht erfülle. 
Mißhandlungen nahmen zu: für geringfügige Vergehen gab es bis zu dreißig 
Peitschenhiebe mit der mehrschwänzigen Karbatsche, für schwere Vergehen sechs 
bis zehn Rutenschläge. Die Ruten wurden zuvor in Salzwasser getaucht, damit sie 
auf den entblößten Körperteilen nachhaltige Schmerzen verursachten. Dabei 
sollten es pro Rute nicht mehr als drei Schläge sein, oft wurde aber solange 
gepeitscht, bis die Rute zerbarst. Zwar konnte ein Leibeigener dagegen klagen, 
doch der Richter war sein eigener Gutsherr, der sein Gaudium daran hatte, wenn 
die Klage in unbeholfener deutscher Sprache vorgebracht wurde. So trat das ein, 
was die Nachbarn spottend prophezeit hatten: „Er geht sich Ruten holen!“ „Die 
große Masse der Landbevölkerung, und das waren in Ostpreußen die Prussen, 
gehörte zu den leibeigenen Bauern, Kossäten, Gärtnern, Hofgängern, 
Landarbeitern, zum Gesinde, oder wie man sie sonst betitelte. Leibeigene mußten 
Abgaben und Frondienste leisten, durften ihren Aufenthaltsort nicht wechseln, 
konnten verkauft und mißhandelt werden, waren der Willkür ihrer Herren 
ausgeliefert. Während untertänige Bauern nur zusammen mit ihren Grundstücken 
veräußert werden durften, konnten die Leibeigenen wie ein Stück Vieh beliebig 
verkauft werden.“ Auch Kinder wurden von ihren Eltern getrennt und als Gesinde 
verkauft. Von den Einheimischen wird berichtet, daß sie sich dahin gehend 
geäußert haben, sie wollten nicht in den Himmel kommen, wenn da auch nur ein 
einziger Deutscher wäre. Ein Steuerinspektor im Amt Heydekrug notiert im Jahr 
1736: „Dieses aber muß hiebey benennen, daß viele unter schlechte Wirths 
gesetzet seyen; Ich glaube aber, wenn der Zinß leydlich, und sie nur Brodt dabey 
hätten, sie auch mehr Lust und Begierde zu wirtschafften haben solten, den bey 
diesem unerleydlichen Zinß, bald laufft einer weg, der andere komt wieder auffs 
Erbe, und das veruhrsacht der schwere Zinß, daß sie bald verarmen, und davon 
gehen müßen.“ 
  
König Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) 
entdeckte, daß der ostpreußische Adel infolge der Finanzpolitik des Ordens zwar 
nie von der Besteuerung ausgenommen worden war, daß er sich aber nach Niedergang 
des Ordens mehr oder weniger selbst aus der Pflicht entlassen hatte. Die 
Domänenverwaltungen hatten diese Mißstände zusätzlich verschleiert oder 
Verbesserungen für die Bauern mit der Begründung hintertrieben, das 
ostpreußische Klima sei ungünstig. Auch wenn der Adel beschwichtigt werden mußte, 
kümmerte sich der König doch ernsthaft um die Verbesserung des Loses der Bauern, 
jedoch gelang ihm dies fast ausschließlich auf seinen Domänegütern. Er 
verringerte die Belastungen, verbot Züchtigungen und setzte die Pflichtdienste 
auf nur (!) drei bis vier Tage pro Woche fest. Der Adel folgte, wenn überhaupt, 
nur sehr schleppend. Schließlich machte sich der Soldatenkönig die Salzburger 
auf ewig dankbar, denen er als Glaubenflüchtlingen (1732) zu einer neuen 
gesicherten Existenz verhalf. Man mag über diesen absoluten Herrscher denken, 
was man will, jedoch muß man ihm zugute halten, daß einer der Gründe, weshalb 
seine Herrschaft nie in Tyrannei abglitt, in der tiefen Überzeugung wurzelte, 
daß er eines Tages seinem Schöpfer für all sein Tun würde Rechenschaft ablegen 
müssen. Die Salzburger wurden vorwiegend in Nadrauen im Gebiet der Quellflüsse 
des Pregels angesiedelt. Am 13.07.1732 verfügte der König: „Die schlechten Wirte 
