|
|
Causa Steinbach Was für ein Glück, dass Polen die Berufung Guido Westerwelles ins Bundeskabinett aus Gründen, die nur Polen verstehen müsste, nicht als Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen betrachtet. Denn dann hätte der FDP-Vorsitzende, der eigenen Argumentation im Falle Steinbach folgend, seine „persönlichen Ambitionen“ hintanstellen und zum Wohle der Versöhnung mit dem östlichen Nachbarn auf die Erfüllung seines Lebenstraums verzichten müssen. Warschau aber blickt mit Wohlgefallen auf den neuen deutschen Außenamtschef, der seine erste Reise nach Polen machte. Der dortige Präsident dankte ihm das mit einem Platz auf seinem Sofa. Seither muss man sich aber fragen, ob Westerwelle wenigstens zeitweise noch aus den Augen verliert, welchem Land er nun als Außenminister dient. Denn die Interessen, die Westerwelle im Streit über Erika Steinbach vertritt, sind zunächst einmal die Polens. Warschau wollte nicht, dass in Deutschland jene Stätte zur Erinnerung an die Vertreibung von mehr als zwölf Millionen Deutschen entsteht, für die Frau Steinbach seit Jahren kämpfte, unterstützt von Leuten wie Peter Glotz und Ralph Giordano, denen man nur mit Mühe unterstellen kann, sie seien Revanchisten. Die Befürchtungen Polens, von einem solchen „Zentrum gegen Vertreibungen“ (der Plural ist Programm) an den Pranger gestellt zu werden, haben sich nicht bewahrheitet. Die von Frau Steinbach als Vorläufer organisierte Ausstellung „Erzwungene Wege“ stand in ihrer Ausgewogenheit der Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ im Haus der Geschichte nicht nach. Eher noch kam darin das Schicksal der deutschen Vertriebenen zu kurz. Die SPD lief mit Warschau Amok Weil, was natürlich lobenswert ist, Polen in Deutschland viele Freunde und große Freundinnen hat (vor allem in der SPD), andererseits aber die Unionsparteien den berechtigen Anspruch der Vertriebenen auf Erinnerung nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollten, einigte sich die große Koalition darauf, Frau Steinbachs Projekt in einer unselbständigen Bundesstiftung namens „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ einzuhegen. Dort hat man es, dafür sorgt die Satzung, unter Kontrolle. Von den 13 Sitzen im Stiftungsrat sind nur drei für den Bund der Vertriebenen (BdV) vorgesehen. Beschlüsse bedürfen der Mehrheit der abgegeben Stimmen. Der Präsident der Stiftung „Deutsches Historisches Museum“, dem die Vertreibungsstiftung eingegliedert ist, hat zur Sicherheit sogar noch ein Vetorecht. Frau Steinbach könnte sich also auf den Kopf stellen und mit den Zehen wackeln - gegen die Mehrheit der anderen Mitglieder des Stiftungsrates können die drei Entsandten des BdV nichts, aber auch gar nichts bewirken. Trotzdem lief Warschau Amok, als Frau Steinbach ihren Sitz einnehmen wollte, denn wenigstens das sollte verhindert werden. Und die SPD lief mit. Der BdV ließ, unter dem Beifall auch der Union, den Sitz unbesetzt, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Dass diese mit einer bürgerlichen Koalition kommen würden, erweist sich jetzt jedoch als Irrtum. Denn nun meint Westerwelle, in dieser Angelegenheit nicht nur die Rolle der SPD übernehmen, sondern sie darin auch noch übertreffen zu müssen. In Warschau heißt es, man habe ihn in Sachen „blonder Bestie“ zu nichts gedrängt. Demnach würde sich der deutsche Außenminister zum Handlanger einer alten Forderung machen, die Polen offenbar von seiner umfangreichen, aber ziemlich kontraproduktiven Alles-oder-nichts-Liste gestrichen hat. Auch die Argumente, die Westerwelle zur Erklärung seiner plötzlichen Rückenversteifung vorbringt, sind bemerkenswert. Frau Steinbach habe nicht für den deutsch-polnischen Grenzvertrag gestimmt, sagt Westerwelle, das habe zu nachvollziehbaren Vorbehalten in Polen geführt. Dem Vertrag verweigerte allerdings auch Westerwelles Kabinettskollege Ramsauer die Zustimmung. Der müsste nach Meinung der FDP dann wohl die Regierung verlassen: Wie soll ein derart Vorbelasteter mit Polen über den Grenzverkehr sprechen? Und wie ist es mit den Politikern, die vor zwanzig Jahren gegen die deutsche Einheit waren? Wenn alle Ausschüsse und Beiräte von ihnen gesäubert wären, würde es in manchen Gremien ziemlich leer. Die Koalition ist kein Fußballverein In dieser Angelegenheit geht es, anders als der neue Außenminister offenbar glaubt, nicht nur um die Versöhnung mit Polen, auch wenn diese Aufgabe vielen Politikern in Deutschland als so groß erscheint, dass für sie anderes daneben keinen Platz mehr hat. Frau Steinbachs Anliegen fand aller Anfeindung zum Trotz deswegen so viel Zustimmung im Volk, weil es der Versöhnung Deutschlands mit seinen Vertriebenen dienen soll - Versöhnung durch die öffentliche Anerkennung ihres besonders schweren Schicksals. Das „sichtbare Zeichen“, das die große Koalition beschloss, sollte ein Zeichen der Empathie sein. Dass Deutschland dazu noch fähig ist, sah man am Sonntag in einem Fußballstadion. Nun ist Erika Steinbach kein Torwart, sie ist noch nicht einmal bei jedem Parteifreund beliebt. Aber die christlich-liberale Koalition ist auch kein Fußballverein. Es wäre ein Skandal und ein Armutszeugnis für die zweite Regierung Merkel wie auch für den Umgang Deutschlands mit seinen Vertriebenen insgesamt, wenn einer Frau der Sitz in der Vertreibungs-Stiftung verwehrt bliebe, die es ohne sie nicht gäbe.
Diskutieren Sie diese Meldung in unserem Forum ___________________________
Diese Netzseite ist optimiert für
800x600 / 1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x
oder höher. |
|