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Yorck vollendet die Wende
Der Neutralitätskonvention von Tauroggen folgte binnen weniger Wochen die Waffenbrüderschaft mit dem Ex-Gegner
von Manuel Ruoff

Ungeachtet der Westbindung der Bundesrepublik und der deutsch-französischen Freundschaft besteht heutzutage in Deutschland doch ein breiter Konsens in der positiven Beurteilung der am 30. Dezember 1812 abgeschlossenen preußisch-russischen Konvention von Tauroggen, mit der Yorck die Teilnahme des von ihm geführten preußischen Kontingents der Grande Armée an Napoleons Rußlandfeldzug beendete und seine Truppen in die Neutralität führte. Preußens damaliger König Friedrich Wilhelm III. zeigte sich nach der Unterrichtung über die Konvention allerdings alles andere als begeistert. Er befahl Yorcks Mitarbeiter Kleist, Yorck zu verhaften und selber das Kommando über das Hilfskorps zu übernehmen.

Hohenzollernfreundliche Kreise haben später versucht, den Eindruck zu erwecken, als wenn Friedrich Wilhelm nur böse Miene zum guten Spiel gemacht habe, also nur so getan habe, als wenn er die Konvention von Tauroggen verurteilt habe, weil er im französisch besetzten Berlin nicht frei habe agieren können. Es ist allerdings zu fürchten, daß das zuviel der Ehre für den König ist. Vielmehr scheint sich hier einmal mehr Friedrich Wilhelms Unfähigkeit zu zeigen, veränderte Situationen zeitnah zu erfassen (und entsprechend zu handeln). Erst hatte er nicht erkannt, daß er im Kampf gegen den napoleonischen Imperialismus nicht neutral bleiben konnte. Zu Zeiten des Vierten Koalitionskrieges von 1806/1807 hatte er nicht erkannt, daß man sich nicht allein gegen Napoleon stellen konnte. Zu Zeiten der Konvention von Tauroggen hat er nicht erkannt, daß man zusammen mit den Russen Preußen befreien konnte. Und auf dem Wiener Kongreß von 1814/15 hat er nicht erkannt, daß er sein Hauptziel Sachsen nur erreichen konnte, wenn er die Bande zu Rußland löste. Zur Relativierung dieser Kritik sei aber der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß auch Friedrich Wilhelms Staatskanzler Hardenberg von Yorcks Konvention wenig beglückt war. Von ihm stammt das Wort: „Die Hauptsache ist, nicht zu früh gegen Frankreich kompromittiert zu werden, der General Yorck hat dem Faß den Boden ausgeschlagen.

Zu Preußens Glück erreichte die königliche Entscheidung, Yorck durch Kleist zu ersetzen, das preußische Hilfskorps nur indirekt, und zum Glück waren sich Yorck und Kleist einig, wie mit der Situation zu verfahren sei, so daß ein Machtkampf oder gar ein Bürgerkrieg innerhalb des Korps den Preußen erspart blieb.

Das Hilfskorps war nach dem Abschluß der Konvention von Tauroggen von den Russen in Ostpreußen eingeschlossen worden, so daß der königliche Bote mit dem Absetzungsbefehl durch die russischen Linien mußte. Zum Glück waren die Russen geistesgegenwärtig genug, den Boten nicht durchzulassen, als sie von diesem erfuhren, welchen Befehl er dem Hilfskorps überbringen sollte. Naheliegenderweise hatten die Russen ein Interesse daran, daß Yorck, mit dem sie die Konvention von Tauroggen geschlossen hatten, die Kommandogewalt behielt.

Auf indirektem Wege erfuhren jedoch Yorck und Kleist von dem Befehl des Königs. Nicht zuletzt durch die „Berlinischen Nachrichten“ vom 19. Januar 1813, die fünf Tage später auch in Königsberg zu lesen waren. Wie Yorck im Einverständnis mit Kleist hierauf reagierte, veröffentlichte er am 28. Januar in der „Königsberger Zeitung“ mit einer Erklärung:

Nach einem Artikel in einigen Exemplaren der Berliner Zeitung vom 19. d. M. soll der Major und Flügel-Adjutat v. Natzmer an den Herrn General-Major v. Kleist abgeschickt worden sein, um ihm den Befehl zu überbringen, mir das Commando des Königlichen Armeecorps in Preußen ab- und dagegen es selbst zu übernehmen. … Der Herr v. Natzmer ist jedoch weder zu dem Herrn General-Major v. Kleist noch zu mir gekommen, und ich werde daher auch um so unbedenklicher fortfahren, das General-Commando des Corps und die anderen Functionen nach den Bestimmungen der Cabinetsordre vom 20. Decbr. v. J. ferner auszuüben, als im preußischen Staate eine Zeitung bekanntlich kein officielles Staatsblatt ist, und bis jetzt noch kein General seine Verhaltungsbefehle durch die Zeitungen erhalten hat. Um jede Irrung zu verhüten, habe ich für nöthig erachtet, diese Erklärung öffentlich bekannt zu machen.

Doch nicht nur die Reaktion des Königs war für Yorck eine unangenehme Überraschung, sondern auch der weitere Kriegsverlauf, wobei es zwischen beiden wenigstens teilweise einen Zusammenhang gab. Trotz des Yorck am 29. Dezember 1812 mitgeteilten russischen Vorhabens, den von Macdonald befehligten Nordflügel der Grande Armée im Raum zwischen Tilsit und Königsberg einzukreisen, gelang dem französischen Marschall mit seinen Truppen der Rückzug hinter die Weichsel nach Danzig. Die russische Offensive erlahmte. Die Ursache lag teilweise im Verhalten des Preußenkönigs. Warum sollten die Russen mit Verve die Befreiung Preußens betreiben, wenn dessen König sie weiterhin als Kriegsgegner behandelte? Ihr eigenes Land, Rußland, war ja schließlich befreit. Yorck sah die Gefahr, daß die Franzosen sich im Raum zwischen Weichsel und Oder mit massiven Kräften festsetzten, dort ihre Herrschaft konsolidierten, die russische Offensive zum Stoppen brachten, die Russen sich mit der Eroberung Ostpreußens begnügten und die Weichsel zur einvernehmlichen neuen Grenze der Herrschaftsbereiche der Russen und der Franzosen wurde.

Yorck versuchte, das zu verhindern, indem er der russischen Offensive neuen Schwung gab. Hierzu griff er nun – über die Konvention von Tauroggen hinausgehend – mit seinen Truppen auf Seiten der Russen in die Kämpfe ein. Am 21. Januar 1813 erteilte er seinem Korps den Befehl, zur Deckung und Unterstützung der Russen Richtung Westen auf Elbing und Marienburg vorzurücken. Damit kämpften erstmals in diesem Kriege reguläre preußische Truppen auf Seiten Rußlands.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausgabe 02/08, 12.01.2008

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