in Litauen müßt ihr von den Höfen setzen und an deren Stelle Salzburger 
etablieren. Es sollten die Abgesetzten aber zu Gärtner und Hausleuten in den 
Dörfern emploiert oder auch denen vom Adel, so welche verlangen, überlassen, 
danebst wohl verhütet werden, daß sie nicht weg- oder außer Landes laufen.“ Also 
für die Einheimischen ein schlechtes Geschäft. Am selben Tag verfügte der König 
für die Salzburger, indem er die alte Kleiderordnung bestätigte: „Ansonsten 
sollt ihr wohl verhüten, daß diese Leute sich nicht auf litauisch kleiden noch 
in Pareisgen gehen oder dergleichen schädliche Tracht annehmen, sondern es 
müssen selbige sich auf gute deutsche Art kleiden und dabei erhalten bleiben.“ 
Die Salzburger erhielten weitere Privilegien, aber man muß ihnen zugute halten, 
daß sie selbst sich nicht von ihrer Umwelt abkapselten, möglicherweise aus 
Religionsgründen oder weil sie aus ihren schlechten Erfahrungen in der Heimat 
gelernt hatten. Sie hatten keine Rassenvorurteile und ließen ihre Kinder 
Einheimische heiraten. Friedrich II. (der Große) prägte sich deshalb positiv in 
die Erinnerung der Landleute ein, weil er nicht nur die Sümpfe kultivieren und 
Kanäle bauen ließ und so etliche Arbeitsplätze und neues Land schuf, sondern 
weil er auch die Verpflichtung zum Gesindedienst untersagte und die Erbfolge 
wieder einsetzte.   
  
Zudem führte er die allgemeine Schulpflicht ein. In seinem 
Testament hob er hervor, daß er die Fronleistungen herabzusetzen versuchte, weil 
die Bauern einen großen Anteil der Steuern einbrachten und auch die meisten 
Rekruten lieferten. Aber: „Der Adel blieb nach wie vor von den meisten Lasten 
befreit, und einseitig wurden die Bauern belastet. Denn neben den Frondiensten 
waren es Kontribution und Vorspann, Spinngeld und Fleischzehnt, Schafzins und 
Metzkorngeld sowie andere Leistungen, die den Untertanen vom Staat und dem 
Gutsherren auferlegt wurden, so daß einer großen Zahl nur ein Minimum des 
Ertrages für die Erhaltung der Familie und die Reproduktion der Wirtschaft 
verblieb.“ Unter seinem Neffen Friedrich Wilhelm II. (der dicke Wilhelm) wurde 
1794 die Leibeigenschaft aufgehoben, obwohl es im Allgemeinen Landrecht immer 
noch hieß: „Faules, unordentliches und widerspenstiges Gesinde kann die 
Herrschaft durch mäßige Züchtigung zu seiner Pflicht anhalten; auch dieses Recht 
den Pächtern und Wirtschaftsbeamten übertragen.“ 
Die Gutsherren gingen nun daran, die Bauern durch 
kostengünstigere Lohngärtner zu ersetzen, jedoch wurden nach 1807, nach den 
napoleonischen Kriegen, die Verwüstungen so stark, daß den Bauern bessere 
Bedingungen geboten wurden. In einem Edikt von 1810 wurde die Befreiung der 
Domänebauern veranlaßt, die der Privatbauern folgte später, jegliche 
Gutsuntertänigkeit und Leibeigenschaft wurde für beendet erklärt. „Was die 
Bauern betrifft, so ist ein neuer Geist in sie gefahren: ihre Lust und Tätigkeit 
übertreffen allen Glauben; sie fahren Tausende von Steinfuhren vom Acker, um 
einen viertel magdeburgischen Morgen Land zu gewinnen; sie roden Stechpfriemen, 
Heidekraut und Stubben aus, wo sie Jahrhunderte standen.“ Trotzdem mußten sie 
weiter die Befehle ihrer Herrschaft und deren Verweise mit Ehrerbietung und 
Bescheidenheit annehmen. Die Dienste und Abgaben der Bauern und Kossäten wurden 
aber durch diese Milderungen nicht berührt, so daß es zu Aufständen kam, weil 
sich viele Bauern mehr davon erwartet hatten und zur Selbsthilfe griffen. 
