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Ein seltsames Freiheitsverständnis Das Wochenblatt «Junge Freiheit» erregt in Deutschland immer wieder Kritik. Die oft überrissene Aufregung zeigt die engen Grenzen für eine national-konservative Publizistik im Nachbarland.Man könnte glauben, in Deutschland erscheine eine furchterregend gefährliche Zeitung. Eine bemerkenswerte Koalition aus Verfassungsschützern, Politikern, politisch engagierten Wissenschaftern, Journalisten und «antifaschistischen» Rollkommandos wird nicht müde, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass am Berliner Hohenzollerndamm jede Woche ein geschickt camouflierter Angriff auf die Grundfesten der Republik geplant und in Szene gesetzt werde. Verdächtigungen und ÜbergriffeEs geht um die «Junge Freiheit», eine «Wochenzeitung für Politik und Kultur». Vom Start weg (1986) erregte sie den Verdacht, den vergangenheitspolitischen Konsens der Bundesrepublik mit unlauteren Mitteln unterwandern zu wollen. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz rückte sie in seinen jährlichen Berichten in die Nähe rechtsextremistischer Bestrebungen, bis 2005 das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Zeitung damit in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt werde. «Antifaschistische» Aktivisten griffen mit Brandsätzen die Druckerei, den Redaktionssitz und das Auto des Chefredaktors an. Kioskbetreiber wurden und werden unter Druck gesetzt, die Zeitung aus der Auslage zu entfernen. 2006 verhängte die Leitung der Leipziger Buchmesse ein Standverbot; sie musste diesen Ausschluss allerdings zurücknehmen, als eine Handvoll prominenter Publizisten gegen die Massnahme protestierte. Wer der Zeitung ein Interview gibt, muss sich ruppige Kritik und auch üble Nachrede gefallen lassen. Wer wie der zunächst zum thüringischen Kultusminister designierte CDU-Politiker Peter Krause gar eine Zeitlang in der Redaktion arbeitete, ist am Karriereende angelangt. Im Mai verlangten sieben SPD-Bundestagsabgeordnete, dass die Parlamentsverwaltung die «Junge Freiheit» aus dem elektronischen Presseverteiler entferne. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses sieht eine «unnötige Aufwertung dieses dubiosen Blattes», wenn es in der Presseschau vertreten bleibt, die den Parlamentariern einen Überblick über das Spektrum publizistischer Meinungen im Lande ermöglichen soll. Was macht die «Junge Freiheit» nach Meinung ihrer Kritiker so brandgefährlich, dass ihr nur mit einem Bann beizukommen ist, der die Zeitung und jeden, der mit ihr Kontakt hat, aus dem öffentlichen Gespräch ausschliessen soll? Chronisch finanzschwach und mit einer verkauften Auflage von 14.913 Exemplaren, von denen 11.129 an Abonnenten gehen, ist die in der Regel 24 Seiten umfassende Zeitung auf dem Meinungsmarkt ein Leichtgewicht. Inhaltlich findet man nichts, was den wuchtigen Vorwurf des Rechtsextremismus, der in der Initiative der SPD-Parlamentarier laut wurde, rechtfertigen könnte. Gewiss, die Zeitung berichtet mit Sympathie über Treffen der deutschen Vertriebenenverbände und der Burschenschaften, pflegt ein manchmal aufdringliches Gedenken an die Lichtgestalten der deutschen Kultur- und Politikgeschichte und liebt die kulturkritische Zeitgeistanalyse als Kampfmittel gegen die Erben von 1968. Biedermännischer Patriotismus in Butzenscheibendeutsch, ein manchmal sehr schiefer Blick auf die nationalsozialistische Geschichte und viel Ressentiment in der Behandlung von Einwanderungsproblemen stehen hier neben Berichten über gesellschaftliche Konfliktzonen, die in anderen Medien lieber beschwiegen werden. Manchem Essay ist die intellektuelle Zurechnungsfähigkeit auf der Suche nach einer konservativ-nationalen Renaissance nicht abzusprechen, wenngleich hier oft zu wenig Wirklichkeitssinn und zu viel Romantik sich artikuliert. Zu den Autoren gehören mittlerweile einige pensionierte Redaktoren von «FAZ», «Welt» und öffentlichem Rundfunk. Die Interviewpartner des wöchentlich die dritte Seite füllenden Interviews sind ebenfalls meist völlig unverdächtig: Publizisten wie Peter Scholl-Latour und Joachim Fest, SPD-Politiker wie Peter Glotz und Egon Bahr, aber auch Eckard Henscheid, Schriftsteller und Mitbegründer der eher linksgerichteten satirischen Zeitschrift «Titanic», und selbst Charlotte Knobloch, heute Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, gaben hier Auskunft. Augen und Ohren zuZu den Merkwürdigkeiten der rabiaten Abwehrgesten gegen die «Junge Freiheit» gehört, dass dies alles der Zeitung nicht zur Entlastung verhilft. So schreibt der Politikwissenschafter Wolfgang Gessenharter auf der jüngst von der «Zeit», dem ZDF, dem Deutschen Fussballbund und dem Deutschen Feuerwehrverband gestarteten Website «Netz gegen Nazis» zwar: «Man wird in der <Jungen Freiheit> nichts Rechtsextremes erkennen.» Unmittelbar im Anschluss daran beschwört er in gleich zwei raunenden Beiträgen die Gefährlichkeit des so harmlos wirkenden Blatts. Man soll glauben, dass die Normalität nur Schein und geschickte Tarnung ist, hinter der sich der Versuch verbirgt, in Deutschland die Grenzen zwischen erlaubtem konservativem und unerlaubtem rechtsextremistischem Denken zu verwischen. Es sei gerade diese Scharnierfunktion, die die «Junge Freiheit» viel gefährlicher mache als offen rechtsextremistische Blätter. Nun müsste man solche Warnungen durchaus ernst nehmen, wenn sie bündige Belege für die behaupteten Fassadenkunststücke der «Jungen Freiheit» liefern würden. Doch enden die volltönenden Ankündigungen einer investigativen Enttarnung des Blatts in der Regel nur mit der Berufung auf Experten, können aber wenig Belastendes aus dem gedruckten Inhalt vorlegen. Die Wertschätzung Carl Schmitts, die Gessenharter und andere immer wieder aufspiessen, mag man kritikbedürftig finden. Sie findet sich aber auch in manch feinem Feuilleton, das deshalb nicht als rechtsextrem gilt. Tugend ohne RisikoSo dominiert in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der «Jungen Freiheit» ein im Grunde vergangenheitspolitisch motivierter Verdacht, der auch ohne gute Gründe auskommt und sich seiner ganz sicher ist. Da ist es nur konsequent, wenn die Kritiker auf totale Ausgrenzung und auf Totschweigen setzen. Als «kleinster gemeinsamer Nenner des Abscheuwillens» (Eckard Henscheid) bietet sie den Helden der Meinungsschlachten die Chance, «auf der Tugendskala ganz nach oben zu klettern, ohne das Geringste zu riskieren», wie der «Focus»-Redaktor und Schriftsteller Michael Klonovsky jüngst sagte. Die Bildung der öffentlichen Meinung unter den Bedingungen der Pressefreiheit verlangt allerdings etwas mehr Anstrengung und die Bereitschaft, auch Provokationen auszuhalten. In den wilden Jahren der «Taz» war das auf der anderen Seite des politischen Spektrum zu lernen.
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