Heimatvertriebene
ausgegrenzt
Deutsch-Polnische Gesellschaft warnt vor verstimmenden
Polemiken und meint damit nicht Warschau von Karlheinz Lau
Wir stehen in der Verantwortung“
– so eine Aussage des Bundesverbandes der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, unterzeichnet
unter anderem von Rita Süssmuth. Im Text heißt es: „Beunruhigt sind wir über die
in den letzten Jahren zunehmenden Versuche, eine zukunftsgerichtete Partnerschaft
zwischen Polen und Deutschland in Frage zu stellen.“ Man erwartet nun bei der weiteren
Lektüre, daß Roß und Reiter genannt werden, daß gesagt wird, wer diese Versuche
unternimmt. Fehlanzeige, es bleibt nebulös, aber aus der Diktion des Textes kann
unschwer erraten werden, wer gemeint ist: der „Bund der Vertriebenen“ (BdV), das
„Zentrum gegen Vertreibungen“ (ZgV), die „Preußische Treuhand“ und so weiter, kaum
aber die Polemiken der gegenwärtigen national-konservativen Regierung in Warschau.
In dem Papier werden dann
alle Gruppen und Institutionen aufgezählt, die sich um Versöhnung mit Polen bemühen.
Es fehlen folgerichtig die deutschen Heimatvertriebenen, immerhin bis heute die
größte Bevölkerungsgruppe in Deutschland mit den intensivsten Kontakten zu den neuen
Bewohnern ihrer Heimat. Seit Jahrzehnten sind sie echte Brückenbauer, was zahllose
polnische Bürger und Kommunalpolitiker in den heutigen Westgebieten anerkennen und
auch aussprechen. Stellvertretend müssen die Kommunalpolitischen Kongresse der Landsmannschaft
Ostpreußen genannt werden. In der Verantwortung stehen bei den gegenwärtigen Irritationen
also wohl nicht die Deutschen, aber die gegenwärtige polnische Regierung. Sie spielt
auf ihrer Klaviatur die altbekannten antideutschen Ressentiments, die im 19. und
20. Jahrhundert in Polen das negative Deutschlandbild verfestigten. Das wird so
schnell nicht abzubauen sein. Prügelknaben für Warschau sind im wahrsten Sinne des
Wortes und gebetsmühlenartig immer wiederholt der BdV mit Erika Steinbach, das ZgV
sowie die „Preußische Treuhand“. Ein geradezu würdeloses Spiel wurde bei der Ausstellung
„Erzwungene Wege“ demonstriert; nach dem Motto „erst versprochen – dann gebrochen“
erging aus Warschau buchstäblich der Befehl, Ausstellungsstücke die aus Polen zur
Verfügung gestellt wurden, wieder zurückzurufen. Bekanntestes Beispiel ist
die Schiffsglocke
der „Wilhelm Gustloff“. Aber, und hier zeigt sich ein neu entstehendes bürgerliches Selbstbewußtsein, nicht alle polnischen Leihgeber folgten dem Ansinnen ihrer Regierung.
Diese Haltung bestätigt eine Beobachtung deutscher und polnischer Experten, daß
mit Beginn der demokratischen Entwicklung seit dem Zusammenbruch des Kommunismus
in Polen und Europa sowie seit der polnischen Mitgliedschaft in Nato und EU die
Einstellungen der politischen Eliten und die gesellschaftlichen Auffassungen zunehmend
auseinanderdriften. Das betrifft auch gerade das Verhältnis des normalen Polen zu
Deutschland. Bestätigt wird dieser Trend durch eine Umfrage mit dem Arbeitstitel
„Polen und Deutsche, gegenseitige Wahrnehmungen nach der Osterweiterung der EU“.
2000 und 2006 wurden in beiden Ländern Bürger zum gegenseitigen Verhältnis befragt.
