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Dauerleihgabe an die Litauer Zu Beginn dieses Monats übergab die Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise (AdM) offiziell das AdM-Archiv als Dauerleihgabe an die Simonaitytes Bibliothek in Memel [Klaipeda]. Zu dieser Feierstunde kamen rund 120 interessierte Besucher. Die Ausstellung von einigen Büchern, Dokumenten und Bildern, liebevoll zusammengestellt von Jurga Bardauskiene und Victorija Intaite von der bibliographischen und landeskundlichen Abteilung, in der das Archiv untergebracht ist, fand großes Interesse. Zur Einleitung spielte ein junges Damen-Streichorchester. Direktor Juoszas Siksnelis begrüßte die Anwesenden und brachte seine Freude zum Ausdruck, so ein großes Archiv verwalten zu können. Die Bibliothek werde es hegen und pflegen. Ferner meinte er, dass man bereits nach grober Durchsicht des Archivs wohl die Geschichte Memels neu werde schreiben müssen. In seiner Ansprache ging der Bundesvorsitzende der AdM, Uwe Jurgsties, auf die Geschichte des Memellandes ein, sprach von der Gründung und den vielfältig geleisteten Aufgaben der AdM. Außerdem erwähnte er den Werdegang des Archivs mit seinen verschiedenen Standorten und Archivaren und wie es schließlich zu dem Kontakt mit der Bibliothek in Memel kam. Danach fand die feierliche Vertragsunterzeichnung statt, natürlich mit großem Interesse der anwesenden Medien, sei es das litauische Fernsehen oder die örtliche Presse. In den anschließenden Grußworten des deutschen Botschafters in Wilna, Matthias Mülmenstädt, des Bürgermeisters der Stadt Memel, Vytautas Grubliauskas, des Professors Vygantas Vareikis von der Universität Klaipeda, des ehemaligen Bürgermeisters von Memel, Rimantas Taraskevicius, und Alexander Popovs vom Kunstliebhaberverein Nidden kam die positive Resonanz zum Ausdruck, dass das AdM-Archiv sich nun in dieser modernen und mit allen technischen Geräten bestens ausgestatteten Bibliothek befindet. Vom Bürgermeister der Stadt Memel unterzeichnete Danksagungsurkunden wurden an Uwe Jurgsties, Gisela Pietsch, Karin Gogolka und Werner Boes übergeben für ihre zuletzt geleistete Arbeit am Archiv. Von der AdM waren zu dieser Übergabe außerdem der zweite stellvertretende Bundesvorsitzende Viktor Kittel mit seinem Sohn Volker, die Kreisvertreter von Heydekrug, Herbert Jaksteit, und von Pogegen, Gerhard Schikschnus, gekommen. Ferner konnte Gerd Balzer begrüßt werden. Anschließend wurde das AdM-Archiv besichtigt und man stärkte sich mit einem Imbiss und Getränken. Der Eingang des Archivs ist mit der Aufschrift „adm-archyvas“ versehen und das gesamte Material in den Regalen des hellen, wohltemperierten Raumes einsortiert. Im Anschluss fand im Simon-Dach-Haus (SDH) in Memel im kleinen Kreis eine Feier zum 15-jährigen Bestehen des Hauses statt. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Litauen, Matthias Mülmenstädt, und seine Ehefrau Sylvi ließen es sich nicht nehmen, persönlich daran teilzunehmen. Die Vorsitzende des Deutschen Vereins, Magdalena Piklaps, und Rasa Miuller, die alle Ansprachen und Grußworte hervorragend übersetzt hatte, führten die Gäste durch das Haus. Bei der Dia-Vorführung im Saal bekam das Botschafter-Ehepaar einen Eindruck, wie das Haus einmal ausgesehen hat, was alles geleistet wurde in den vergangenen Jahren und welche Veranstaltungen durchgeführt wurden. Im Jahre 2010 kamen 5125 Besucher zu 103 Veranstaltungen. Am liebevoll gedeckten Tisch mit einer großen Geburtstagstorte, die von Manfred Wagener von der Firma Baltours aus Nidden gestiftet, vom deutschen Bäcker Hinrichsen von der Bäckerei Prökuls gebacken und vom Schweizer Max Hämmerli verziert worden war, ließen es sich die Vereinsmitglieder und ihre Gäste bei guten Gesprächen munden. Es war das erste Mal in der