Freiherr vom Stein hatte vorher erfolglos auf diese mißlichen Unterschiede 
aufmerksam gemacht. Nach diesen Aufständen sah sich Staatskanzler Hardenberg in 
einem neuen Edikt veranlaßt, den Adel wieder zu stärken. Die Erbbauern mußten 
ein Drittel, die Bauern mit begrenztem Recht die Hälfte an den Gutsherrn abgeben 
oder sich loskaufen, wenn sie auf ihrem Land Eigentümer bleiben wollten. Die 
meisten Prußen hatten keinen Landbesitz, für sie änderte sich kaum etwas, 
insgesamt war die Lage der Insten aber nicht ungünstig, denn sie erhielten 
wenigstens niedrigen Lohn. Jedoch schwand das Zusammengehörigkeitsgefühl, die 
Schichten divergierten und eine Schicht der Landarbeiter (Losmänner) entwickelte 
sich. Die körperliche Züchtigung blieb faktisch bis 1918 erhalten. Im Winter 
1846/47 schreibt der altprußische Adlige Ernst von Saucken-Tarputschen an die 
Staatskanzlei in Berlin: „Die Not ist nur in den Dörfern, vorzugsweise in den 
königlichen, und dennoch hat die Verwaltung noch gar nichts getan und scheint 
auch nichts tun zu wollen. Die Hände in den Schoß, in Lust und Behaglichkeit 
gelegt, läßt man Menschen – Mitchristen – Untertanen des gepriesenen preußischen 
Staates des jammervollen Hungertodes sterben. Kirchen werden gebaut, neue 
Prediger werden angestellt, aber Christi Gebot: `Du sollst deinen Nächsten 
lieben als dich selbst!´ nicht befolgt.“ Auf Drängen von Sauckens wurde ein 
Notstandsausschuß gebildet, der die Ursachen für die gerade in Ostpreußen so 
häufigen Notstände untersuchen sollte. Allerdings hatten ab Mitte des 18. Jh. 
die Bauern und die Prußen das Recht, in den Städten heimisch zu werden, zunächst 
nur als Gesinde und als neues Proletariat. Handwerker zu werden kostete Lehrgeld 
und war aus diesem Grunde nur selten möglich. Wer gar Meister werden wollte, 
mußte ein gewisses Vermögen nachweisen. Aus dieser neuen Freiheit erwuchs eine 
schier unbändige Wanderlust der jungen Leute, ihre Eltern konnten sie nicht mehr 
halten. Ebenso setzte die Abwanderung als Industriearbeiter ein. Tausende 
suchten Arbeitsmöglichkeiten in den westdeutschen Industriegebieten oder in 
Übersee, während die Mädchen sich als Dienstmägde in die großen Städte 
verdingten. In Berlin waren die ostpreußischen „Marjellen“ als fügsame 
Arbeitskräfte begehrt. Auch wenn es seit 1909 Landarbeitergewerkschaften gab, 
änderte sich für die Landbevölkerung bis in die Weimarer Republik wenig: „Hier 
waren die Ärmsten der Armen zu Hause, deren Arbeitszeit von Sonnenauf- bis 
Sonnenuntergang ging und trotzdem nur das besaßen, was sie auf dem Leibe trugen. 
Viele Knechte schliefen in Bretterverschlägen neben dem Pferdestall und waren 
froh, daß sie es dort in der Nähe der Tiere noch einigermaßen warm hatten, 
während manche Mägde in oft ungeheizten Dachkammern fast erfroren. Die 
Kleinbauern fühlten sich zwar noch als etwas Besseres, da sie eigenes Land und 
einen Hof besaßen, doch ihre Arbeitszeit ging auch von Sonnenauf- bis 
Sonnenuntergang, oft genug wurde keine Sonntagsruhe eingehalten. Allen gemeinsam 
war jedoch eine auffallend große Lethargie- eine Ergebenheit in ihr Schicksal.“ 
  
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