Das Ergebnis zeigt eine interessante, überraschende und auch erfreuliche Entwicklung
in der gegenseitigen Wahrnehmung in den letzten Jahren: Die Deutschen nehmen die
Polen heute positiver wahr als sechs Jahre zuvor, wenngleich nach wie vor negative
Assoziationen überwiegen, die jedoch zurückgehen. Aber immer noch ist das Erscheinungsbild
schlechter als das Deutschlandbild der Polen. Eine der Hauptursachen dafür sind
die Kenntnisdefizite, jeder zweite Deutsche hat keine klare Meinung über Polen und
die Polen. Hier besteht bis heute eine deutliche Asymetrie. Diese Tatsache ist durchaus
erstaunlich angesichts der vielen polnischen Arbeitnehmer in Deutschland, des steigenden
Tourismus, der vielen Partnerschaften mit polnischen Gemeinden sowie der zunehmenden
Nachfrage beim deutsch-polnischen Jugendwerk; leider gibt es hier gegenwärtig Störfeuer
von polnischer Seite. Auch fehlt auf deutscher Seite ein klarer Hinweis auf die
zahllosen Aktivitäten deutscher Vertriebener in Richtung ihrer ehemaligen Heimat.
Es stellt sich immer wieder die Frage, warum dieser Umstand in Deutschland so zäh
und geflissentlich immer verschwiegen wird. Selbst die häufig kritisierte gemeinsame
Schulbuchkommission betonte 2005 auf ihrer Sitzung in Stettin die große Bedeutung
persönlicher Begegnungen von Deutschen und Polen, die das Schicksal der Vertreibung teilen,
hieraus wächst gegenseitiges Vertrauens. Die Auswertungen der Befragungen behandeln
das nur indirekt, sie betonen vielmehr die verschiedenen Formen deutsch-polnischer
Kontakte vornehmlich in den Grenzregionen, wo das Vertrauenspotential aufgrund der
persönlichen Erfahrungen gegenüber Deutschland gewachsener und größer ist als in
grenzfernen Regionen unseres Nachbarn, was auch für Deutschland gilt. Diese persönlichen
Eindrücke wirken dann in politischen Krisenzeiten stabilisierend. Ein wirklich eindrucksvolles
Beispiel zeigt der in der Euroregion „Pro Europa Viadrina“ aktive polnische Historiker
Zbigniew Czarnuch, der ein Projekt über die Zusammenarbeit ehemaliger deutscher
und heutiger polnischer Bewohner der Neumark um Küstrin, Landsberg an der Warthe
und Berlinchen angeschoben hat. Generell ist der Zweite Weltkrieg mit seinen Folgen
in den öffentlichen deutsch-polnischen Diskussionen präsent. Der Plan eines „Zentrums
gegen Vertreibungen“ wird in Polen als ein Instrument der Geschichtspolitik gesehen,
um die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg zu verwischen, die Deutschen als Opfer,
die Polen als Täter hinzustellen. Noch so viele Klarstellungen und auch Einladungen,
am Projekt ZgV mitzuarbeiten, haben offensichtlich nichts bewirkt. Interessant ist
auch, daß nur etwa 20 Prozent der Deutschen, die befragt wurden, Konkretes vom ZgV
gehört haben. Dieses Ergebnis verwundert angesichts der Breite und Intensität der
Diskussionen in Deutschland und zwischen Deutschland und Polen. Außerdem wird auch
hier der Focus ausschließlich auf Erika Steinbach gerichtet, und überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen, daß hinter diesem Projekt prominente Persönlichkeiten unseres
Landes stehen, Hunderte von Städten, Gemeinden und Landkreisen Unterstützung signalisiert
haben, das heißt Erika Steinbach ist nicht Alleinunterhalterin. Überraschung löste
auch die Aussage auf dem Forum aus, die der nicht unbekannte Chefredakteur Basil
Kerski des deutsch-polnischen Magazins „Dialog“ machte, daß die geplante Gaspipeline
von Rußland nach Deutschland durch die Ostsee in Polen als ein offensichtlich viel
ernsteres Problem angesehen wird als ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ in der Hauptstadt
Berlin. Sollte dies zutreffen, gibt es Hoffnungen auf einen sachbezogenen Konsens
über ein Zentrum mit europäischer Dimension.
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