Geschichte des deutschen Vereins und des Simon-Dach-Hauses, dass ein deutscher Botschafter in Litauen sich die Zeit nimmt, das SDH zu besichtigen und sich auch die Sorgen und die Nöte des Vereins anhört. (Siehe auch Kommentar) K.G. Die Festreden von Juoszas Siksnelis und Uwe Jurgsties In seinem Beitrag beschrieb der litauische Bibliotheksdirektor die Entwicklung zu der Einigung: „... Der Weg des Archivs nach Klaipeda war nicht besonders windungsreich, aber auch nicht gerade und bequem wie eine Autobahn. Dank des vorherigen Bürgermeisters Herrn Rimantas Taraskevicius habe ich den Vorsitzenden der AdM Herrn Uwe Jurgsties kennengelernt. Ich gebe zu, es war kein Zufall. Ich habe darauf hingearbeitet und Rimantas Taraskevicius hat wie ein erfahrener Weichensteller die Vertreter der AdM in die Bibliothek geleitet. Das erste Gespräch war mehr ein Kennenlernen und man konnte noch nicht davon ausgehen, dass wir schon so bald konkrete Schritte besprechen werden. Die Gäste sind weggefahren, ohne weder ja noch nein gesagt zu haben und sie haben lange geschwiegen. Aber ich habe meinen Mut nicht sinken lassen: schrieb Briefe, erklärte die Strategie, was wir mit dem Archiv vorhaben. Der vorherige Bürgermeister Rimantas Taraskevicius war auch nicht untätig, es wurde ein verbindlicher Brief unterzeichnet, in dem die Haftung für das Archiv versprochen wurde. Im Mai 2011 war das Eis endgültig gebrochen, und wir sprachen schon über ganz konkrete Schritte: den Transport des Archivs und seine Übernahme. An der Stelle möchte ich betonen, dass wir die ganze Zeit mit Hilfe eines Dolmetschers kommunizierten, aber wir haben doch dieselbe Sprache gesprochen, weil wir über eine wichtige Angelegenheit für uns alle gesprochen haben: über unsere Heimatstadt und die Berichtigung ihrer Geschichte. Das Ergebnis – das Archiv in unserer Stadt zeugt davon, dass wir einander ausgezeichnet verstanden haben. Selbstverständlich wird das Ordnen des Archivs eine Zeit in Anspruch nehmen, aber es wird eröffnet wie eine aufgehende Blume oder auch die Wahrheit für alle die, die die Geschichte der Stadt nicht aus einem, irgendwann mal geschriebenen Lehrbuch lernen wollen, sondern aus verschiedenen, sogar von Historikern teilweise noch nicht angefassten Quellen. Ich freue mich, dass sich die Stadtverwaltung andauernd für das Schicksal des Archivs interessiert hat. Es ist schon gesagt worden, dass man den Herrn Taraskevicius nicht überzeugen musste, wie wertvoll das Archiv ist. Unser jetziger Bürgermeister Vytautas Grubliauskas hat sich persönlich vorrangig um den Transport gekümmert. Das zeigt uns, dass sich die Stadt um ihre Geschichte kümmert und das zeugt davon, dass das Archiv in zuverlässigen Händen ist.“ Der AdM-Bundesvorsitzende erläuterte in seinem Beitrag die Motive der Vertriebenen: „... Unsere Bemühungen, einen geeigneten Ort für die Archivunterbringung zu finden sowie Mitarbeiter für die Bewältigung der Arbeiten zu gewinnen, erwiesen sich bislang als nicht realisierbar. Umso glücklicher sind wir, dass von der Simonaitytes Bibliothek das Angebot kam, unser Archivmaterial zu übernehmen und zu bearbeiten. Ich kann an dieser Stelle nur vielen, vielen Dank sagen. Sie haben uns mit der Übernahme eine große Sorge abgenommen und wir wissen unser gesammeltes Archivmaterial bei Ihnen in guten Händen. So wünschen wir uns am heutigen Tage, dass mit der Übergabe unseres Archivs das Memelland auch in der Zukunft in den Köpfen und Herzen der Menschen weiterlebt, sich im Bezug auf das Memelland die litauische Bevölkerung des Ursprungs ihrer heutigen Heimat bewusst ist und zum Geschichtsbewusstsein beiträgt In den zurückliegenden Jahrzehnten sind wir bereits ein gemeinsames Stück Weg gegangen, haben Anregungen und Bereicherungen durch die Gemeinsamkeit erfahren. Ich wünsche mir, dass unsere zukünftigen gemeinsamen Wege weiterhin von Erfolg beschieden sind.