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Landwirtschaft im Sumpf?
von Beate Szillis-Kappelhoff
Die Bodenbeschaffung des Ackers bereitete einer
intensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftung große Probleme, solange das Land
sumpfig war. Das änderte sich erst durch die kluge Ansiedlungspolitik der
preußischen Könige. Friesen und Holländer, die Erfahrung mit der Trockenlegung von Mooren hatten, wurden ins Land
geholt und machten das Land urbar. Mit "Patenten" wurde um Landwirte geworben,
und es folgten sehr oft tüchtige jüngere Söhne, die zu Hause nichts zu erben
hatten und in Ostpreußen ihr Glück machten. Im nördlichen Teil des Gebietes
waren es die Salzburger, welche das technisch neue "deutsche" Ackergerät
gebrauchten und die Einheimischen zur Nachahmung animierten.
Und welches Gerät verwendeten die Prußen? Sie
hatten ausschließlich Holz zur Verfügung sowie die einfachsten Werkzeuge wie
Axt, Säge, Messer und Bohrer. Aber damit pflegten sie virtuosen Umgang, denn
weder an ihren Wagen und Schlitten noch an ihren Schiffen fand man das kleinste
Stückchen Eisen, obwohl Metallgewinnung durchaus bekannt war und angewandt
wurde. So suchte man sich etwa für den Bau einer Egge eine gleichmäßig
gewachsene Fichte heraus. Vorsichtig wurde der Stamm der Länge nach halbiert,
die Äste wurden so zurecht geschnitten, dass alle gleichen Bodenkontakt hatten,
wurden geschält und unten angespitzt. Nun musste noch Pfluggeschirr angebracht
und das Pferd davor gespannt werden. Ihr Geschick war sprichwörtlich, denn man
sagte von ihnen, dass sie in den Wald hinein ritten und zu fahren wieder heraus
kämen.
Auch der Haus- oder Budenbau erforderte
Erfindungsreichtum, denn Steine waren völlig ungeeignet und verschwanden auf
Nimmerwiedersehen im Boden. Stattdessen fällte man Kiefern und Tannen und nutzte
deren Flachwurzeln aus, indem die Spitzen nach unten in den sumpfigen Untergrund
gesteckt wurden und das Wurzelwerk oben eine großen Fläche bildete. Darauf
wurden eine Erdschicht festgetrampelt und Holzwände gesetzt. Das Haus hatte
neben der Tür nur ein Fenster und nur eine große Diele. Der Rauch zog durch das
Dach ab.
Als die Kartoffel eingeführt wurde, versanken die
Knollen einfach in der Erde. Chancen zur Ernte hatte man erst, nachdem halbmeter
hohe Beete errichtet wurden, deren Erde man kräftig mit Sand vermischte. Die
Kuren allerdings bauten erfolgreich Kohl (Kumst) und Zwiebeln (Zippeln) an und vermarkteten sie direkt von ihren Schiffen aus im
Königsberger Hafen. Die Königsberger nannten sie deshalb "Zippel-Kuren".
Das Gebiet im Memel-Delta war oft durch
Hochwasser gefährdet. Besonders gefürchtet war die Zeit des "Schacktarp", der
dann auftrat, wenn im Memeler Tief während des Hochwassers Frost eintrat. Das
Neueis war noch zu schwach einen Menschen zu tragen, aber zu stark um einen Kahn
passieren zu lassen. Die Bewohner waren dann gänzlich von der Außenwelt
abgeschnitten, das Vieh musste im Stall aufgebrückt werden, um es vor dem
Ertrinken und Erfrieren zu schützen. Starb jemand während dieser Zeit, so musste
die Leiche im Haus behalten werden, bis der Weg zum Friedhof frei wurde.
Besonders segensreich wirkte das Schaffen der
beiden Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Kritiker werfen
ihnen die Verfolgung eigennütziger politischer Ziele vor. Die Ostpreußen dagegen
sind ihnen für ihre Fürsorge und Weitsicht bis heute tief dankbar.
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