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Erzwungene Wege Die Ausstellung „Erzwungene Wege, Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts“ wird die Borniertheit der schon aus Prinzip widerwilligen Protagonisten gegen das „Zentrum gegen Vertreibungen“ (ZgV) nicht verstummen und von fehlendem europäischen Kontext sprechen lassen. Doch wer am Donnerstag mit offenen Augen durch die an diesem Tag im Berliner Kronprinzenpalais eröffnete Ausstellung gegangen ist, der wird nichts über eine introvertierte, rein an der Vertreibung der Deutschen orientierte Geschichtsaufbereitung zu berichten wissen. Im Auftrag der ZgV-Stiftung hat Architekt Bernd Bess aus 280 Objekten von 80 Leihgebern aus 14 Ländern eine Ausstellung über verschiedene von Vertreibungs- und Völkermordakten des letzten Jahrhunderts betroffene Völker beziehungsweise Volksgruppen erarbeitet. Für diese Form von Menschenrechtsverletzungen typisch ist das Fehlen von aussagekräftigem Bildmaterial, Material, welches die Tat beschreiben, aber nicht als Anklage gegen Personen verstanden werden soll. Profane Gegenstände prägen eher das Bild. Zu den gewählten Exponaten, oft Haushaltsgegenstände, werden die Schicksale ihrer vertriebenen Besitzer geschildert. Sei es zu dem von deportierten Balten aus eingeschmolzenen Aluminiumschüsseln hergestellten Löffel, der einer Litauerin gehörte, die zwischen 1947 und 1951 nahe dem weißrussischen Borisov interniert war. Oder sei es zu dem Chrysmatorium, einem Gefäß für gesegnetes Öl, der armenischen Kirche des Hl. Jakobus im türkischen Dorf Khaskal. Jedes Objekt steht für eine Geschichte, steht für einfache Menschen, Zivilisten, die gezielt vertrieben oder sofort getötet worden sind, um sich ihrer, als Teil einer ethnischen oder religiösen Gruppe, zu entledigen. Die Ausstellung will „den Blick auf die vielfältigen Vertreibungen in Europa und seinen Grenzgebieten im 20. Jahrhundert eröffnen“, so Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach. Die bis zum 29. Oktober täglich geöffnete Ausstellung ist jedoch nicht das vom Bund der Vertriebenen erstrebte Dokumentationszentrum ZgV als Ort der Mahnung und der weltweiten Ächtung von Vertreibung als politisches Mittel schlechthin. Die überschaubare Ausstellung ist aber noch etwas nicht. Obwohl sie im Kronprinzenpalais Unter den Linden leicht zu orten ist, kann sie nicht das von Union und SPD im Koalitionsvertrag angestrebte „sichtbare Zeichen zur Erinnerung an das Unrecht von Vertreibungen und zur Ächtung von Vertreibungen im Geiste der Versöhnung“ sein. Hierzu fehlt es schlicht an der Sichtbarkeit des Zeichens, die der Bedeutung des historischen Sachverhalts gerecht wird. Das war selbst die mit erheblich höherem Etat ausgestattete Ausstellung „Flucht, Vertreibung und Integration“ des Hauses der Geschichte nicht, die im Deutschen Historischen Museum präsentiert wird. Nein, die Ausstellung verdeutlicht den unbezweifelbaren Willen der ZgV-Stiftung, nicht nur der vertriebenen Deutschen gedenken zu wollen, sondern kraft der Kompetenz aus millionenfacher Erfahrung Vertreibung als Menschenrechtsverbrechen generell und in europäischer Dimension an den Pranger zu stellen. Für den „Bund der Vertriebenen“ als Stiftungsgründer bleiben jedoch nach Angaben Erika Steinbachs weiterhin zwei Zielvorgaben offen: Das Schicksal der vielen Millionen deutschen Deportations- und Vertreibungsopfer erfahrbar zu machen sowie die Ausleuchtung der Veränderungen und Schwierigkeiten Deutschlands durch die Integration Millionen Entwurzelter. Ein weiterer Schwerpunkt des BdV wird indessen bereits seit einiger Zeit umgesetzt. Die regelmäßige Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises an Personen, die sich gegen Vertreibung und Völkermord gewandt haben. Der Schriftsteller Franz Werfel hatte mit seinem Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“ den Völkermord an den Armeniern angeklagt, mußte aber als Jude sich selbst der Verfolgung durch den NS-Staat entziehen und fliehen. Sein Reisepaß ist nun Ausstellungsexponat und dokumentiert die Flucht seines Besitzers über Frankreich, Spanien und Portugal nach Amerika. Die Ausstellung ist singulär, und es hat nirgendwo in Europa etwas Vergleichbares gegeben.
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