“ Kommentar: Die Abgabe des Archivs der Arbeitsgemeinschaft der Memelländkreise (AdM) an Litauen ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist das von den Vertriebenen trotz Kriegswirren gerettete und jahrzehntelang bewahrte Material in die Heimat zurückgekehrt. Die Übergabe an die Simonaitytes-Bibliothek zeugt von fruchtbarer Zusammenarbeit deutscher und litauischer Menschen und von einem tiefen Vertrauen. Andererseits stimmt die Tatsache traurig, dass die deutsche Öffentlichkeit dem kulturellen Erbe der Vertriebenen so wenig Interesse entgegenbringt, so dass diese sich gezwungen sehen, unersetzbare Originale ins heutige Ausland abzugeben, damit sie für die Nachwelt erhalten und zugänglich bleiben können. Archivmaterial, das einmal aus der Hand gegeben wurde, ist dem direkten Zugriff der Betroffenen entzogen. Die Ankündigung des Bibliotheksdirektors Juoszas Siksnelis, die Geschichte der Stadt müsse neu geschrieben werden − losgelöst von der kommunistischen Ideologie −, klingt einerseits vernünftig, birgt andererseits aber auch die Gefahr, dass Material, das dem Bearbeiter als umwichtig, unverständlich oder unbequem erscheint, verloren geht. Leserbriefe an die Preußische Allgemeine Zeitung: Auslieferung an Litauen von allen
Möglichkeiten die schlechteste Die Verlagerung des Archivs, Eigentum aller Memelländer, nach Litauen ist vom Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise (AdM) beschlossen worden. Es erfolgte leider keine Abstimmung in einer Vertreterversammlung. Auch die Befragung aller Mitglieder wäre möglich gewesen. Nach Paragraf 5 der Satzung der AdM sind alle Bezieher des „Memeler Dampfbootes“ automatisch Mitglieder der AdM. Ein Grund für die Nacht- und Nebelaktion des Vorstandes der AdM ist der 2006 gescheiterte Versuch, schon einmal das Archiv nach Litauen zu verschieben. Diesmal hat man sich auch über die Archivordnung, die der Vorstand der AdM beschlossen hatte, hinweggesetzt. Im Übrigen hätte das Archiv in Deutschland bleiben können. Ich habe nach einigen Telefongesprächen mit dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg und dem Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen herausgefunden, dass diese jederzeit das Material abgeholt und auch archivarisch bearbeitet hätten. Eine schriftliche Bestätigung des Ostpreußischen Landesmuseums liegt mir vor. Spätestens als das Archiv von Oldenburg nach Rastede verlegt werden sollte, hätten die Verantwortlichen, also der Vorstand der AdM, sich um eine andere Lösung als die litauische bemühen müssen, zumal die Schwierigkeiten bei der Betreuung und Aufarbeitung des Archivs offensichtlich waren. Warum dies nicht geschah, ist rätselhaft. Jedenfalls ist die Auslieferung an Litauen von allen Möglichkeiten die schlechteste. Dabei bleiben noch viele Fragen offen: Sind die mündlichen Zusagen der Unterstützung durch die Stadt Memel und das litauische Kultusministerium in dem Dauerleihvertrag schriftlich aufgenommen und im einzelnen benannt worden, wie zusätzliche Mitarbeiter und/oder geldliche Zuwendungen und anderes mehr? Eine nur mündliche Zusage ist nicht bindend und muss bei einem personellen Wechsel nicht unbedingt eingehalten werden oder gerät einfach in Vergessenheit. Ist eine wahrheitsgemäße Übersetzung sichergestellt? Wer wird sie vornehmen? Ein Deutscher oder ein Litauer? Bei letzteren gehe ich davon aus, dass diese nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten werden. Doch niemand kann seine Zugehörigkeit zu seinem Volk aus seiner Gedankenwelt herausnehmen. So können indirekt bei Übersetzungen auch Verwerfungen ohne böse Absicht entstehen. Ich hoffe, dass meine Bedenken nicht eintreten werden und das Archiv in Memel in unserem Sinne aufgearbeitet und ins Internet gestellt wird. Harald Lankisch, Lüneburg Verständigungsgeist Ich danke für den wohltuenden Artikel, in dem von gleichberechtigten Partnern (diesmal Deutschland/Litauen) die Rede ist und auch besonders von der wahren gemeinsamen Geschichte. Möge dieser Verständigungsgeist auch in die Schulbücher Eingang finden. Dank auch für den deutsch-polnischen Freundschaftsartikel auf Seite 14. Dr. Helmut Wegener, Hannover Kein Verständnis für die
