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Heiligelinde.
(polnisch: Swieta Lipka, Kr. Rastenburg). Obwohl auf dem Boden
des Herzogtum Preußen gelegen und zum Kreis Rastenburg gehörig, ist Heiligelinde
wegen seiner Geschichte immer zum Ermland gerechnet worden. - Es ist anzunehmen, daß sich an
der Stelle der christlichen Wallfahrtsstätte Heiligelinde schon ein älteres,
preußisches
Baumheiligtum befand. Es gab deren noch mehr, wo man bis in die Neuzeit die
»Unterirdischen« verehrte. Wahrscheinlich enthält die Entstehungslegende von
der Befreiung der beim Litauereinfall 1311 verschleppten und an diesem Ort
befreiten Christen einen historischen Kern. 1482 wird eine Wallfahrtskapelle Heiligelinde
mit
einem Marienbild auf einem Lindenstumpf zum ersten Male erwähnt, doch geht die
Kapelle sicher schon in die 1. Hälfte des 14. Jh. zurück. Sie lag wie die ihr später
folgenden Neubauten in einem Talgrund zwischen Deinowo- und Wirbel-See am
Schnittpunkt der Landschaften Ermland, Barten und Masuren. Auch nach
Zerstörung der kleinen Kapelle im Verlaufe der Reformation 1524 hörten trotz aller
Verbote seitens der herzoglichen Behörden die Wallfahrten hierhin nicht auf. Daher
gelang es schließlich dein Sekretär des polnischen König Sigismund III., Stephan
Sadorski, 1617 das Gut Linde käuflich zu erwerben und eine neue Wallfahrtskapelle auf den alten Fundamenten in Form eines einfachen, rechteckigen
Saales mit geschwungenen Giebeln zu errichten. 1636 übertrug der Stifter das
Eigentumsrecht an Land und Gebäuden dem ermländischen Domkapitel, die
Seelsorge und das Nutznießungsrecht an den zur Kirche gehörigen Gütern den
Rößeler Jesuiten. Bei den zunehmenden Wallfahrten, deren
Teilnehmer aus dem
gesamten Altpreußen und weither aus Polen und Litauen zusammenströmten,
mußte man schon nach einigen Jahrzehnten an einen umfangreicheren Neubau der
Kirche von Heiligelinde denken. So entstand nach und nach 1687-1730 das noch heute
erhaltene Gotteshaus mit seinen Anbauten, das wegen seiner baulichen Gestaltung
und ausgezeichneten Lage am See vor dem bewaldeten Hintergrund die
großartigste Wallfahrtskirche Altpreußens ist. Baumeister Ertly aus Wilna
erbaute die Kirche in italisierendem Barock mit zweitürmiger, reich mit Statuen
verzierter Fassade; sie erhielt einen Kapellenumgang und reiche Innenausstattung. Zur Ausgestaltung der
Gottesdienste und Feiern gründeten die Jesuiten
1722 in Heiligelinde eine Musikschule und ein Freilichttheater. Für diese Bursa wurde
ein eigenes Gebäude errichtet, wie auch schon von Ertly ein an den Südflügel des
Umganges anstoßendes zweigeschossiges Priesterhaus errichtet worden war. Außer
der Betreuung der Pilger missionierten die Jesuiten von Heiligelinde aus die zerstreuten
Katholiken im protestantischen Altpreußen. Nach der Aufhebung des
Jesuitenordens gelang es dem ermländischen Bischof Josef v. Hohenzollern 1812 zu
verhindern, daß die Wallfahrtskirche in die Hand des Staates überging. Sie
wurde Pfarrkirche für den Ort Heiligelinde, der sich im Verlauf der Jahrhunderte
rings um sie
gebildet hatte. Im 19. Jh. nahmen die Wallfahrten einen neuen Aufschwung, wenn
sie auch nicht die des 17. und 18. Jh. erreichten. Für das Ermland
wichtig wurden die großen Kriegs- und Diözesanwallfahrten nach Heiligelinde in den letzten
Jahrzehnten, ebenso die Tatsache, daß
der Jesuitenorden in Anknüpfung an die alte Tradition seit 1930 die Betreuung
der Wallfahrtsstätte wieder übernahm.
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Quellen:
Foto:
www.ostpreussen-info.de;
Text: Handbuch der historischen Stätten Ost- und Westpreußen,
Kröner Verlag Stuttgart, 1966-1981, Seite 81-82 |
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