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Gedanken zur Zeit: Der Vorstoß, Englisch zur Gerichtssprache in Deutschland zu machen, trifft nun endlich auf entscheidenden Widerstand. Kein Geringerer als der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH) äußerte nun Bedenken. Das kommt genau zur rechten Zeit, denn in knapp einer Woche soll angeblich der Gesetzesentwurf Hamburgs und Nordrhein-Westfalens im Bundesrat beraten werden. Der BGH wäre von einer Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unmittelbar betroffen. So soll Paragraph 184 GVG unter anderem mit dem Satz ergänzt werden: „Vor dem Bundesgerichtshof kann in internationalen Handelssachen das Verfahren in englischer Sprache geführt werden.“ „Es drohen Fehlurteile“ BGH-Präsident Klaus Tolksdorf ist davon überhaupt nicht angetan und warnt sogar vor Justizirrtum: „Es drohen Fehlurteile.“ Das sagte er nicht irgendwo, sondern auf dem Jahrespresseempfang des BGH in Karlsruhe am vergangenen Donnerstag. Mit der unmittelbaren Ansprache der Pressevertreter sicherte er sich die Verbreitung seines Standpunktes. Tolksdorf fragt: „Endet mit Englisch als Gerichtssprache die Sprachverwirrung wirklich oder fängt sie da erst an?“ Er erinnert die Englisch-Verfechter daran, daß Justiz von der Sprache lebe und also für eine Verhandlungsführung in Englisch ein besonderes Fachvokabular nötig sei, das längst nicht jeder Richterkollege besitze. Der Rechtsanwalt Herrmann Thalhofer hat kürzlich die Schwierigkeit deutlich umrissen: „Das amerikanische und das angelsächsische Recht unterscheiden sich inhaltlich ganz erheblich vom deutschen Recht mit der Folge, daß manche Rechtsbegriffe aus dem deutschen Recht diesen Rechtssystemen völlig fremd sind und hierfür in der englischen Sprache bereits der passende Wortschatz fehlt. Noch schwieriger wird es, wenn zwar die englische Sprache für den deutschen Begriff eine Übersetzung bereithält, der englische Begriff, da er aber im amerikanischen oder angelsächsischen Rechtssystem verwurzelt ist, dort eine ganz andere Bedeutung hat, als der damit korrespondierende deutsche Begriff.“ Deutsch: „Heimvorteil“ oder „Standortnachteil“? Thalhofer erkennt in der Initiative sogar eine „Klientelpolitik zugunsten amerikanischer oder angelsächsischer Großkanzleien sowie von ihnen unterwanderter deutscher Großkanzleien“. – Offenbar ist das ein Seitenhieb auf die Großkanzlei „Graf von Westphalen“, die hinter dem Vorhaben steckt, Englisch als Gerichtssprache in Deutschland zu etablieren. Eigentlich ist es erstaunlich, daß sich deutsche Finanzminister inmitten der Finanzkrise wieder von den Globalisierungsphrasen von gestern beeindrucken lassen. BGH-Präsident Tolksdorf bewahrt hingegen einen kühlen Kopf: „Ich warne vor allzu forschen Globalisierungs-Euphorien“. Er mahnt, den „Heimvorteil“ der deutschen Sprache nicht leichtfertig aufzugeben. Mit dieser Wortwahl könnte der Gegensatz zum Begleittext des Gesetzesentwurfes nicht größer sein. Dort heißt es zur Rechtfertigung gleich im zweiten Satz: „Der Gerichtsstandort Deutschland leidet … darunter, dass in § 184 GVG immer noch nur Deutsch als Gerichtssprache bestimmt ist.“ Die deutsche Sprache auf der Anklagebank: Einen besseren Verteidiger als den Präsidenten des Bundesgerichtshofs hätte sie nicht finden können. Thomas Paulwitz, Historiker und Sprachpfleger, wurde 1973 in Eichstätt geboren und studierte Biologie, Politik und Geschichte in Erlangen. Er ist Gründer der Zeitschrift “Deutsche Sprachwelt” und seither ihr Chefredakteur. 2006 erhielt er den Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalismus. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
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