Memellandkreise Mir fehlt jegliches Verständnis für das Handeln der Memellandkreise. Schon vor Jahren hätte sich verboten, einen Teil unseres Heimaterbes nach Memel zu geben, dazu in ein Museum mit dem beziehungsreichen Namen „kleinlitauisches“. Heute nun den Rest in die fremdverwaltete Heimat zu tun, zeigt, dass man außer Sinnes ist. Eva Simoneit, deren Namen die Bibliothek trägt, in die unser Heimatgut gekommen ist, war zeitlebens eine Schriftstellerin, die im Gegensatz zu ihren Landsleuten stand und bei ihnen kein gutes Echo gefunden hat. Sie wird gefeiert als eine litauische Schriftstellerin, was im Grunde nur die halbe Wahrheit und noch weniger ist. Denn sie hat sich mit Litauen nie befasst. In ihrer Gedankenwelt blieb sie immer auf memelländischem Boden. Sie ist Jahrgang 1896, mithin in Ostpreußen geboren. Wannaggen ist ihre engere Heimat. In jungen Jahren hielt sie sich zu einem Genesungsaufenthalt in Angerburg am Mauersee auf. Selbst Goethe konnte sie zitieren. In einem Brief an jemanden schreibt sie: „Was Du ererbt von Deinen Vätern erwirb es, um es zu besitzen.“ Mit dem Zusatz: nach Goethe … Wenn man so will, auch hier ein Fehlstart. Außerdem scheint es gar nicht zu stimmen, dass niemand an unserem Heimatgut interessiert war. Beispiele wurden nicht angeführt. Wir sind ja in der Landsmannschaft Ostpreußen. Da sollte man sich mit ihr absprechen. Wir nehmen ja auch an ihren Treffen in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg teil. Eigene machen wir keine mehr (Ortsgemeinschaften haben ihren eigenen Charakter), weil wir vorbildlich für eine gelungene Integration sein wollen. Die Erlebnisgeneration nimmt ja überall gleichmäßig ab. Daran kann es nicht liegen. Was andere Kreisgemeinschaften fertigbringen, müsste und sollte auch uns gelingen. Die Internetgruppe Memelland wollte sich hierbei einbringen und hatte hierfür jede denkbare Hilfe angeboten. Mehr geht wohl nicht. Um die Wahrheit über unsere Heimat zu schreiben, brauchen die Litauer unser Archiv nicht. Sie kennen sie. Dennoch umgehen sie alles, was Wahrheit ist. Mit unserem Handeln bringen wir uns um die Ehre. Heute die Windrichtung, morgen eine andere. Es schaukelt. Wir bleiben draußen. Johann-Willy Matzpreiksch, Mannheim Nicht glücklich Die Übergabe des Archivs der Memelländer an die litauische Bibliothek in Memel – für die Litauer jetzt natürlich „Klaipeda“ – wird als großes Ereignis angesehen und gefeiert. Besteht dazu wirklich Anlass? Bereits 2007/08 wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise (AdM) der Versuch unternommen, das Archivgut nach Litauen zu verlagern. Damals gab es innerhalb der Leser des „Memeler Dampfbootes“ ein „Erdbeben“. Wenn die AdM ernsthaft gewollt hätte, hätte man in Deutschland in dieser Hinsicht eine Lösung gefunden. Meiner Information nach ist die Landsmannschaft Ostpreußen über diese Lösung alles andere als glücklich. Der redaktionelle Kommentar hat es letztlich auf den Punkt gebracht: a) Archivmaterial, das ins Ausland abgegeben wird, ist für alle Zeiten dem direkten Zugriff der Betroffenen entzogen. b) Weiterhin besteht die Gefahr, dass wertvolles Material verloren geht. Im Übrigen bezweifle ich entschieden, dass die Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes eine solche Praxis zulassen. Bernd Dauskardt, Hollenstedt |