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Nicht alle Vertreibungsopfer
gezählt Es gibt ernstzunehmende Historiker, die sind in Kürschners Gelehrtenkalender verzeichnet oder haben sich sonst um die Geschichtsforschung verdient gemacht, und es gibt Boulevard-Historiker, die sich – meist mit fragwürdigen Methoden – um Aufmerksamkeit bemühen. Zu letzteren zählt ein gewisser Ingo Haar vom linken „Zentrum für Antisemitismusforschung“ in Berlin. Zwischen 1994 und 1997 war er bereits in den zweifelhaften Genuß eines Stipendiums des „Hamburger Instituts für Sozialforschung“ von Jan Philipp Reemtsma gekommen, also jener Einrichtung, die bereits in den 90er Jahren durch Fälschungen im Rahmen der Anti-Wehrmachtsausstellung auf sich aufmerksam gemacht hatte. Haar hatte 2000 zum Thema „Historiker im Nationalsozialismus“ publiziert und den Wert des Lebenswerks des Kölner Historikers Theodor Schieder – die Dokumentation „Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“ – wegen dessen Parteizugehörigkeit im Dritten Reich angezweifelt. Dieser Ingo Haar schaffte es nun immerhin bis in die „Süddeutsche Zeitung“ und in den Deutschlandfunk. Seine dort verbreitete These: Es hat 1945 und in den Folgejahren keine zwei Millionen Todesopfer durch Flucht und Vertreibung gegeben, sondern allenfalls 500.000. „Natürliche“ Todesfälle und Selbstmorde sowie Wehrmachtsvermißte seien abzuziehen. Wenn es nach dieser These ginge, dann muß es bei der Vertreibung der Deutschen aus Ost- Mitteleuropa beinahe human zugegangen sein. Haar unterstellt, die Opferzahlen seien in den 50er Jahren gezielt hochgerechnet worden, „um das Rad der Geschichte zurückzudrehen“. Die zweifelhafte Wissenschaftlichkeit seiner These läßt sich schon daran bemessen, daß er sich auf einen Bericht des Statistischen Bundesamtes von Juni 1954 beruft, in dem sich die Behörde noch vorsichtig zu den Opferzahlen äußerte. Nur vier Jahre später – was Haar aber verschweigt – bestätigte die gleiche Behörde indessen die Opferzahlen mit 2.225.000. Das Bundesinnenministerium bezifferte 1982 die ermittelten Opfer gleichfalls mit „zwischen zwei und 2,5 Millionen“. Auch der Kirchliche Suchdienst hatte 1995 die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes aufgrund eigener 1965 abgeschlossener Überprüfungen „weitgehend bestätigt“. Erika Steinbach, die auch menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, zeigte sich entsetzt über die „haarsträubende Zahlenklitterung“ Haars: „Haar reduziert seine Zahl auf die unmittelbar Ermordeten. Alle anderen Opfer sind für Haar offenbar eines natürlichen Todes gestorben.“ Der Historiker habe die deportierten, die bei den sowjetischen Vergewaltigungsorgien, die in den Lagern oder die bei den Fluchtmärschen durch Hunger und Erschöpfung Verstorbenen nicht als Opfer des Gesamtkomplexes Flucht und Vertreibung berechnet. Nach Haar dürfen auf diesem Wege beispielsweise auch die 300.000 Todesopfer der nach Osten deportierten Rußlanddeutschen nicht gewertet werden. Noch wirrer wird es, wenn Haar auf das Potsdamer Protokoll – er nennt das Dokument „Abkommen“ – zu sprechen kommt. Das Abkommen habe „die deutsche Teilung und die Abtretung der Ostgebiete an die Sowjetunion und Polen festgeschrieben“. Der Wortlaut des allgemein bekannten Dokuments ist indessen eindeutig: die Ostgebiete sind unter dem Vorbehalt einer Friedenskonferenz unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellt worden. Die Verrechnung und Desinformation
hat bei Ingo Haar also Methode. Politisch motivierte „Historiker“ wie Haar sind
seit langem bemüht, die deutschen Heimatvertriebenen und ihre berechtigten Anliegen
in Mißkredit zu bringen und ihnen bisweilen noch heute pauschal eine Mitschuld am
Nationalsozialismus anzuheften.
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