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Wat de Buer nich kennt, dat fret he nich „Ich will, dass jeder Bauer sonntags ein Huhn im Topf hat“, soll der französische König Henri IV. (1553–1610) gesagt haben. Ob es gelang, bleibt zweifelhaft. Friedrich war bescheidener und hatte mehr Erfolg. Er legte seinen Untertanen auf den Teller, was bald bei keiner Mittagsmahlzeit in Preußen und später in vielen Ländern Europas fehlen durfte: die Kartoffel. Hungersnöte waren in Preußen einschließlich Schlesiens eine schlimme Plage. Dürre und Unwetter vernichteten die Getreideernten, Kriege verwüsteten die Felder der Landwirte. Tausende Menschen starben an Unterernährung, als ob die Schlachten nicht schon genug Opfer gefordert hätten. Bald nach Friedrichs Thronbesteigung suchte eine schreckliche Hungersnot Pommern heim. Der in Kolberg geborene Seefahrer und Bierbrauer Joachim Nettelbeck berichtet in seiner Autobiografie über die katastrophale Versorgungslage in seiner Stadt: „Ich mochte wohl ein Bürschchen von fünf oder sechs Jahren sein und noch in meinem ersten Höschen stecken, als es hier bei uns im Lande und weit umher eine so schrecklich knappe und teure Zeit gab, dass viele Menschen vor Hunger starben … Es kamen von landeinwärts her viele arme Leute nach Colberg, die ihre kleinen hungrigen Würmer auf Schiebkarren mit sich brachten …, weil man Getreideschiffe in unserem Hafen erwartete … Alle Straßen bei uns lagen voll von diesen unglücklichen ausgehungerten Menschen.“ Schon Friedrich Wilhelm I. hatte in seinem Lustgarten Kartoffeln angepflanzt, vermutlich wegen der exotischen Blüten, die als sehr kostbar galten. Sein Sohn Friedrich hörte von dem hohen Nährwert der Kartoffel und der Robustheit der Pflanze. Die von den Inkas kultivierten Stauden gediehen auch auf schlechten, sandigen Böden, und davon gab es in seinen Provinzen genug. Zudem konnten sie die Frauen allein pflanzen und ernten und waren nicht auf die Arbeitskraft ihrer Männer angewiesen – ein Vorteil für den König, denn er brauchte immer Soldaten für seine Kriege. Es erwies sich allerdings als schwierig, die Bevölkerung von dem Nutzen der „Tartoffel“ zu überzeugen. Friedrich startete das, was man heute einen Werbefeldzug nennt. Joachim Nettelbeck berichtet, wie im Jahr 1744 zur großen Verwunderung der Kolberger ein Frachtwagen voller braun-schrumpeliger Früchte auf dem Marktplatz ankam. „Durch Trommelschlag in der Stadt und in den Vorstädten erging die Bekanntmachung, dass jeder Gartenbesitzer sich zu einer bestimmten Stunde vor dem Rathaus einzufinden habe, indem des Königs Majestät ihnen eine besondere Wohltat zugedacht habe … Die Herren vom Rahte zeigten nunmehr der versammelten Menge die neue Frucht vor, die hier noch nie ein menschliches Auge erblickt hatte. Daneben ward eine umständliche Anweisung verlesen, wie diese Kartoffeln gepflanzt und bewirtschaftet desgleichen wie sie gekocht und zubereitet werden sollten.“ Nettelbeck kritisiert in seinem Buch – ein Bestseller der damaligen Zeit –, dass den Bürgern Anbau und Zubereitung der Kartoffel völlig unzureichend erklärt worden seien, und er behielt Recht. Die königliche Kampagne verlief im Sande. Die Menschen leckten an den Kartoffeln, bissen hinein und befanden sie für ungenießbar. Friedrich sah sich gezwungen, ein Gesetz zum Anbau der Kartoffel zu erlassen. Die Bauern sollten zehn Prozent ihrer Ackerfläche mit Kartoffeln bepflanzen. Der Erlass wurde kaum befolgt. Zum schlechten Ruf der Kartoffel, ungenießbar zu sein, kamen noch Meldungen, dass sich Bauern an ihr vergiftet hätten. Statt der Knollen hatten die Unwissenden die Beeren des Nachtschattengewächses gegessen, die das starke Gift Solanin enthalten. Im März 1756 befahl der König den preußischen Beamten in einer „Circular-Ordre“, „seinen Unterthanen den Nutzen von Anpflantzung dieses Erd-Gewächses begreiflich zu machen und denselben anzurathen, dass sie noch dieses Früh-Jahr die Pflantzung der Tartoffeln als eine sehr nahrhafte Speise zu unternehmen … Übrigens müßt ihr es beym bloßen Bekanntwerden der Instruction nicht bewenden, sondern durch die Land-Dragoner und andere Creißbediente Anfang May revidieren lassen, ob auch Fleiß bey der Anpflantzung gebraucht worden, wie Ihr denn auch selbst bey Euren Bereysungen untersuchen müsset, ob man sich deren Anpflantzung angelegen seyn lasse.“ Weil er der Überzeugungskraft seiner Beamten nicht traute, legte der Alte Fritz in der Nähe von Berlin eigene Felder mit Kartoffeln an und ließ sie von seinem Soldaten scharf bewachen, um den Wert der Pflanzen zu dokumentieren. Bei Inspektionsreisen verzehrte er in Dorfgasthäusern mit offensichtlich größtem Genuss Erdäpfel zu seinem geliebten, scharf gewürzten Kalbsbraten. Karikaturisten machten sich lustig über die Leidenschaft des Königs für die „Tartoffel“ und verpassten seinem Porträt in den Gazetten eine dicke Kartoffelnase. Trotz all seiner Bemühungen dauerte es Jahrzehnte, bis die Kartoffel als Grundnahrungsmittel akzeptiert wurde. Getreide-Missernten in den Jahren 1770 bis 1777 überzeugten schließlich auch die dickköpfigen pommerschen Bauern von ihrem Nutzen. Chronist Nettelbeck schreibt, dass er erst 1785, also 30 Jahre nach dem Kartoffel-Erlass, zu seiner „angenehmen Verwunderung bei Stargard die ersten Kartoffeln auf freiem Felde ausgesetzt gefunden habe“. Das Sprichwort „Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ für widersprüchliche Anordnungen stammt übrigens auch aus der Zeit des Alten Fritz. Einige Kommandeure verboten ihren Soldaten, Kartoffelfelder zu betreten, andere wiederum erlaubten es.
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