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Unstimmigkeiten zwischen Warschau
und Berlin Die polnische Regierung plant offenbar, bei der Entschädigung von Opfern der kommunistischen und nationalsozialistischen Diktatur polnische Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit leer ausgehen zu lassen. Der stellvertretende Schatzminister Hubert Laszkiewicz sagte der Zeitung „Dziennik“, das geplante Restitutionsgesetz der liberalkonservativen Regierung Tusk solle für Polen deutscher Abstammung nicht gelten. „Dziennik“ zitierte ihn am Montag mit den Worten: „Die Deutschen bekommen nichts.“ Ministerpräsident Tusk hatte in der vergangenen Woche während eines Besuchs in Israel angekündigt, seine Regierung werde demnächst ein Gesetz einbringen, das alle Opfer kommunistischer und nationalsozialistischer Enteignungen entschädigen solle. Tusk hatte dabei besonders betont, dass die geplanten Entschädigungen in Höhe von 15 bis 20 Prozent des verlorenen Vermögens allen früheren oder gegenwärtigen polnischen Bürgern zustehen sollten, denen die Nationalsozialisten oder die kommunistischen Behörden ihr Eigentum weggenommen hätten - unabhängig von ihrer Nationalität. Da während des Krieges und danach besonders viele Juden in Polen ihr Eigentum verloren, wurde Tusks Ankündigung in Israel als wichtiger Schritt im Prozess der polnisch-jüdischen Aussöhnung wahrgenommen. Scheinbar widersprüchliche Positionen Nach den Worten des stellvertretenden Schatzministers Laszkiewicz sollen von diesem Angebot des Ministerpräsidenten nun die ehemaligen oder gegenwärtigen polnischen Staatsbürger deutscher Nationalität ausgenommen werden. Diese Menschen - in der Zwischenkriegszeit nach Schätzung des „Dziennik“ etwa 750.000 Menschen - seien durch Dekrete der kommunistischen Führung unmittelbar nach dem Krieg zu „Feinden des polnischen Volkes“ erklärt worden. Auf dieser Grundlage habe man sie damals ebenso „umgesiedelt“ wie die Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, die nach 1945 an Polen fielen. Die Äußerungen des stellvertretenden Schatzministers schienen dem Versprechen Tusks zu widersprechen, dem zufolge die Entschädigung von der Volkszugehörigkeit unabhängig sein sollte. Am Montag war deshalb zunächst noch nicht klar, ob Laszkiewiczs Festlegung, dass polnische Bürger deutscher Herkunft von den geplanten Entschädigungen ausgenommen werden, tatsächlich die Linie der Regierung widerspiegele. Der Beauftragte Ministerpräsident Tusks für die deutsch-polnischen Beziehungen, Staatssekretär Bartoszewski, sagte dieser Zeitung, ihm sei diese Frage bisher nicht vorgelegt worden, und er könne sich deshalb vorerst nicht dazu äußern. Frühere Dekrete sind längst aufgehoben Auch in Bezug auf die „Dekrete“, auf deren Grundlage die deutschstämmigen Opfer möglicherweise von künftigen Entschädigungen ausgeschlossen werden sollen, herrschte am Montag keine Klarheit. Offenbar sind damit die sogenannten „Bierut-Dekrete“ gemeint, die unmittelbar nach dem Krieg zur Zeit des polnischen Kommunistenführers Boleslaw Bierut erlassen wurden. Zu ihnen gehört das „Gesetz über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Gesellschaft“ vom 6. Mai 1945, das sich gegen polnische Bürger richtete, die sich zur deutschen Nationalität bekannten. Es definierte diese Menschen als Feinde des polnischen Volkes und sah vor, ihre Vermögen einzuziehen und sie zu vertreiben. Vom gleichen Tage stammte auch das von den Kommunisten erlassene „Gesetz über das verlassene und aufgegebene Vermögen“. Andere Rechtsakte in diesem Zusammenhang wurden am 3. Januar und am 8. März 1946 erlassen. Allerdings ist seit Jahren strittig, inwiefern diese Gesetze und Regierungserlasse heute noch in Kraft sind. Der Historiker Wlodzimierz Borodziej hat schon im Jahr 2002 darauf hingewiesen, dass die bewussten Dekrete und Gesetze nach 1949 größtenteils aufgehoben wurden. Das „Gesetz über das verlassene und aufgegebene Vermögen“ habe beispielsweise 1985 seine Gültigkeit verloren. Einen „sachlich relevanten Unterschied“ Deutsche Fachleute wie der Heidelberger Völkerrechtler Jochen Frowein halten es für möglich, dass eine Regelung, wie sie die polnische Regierung offenbar plant, rechtlich Bestand haben könnte. Frowein sagte dieser Zeitung, zwar hätten alle europäischen Demokratien den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz in ihrer Verfassung verankert. Dennoch habe er persönlich keinen Zweifel, dass es rechtlich möglich sei, einen „sachlich relevanten Unterschied“ zwischen unterschiedlichen Gruppen von Geschädigten darzustellen, der eine unterschiedliche Behandlung von polnischen Bürgern deutscher, polnischer oder anderer Herkunft juristisch rechtfertigen könnte. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention könne hier nicht herangezogen werden, weil Polen ein Zusatzprotokoll, das den allgemeinen Gleichheitssatz enthält, nicht ratifiziert hat, und das gesamte Vertragswerk in der Nachkriegszeit noch nicht in Geltung war. Ähnliches gelte für das Diskriminierungsverbot der Europäischen Union.
Entschädigungen in Polen
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