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Causa Steinbach Von Stephan Löwenstein, Berlin Politiker vermeiden es in der Regel, die erste Person Singular zu gebrauchen. Lieber benutzen sie ein „wir“. Es erinnert an die Legitimation eines von Bürgern oder Parteifreunden in sein Amt gewählten Menschen oder es suggeriert machtvolle Unterstützung durch eine Gruppe. Das singularisierende „ich“ wird in bestimmten Situationen gebraucht, beispielsweise in einem Machtkampf, also einer Konstellation „der oder ich“. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat einen unvergesslichen Beispielsatz für diesen „Ich“-Gebrauch geprägt, als er sich in seiner Partei gegen Jürgen Möllemann durchsetzen musste: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt. Und das bin ich.“ Wie ein solches High-Noon-Ich lesen sich die Äußerungen, mit denen Westerwelle nun in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Der Spiegel“ wiedergegeben wird. Es geht um die Frage, ob der Bund der Vertriebenen (BdV) seine Präsidentin Erika Steinbach (CDU) in den Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ entsenden darf. Die Stiftung war im vergangenen Jahr von der großen Koalition ins Leben gerufen worden, um in Berlin ein Dokumentationszentrum zum Thema Vertreibung zu unterhalten. Drei der 13 Beiräte darf der Verband benennen, zwei sind längst entsandt, der dritte sollte Frau Steinbach sein. Doch intervenierte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Frühjahr dieses Jahres mit der Begründung, eine Benennung Frau Steinbachs würde in Polen nicht gelitten. Weil der Beirat der Zustimmung des Bundeskabinetts bedarf, ging und geht es ohne den Koalitionspartner der Union nicht. Der BdV lenkte ein, schickte aber nicht jemand anderes, sondern ließ den Platz unbesetzt. Diese Woche steht das Thema am Dienstag wieder auf der Tagesordnung des Verbandspräsidiums. Doch wieder intervenierte der Außenminister gegen die Intention, Frau Steinbach zu benennen. Inzwischen heißt er Westerwelle und kommt von der FDP. Machtfrage im Wettstreit mit der Kanzlerin Es lohnt sich, Westerwelles Äußerung genauer zu betrachten. Da weist er zunächst auf den Versöhnungsgedanken hin: Es werde „die Bundesregierung keine Entscheidung treffen“, die diesem Gedanken entgegenstehe. „Die Bundesregierung“, also ein „wir“. Auf die Frage hin, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dies genauso sehe, geht er zum „ich“ über, und zwar wie im Stakkato: „Die Kanzlerin kennt meine Haltung. Ich sitze in diesem Amt mit eigenem Kopf und in besonderer Verantwortung. Als Außenminister werde ich nicht akzeptieren, dass das historisch ohnehin schon belastete Verhältnis zwischen Deutschland und Polen durch Unbedachtheiten beschädigt wird.“ Und: „Ich setze darauf, dass der Vertriebenenbund den Erfolg dieses Versöhnungsprojekts will und dass er bei seinen eigenen Nominierungen klug vorgeht. Wenn nicht, entscheide ich.“ Auch wenn es sich etwas unemanzipiert anhört, wenn ein Vizekanzler darauf hinweisen muss, dass er einen eigenen Kopf habe, bleibt kein Zweifel: Für ihn ist die Sache eine Machtfrage geworden – natürlich nicht zwischen ihm und Frau Steinbach, sondern zwischen ihm und der Kanzlerin. Das lässt sich wohl nur im Zusammenhang mit den anderen Streitigkeiten der jungen Koalition erklären, vor allem in der Haushalts- und Finanzpolitik, in denen die FDP einen schweren Stand hat. Die Kanzlerin aber schweigt, und mit ihr die erste Reihe der CDU. Horst Seehofer hingegen, der CSU-Vorsitzende und – als bayerischer Ministerpräsident – Schirmherr der Sudetendeutschen, der selbst auch zur Zeit einen schweren Stand hat, hat sofort das Widerwort ergriffen. „Sollte der BdV Erika Steinbach nominieren, dann erwarte ich auch von der CDU, dass sie diese Entscheidung ohne Wenn und Aber unterstützt“, sagte er. Ein Nein der FDP wäre „ein Fall für den Koalitionsausschuss und eine Belastung für die Berliner Koalition“. Gesichtswahrende Lösung gesucht Angesichts dieser festgemauerten Positionen dürfte die Sache erst einmal wieder zurückgestellt werden. Frau Steinbach gab das am Wochenende zu erkennen, als sie sich in der Zeitung „Bild am Sonntag“ mit den Worten zitieren ließ: „Wir werden frei über die Sitze im Stiftungsrat entscheiden – und dazu nehmen wir uns die Zeit, die wir brauchen, um eine sachliche und unaufgeregte Lösung zu finden.“ Tatsächlich wird sie mit der jetzigen Situation, so unbefriedigend sie sein mag, noch eine Zeitlang leben können: Der vakante Platz im Beirat bleibt unbesetzt, der Verband erhält seinen Anspruch darauf aufrecht und die Stiftung kann derweil ihrer Aufgabe nachgehen. Man darf annehmen, dass die bisherigen Personalentscheidungen nicht gegen den Willen der BdV-Präsidentin gefallen sind. Doch wird sie im Interesse ihres Verbandes, wo sie einigen in der Vergangenheit nicht hart genug aufgetreten ist, etwa in der Frage von Vermögensansprüchen, auf einer gesichtswahrenden Lösung beharren müssen. Ihre Auffassung hat Frau Steinbach in der vergangenen Woche durch eine BdV-Mitteilung kundgetan: „Es ist absurd zu glauben, dass es zum Lebenstraum einer Abgeordneten gehört, Mitglied in einem Stiftungsrat zu sein. Allerdings ist es die Aufgabe einer BdV-Präsidentin, dort die Interessen ihres Verbandes zu vertreten.“
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