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Die Sprache der Prußen
von Beate Szillis-Kappelhoff
Die Sprache der Prußen "stand dem Litthauischen
sehr nahe, fast als Dialekt zur Seite; in seinem grammatischen Bau überragte es
dieselbe fast an Alterthümlichkeit" und wurde im nördlichen Ostpreußen in einer
Vermischung mit der litauischen und der plattdeutschen Sprache noch bis in die
Neuzeit gesprochen. Im südlichen Ostpreußen dagegen starb diese Sprache um 1700
aus.
"Die Sprache hat neun Deklinationen. Es nützt
also nichts, nur Vokabeln zu lernen. Die Endungen modifizieren jedes Wort nach
der Stellung im Satz". Allerdings bewahrten prußische Substantiva ihre neutrale
Form, im Gegensatz zu den anderen baltischen Sprachen.
Die prußische Sprache war in bestimmten Bereichen
sehr viel differenzierter als die deutsche. So gibt es für Onkel und Tante
Begriffe, die das Verwandtschaftsverhältnis genau ausdrücken:
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awis, tewis-Onkel, allgemein u.als Anrede für
einen alten Mann
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moazo-Tante, allgemein u. als Anrede für eine
alte Frau
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awynas-Onkel, Mutters Bruder
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awynene-Tante, Mutterbruders Frau
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tetta-Tante, Mutters Schwester
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tettenas-Onkel, Mutterschwesters Mann
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dedis-Onkel, Vaters Bruder
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dedene-Tante, Vaterbruders Frau
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dede-Tante, Vaters Schwester
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dedens-Onkel, Vaterschwesters Mann
Auch landwirtschaftliche Gegebenheiten wurden
sehr präzise unterschieden:
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laukas-Acker und Wiesen zusammen
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dirwa-Saatland
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palwa-Weideland
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piewa-Wiese
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dumblyne-schlammiges Land
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pudims-Brachacker
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pelka-Unland
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kretinys-Mistacker
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drysze-Grasland
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klonis-kleine Wiese im Acker
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plike-kahle Wiese
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zirgis-Hengst
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kobele-Stute
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arwaykis-Hengstfohlen
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rapeno-Stutfohlen
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sweykis-Pflugpferd
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sweriapis-Kampfhengst
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russas-Ross (deutsches Lehnwort)
"Obgleich sie kein eigentliches Ja haben, sondern
dafür die Frage theilweise wiederholen, so sind ihre Antworten doch kurz und
bündig... Sie sind auch glücklich in der Zusammensetzung und Zusammenziehung von
Wörtern... An höflichen Wendungen und Redensarten fehlt es ihnen nicht ... Jusu
Sweikata noret man padeti, Eure Gesundheit wolle mir helfen. Sie machen auch
einen Unterschied zwischen geistlichen und weltlichen Personen; jene nennen sie
Kunnigs, diese Ponas... Auch untereinander sind sie sehr ceremoniös und voller
Komplimente; sie besitzen einen außerordentlichen Reichtum an Grüßen,
Glückwünschen und Beileidsbezeugungen aller Art.
Weil sie aber auch witzig und sehr beißend sein
können, sind sie nicht minder reich an Spott-, Schelt-, Schimpf- und
Lästerworten. Scharfe Beobachtungsgabe läßt sie leicht und schnell die Schwächen
von Nachbarn, Fremden und Vorgesetzten aufspüren, und vermöge einer lebhaften
Phantasie, der Bildungsfähigkeit ihrer Sprache, der Leichtigkeit mit welcher sie
diese handhaben, sind sie dann sehr erfinderisch und fast unerschöpflich an
ironischen und satirischen Benennungen und Vergleichungen."
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