Foto: Bis heute
ein geteiltes Land: Hier die von den UN überwachte, unbewohnte Pufferzone
in
der Ledra-Straße, mit Grenzübergang zwischen dem EU-Mitglied Republik Zypern
und der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern.
Richtungweisendes Urteil
Europäischer Gerichtshof erkennt Eigentumsrechte vertriebener Zyprioten an
von Sophia E. Gerber
Ein britisches Rentnerpaar muß Schadenersatz an
einen griechischen Zyprioten zahlen. Sie hatten im türkischen Norden der seit
1974 geteilten Insel das enteignete Grundstück des Klägers trotz ungeklärter
Eigentumsverhältnisse erworben.
Seit dem Einmarsch türkischer Truppen im Juli
1974 ist die Insel de facto zweigeteilt. Der türkisch verwaltete Norden und der
griechisch regierte Süden der Insel stehen einander unversöhnlich gegenüber.
Zwischen den beiden Streithähnen liegt eine von UN-Friedenstruppen kontrollierte
Pufferzone.
Die Teilung damals hatte drastische Auswirkungen
auf die Bevölkerungssituation, die Reise- und Niederlassungsfreiheit sowie die
Besitzrechte der Zyprioten. Fast ein Drittel der griechisch-zyprischen und die
Hälfte der deutlich kleineren türkisch-zyprischen Volksgruppe wurden vertrieben
und verloren ihr Zuhause und ihr Eigentum.
Der Wirtschaftsaufbau im Norden beruhte
hauptsächlich auf den Besitztümern, die die in den Süden geflohenen
griechischstämmigen Zyprioten zurückgelassen hatten. Seit Mitte der 1970er Jahre
machte man damit beträchtliche Gewinne. Nicht nur Einheimische, sondern auch
Ausländer nutzten Grund und Boden bald für private und öffentliche Zwecke. Vor
allem Siedler vom türkischen Festland, die nach Nordzypern gekommen waren,
übernahmen trotz gegenteiliger Bestimmungen der Genfer Konventionen konfiszierte
Grundstücke griechischer Zyprioten. Viele von ihnen kehrten wieder in die Türkei
zurück und verkauften das ihnen zugewiesene Land an Immobilienhändler, die es
erschlossen und an Westeuropäer weiterverkauften. Ferienhäuser und -wohnungen
auf der Insel waren insbesondere bei den Briten als ehemaligen Kolonialherren
schon immer wegen des mediterranen Klimas, der Naturvielfalt, der touristischen
Infrastruktur und der geringen Kriminalitätsrate begehrt. Zudem locken die im
Gegensatz zu Spanien, Italien oder Frankreich erschwinglichen Kaufpreise und die
niedrige Besteuerung.
Doch während im griechischen Inselteil der
Grundstückserwerb weitgehend geregelt ist, bergen Investitionen im türkischen
Teil hohe Risiken und sind nach internationalem Recht illegal. Britische
Zeitungen wie der Londoner „Observer“ warnten seit langem davor, die Geschäfte
im Norden könnten zum „juristischen und finanziellen Albtraum“ werden.
Auffällige Schilder auf den Flughäfen und an den innerstaatlichen
Grenzübergängen machten zusätzlich auf die Eigentumsproblematik aufmerksam.
Dennoch geht die zyprische Regierung in Nikosia davon aus, daß rund 10000
Ausländer, darunter auch Deutsche, Immobilien griechischer Zyprer erworben
haben. Seit dem EU-Beitritt der Republik Zypern im Jahr 2004 haben Kläger
erstmals die Möglichkeit, vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg
zu ziehen. Dieser hat nun der Schadenersatzklage eines griechischen Zyprioten
stattgegeben. Vor mehreren Jahren hatte ein britisches Rentnerpaar dessen
Grundstück im Norden gekauft, um darauf ein Ferienhaus zu bauen. Der
ursprüngliche Eigentümer erwirkte vor dem Bezirksgericht in Nikosia den Anspruch
auf Abriß der Villa und Entschädigung. Nachdem der türkische Norden die
Rechtssprechung der Republik Zypern zunächst ignoriert hatte und der Streitfall
vor einem Londoner Gericht gelandet war, bestätigte der EuGH jetzt die
Rechtsgültigkeit des Urteils.
Der EU-Botschafter Zyperns, Andreas Mavorgiannis,
begrüßte die Entscheidung: „Sie bestätigt und rechtfertigt unsere alte Position,
daß grundlegende Bürgerrechte wie das Eigentumsrecht durch die Teilung unseres
Landes nicht berührt werden.“ Das EuGH-Urteil könnte eine Klagewelle
griechischstämmiger Zyprioten ins Rollen bringen, die die Rückgabe ihres
Grundbesitzes fordern. Die Eigentumsfrage belastet schließlich eine mögliche
Wiedervereinigung der beiden Inselhälften. Denn viele türkische Zyprioten im
Norden, die heute in ehemals griechischen Häusern leben, fürchten, in ihrem
Landesteil wieder zur Minderheit zu werden. Sie sind gegen eine Rückgabe und
wollen nur entschädigen.
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