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Nie eroberte Touristenattraktion Vor 250 Jahren endete mit dem Frieden von Hubertusburg der letzte der Schlesischen Kriege. Sein wichtigstes Ergebnis war, dass Österreich die Provinz, nach denen die drei Kriege benannt sind, endgültig an Preußen abtrat. Friedrich der Große sicherte seine Neuerwerbung unter anderem mit einer Gebirgsfestung: Silberberg. Der Festungsbau gilt mit seinem gewaltigen Donjon nicht nur als der größte in Europa, sondern mittlerweile auch als meistbesuchte touristische Attraktion des Eulengebirges. Als nach der Doppelniederlage von Jena und Auerstedt im Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 der Defätismus in Preußen um sich griff, war es neben den Festungen Kolberg in Pommern und Graudenz in Westpreußen noch eine kleine schlesische Gebirgsfestung, die bis Kriegsende sehr tapfer den Truppen Napoleons und seiner deutschen Verbündeten Widerstand leistete: Silberberg. Während die kleine Stadt Silberberg nebst ihren Bewohnern in die Hände des Feindes fiel und namentlich von bayerischen Truppen verheert, ausgeraubt und ausgebrannt wurde, gelang es der Besatzung der Festung unter dem Kommando von Oberst von Schwerin und seinem Stellvertreter Major von Massow, die noch kurz vor Kriegsende erfolgenden, ungemein erbitterten Anstürme des Gegners abzuwehren. Dieses war die erste und zugleich letzte militärische Bewährungsprobe jener kleinen Passfestung im Eulengebirge, die Friedrich der Große einst zur Sicherung des eroberten Schlesien gegenüber dem habsburgischen Böhmen hatte anlegen lassen. Der Ort, welcher der Festung seinen Namen gibt, verdankt seinerseits seinen Namen und seine Entstehung dem mittelalterlichen Silbererzabbau. 1536 erhielt die kleine Siedlung das Stadtrecht, doch bis heute blieb es nur ein kleines Bergstädtchen. Der Bau der benachbarten Festung stand in enger Beziehung zu einem 550 Kilometer langen Festungsgürtel, den Friedrich der Große zur Sicherung der Oderlinie anlegen ließ. Beginnend mit der Festung Kosel in Oberschlesien zog sich eine Kette von Festungen über Brieg, Breslau, Glogau und Küstrin bis Stettin an die Ostsee hin. Speziell dem Schutz von Schlesien gegenüber Österreich diente ein weiterer kleiner Festungsgürtel an der Südgrenze der Provinz, zu dem die Festungen Schweidnitz, Glatz und Neiße gehörten. Verwundbar war dieser kleine Festungsgürtel jedoch durch den tiefeingeschnittenen Gebirgspass im Eulengebirge, der von Silberberg nach dem benachbarten Böhmen führt. Diese für sie schmerzliche Feststellung mussten die Preußen im Siebenjährigen Krieg machen. Deshalb ließ Friedrich der Große dort ab 1765 eine zusätzliche kleine, aber für damalige Zeiten starke Passfestung anlegen. Allein durch ihre Existenz verhinderte die Festung Silberberg bis zu ihrer Auflassung im Jahre 1860 die Benutzung jenes Grenzpasses durch feindliche Truppen zum Schaden Preußens. Nach dem Frieden von Hubertusburg vom 15. Februar 1763, der den Siebenjährigen Krieg beendete und Preußen im Besitze Schlesiens bestätigt hatte, begann Friedrich der Große noch im selben Jahr mit den Vorbereitungen für den Bau der Festung Silberberg. Ihm schwebte eine „Maison Forte“, eine Hochburg nach piemontischem Vorbild vor. Folgerichtig ließ er einen ersten Festungsentwurf durch einen aus Piemont stammenden Ingenieur-Offizier anfertigen. Der Entwurf von Franz Ignatz Pinto, so der Name des Offiziers, überzeugte Friedrich jedoch überhaupt nicht. Angeblich entsprach der Entwurf des Norditalieners zu wenig den lokalen Voraussetzungen. So erhielt Ludwig Wilhelm Regeler seine Chance. Friedrich hatte den aus Altlandsberg bei Berlin stammenden preußischen Offizier bereits mit der topografischen Aufnahme der Grafschaft Glatz beauftragt. Das von diesem vorgelegte Festungsprojekt gefiel dem Monarchen wesentlich besser als das des Italieners. Friedrich übertrug deshalb seinem bürgerlichen Offizier, der schließlich zum Generalmajor und im Jahr 1787 sogar zum Chef des gesamten preußischen Ingenieurkorps aufsteigen sollte, die Leitung der praktischen Bauarbeiten an der Festung Silberberg. Regeler leitete von Mai 1765 bis zum Jahr 1777 die gesamten Befestigungsbauarbeiten und der König überzeugte sich bei jährlichen Kontrollbesuchen persönlich vom Fortgang. Im Zentrum der Festung entstand ein riesiges gemauertes Befestigungswerk, „Donjon“ genannt, umgeben von sieben Bastionen. Zur Festung gehörten außerdem noch Kasernen für die Besatzung und Artilleriestellungen. Insgesamt war die Festungsumwallung 3000 Meter lang. Um die 4.000 Arbeitskräfte waren mit dem Festungsbau beschäftigt. Insgesamt kam der Festungsbau den Fiskus mit 1,6 Millionen Taler zu stehen. Der Bau war eine logistische Herausforderung. Da die in Schlesien verfügbaren Steinbrecher, Steinmetze und Bergleute nicht ausreichten, warb man entsprechende Spezialisten in der Pfalz, Nassau und Trier an und man beschäftigte sogar 600 Maurer aus dem benachbarten Böhmen. Aus der ganzen Gegend wurden die Bauern gegen Vergütung zu Materialfuhren verpflichtet. Die Bruchsteine für die Festungswälle wurden beim Aussprengen der Festungsgräben und das zahlreiche Bauholz aus den umliegenden Forsten gewonnen. Eine an Ort und Stelle errichtete königliche Ziegelei lieferte die in großer Anzahl benötigten Ziegelsteine. Rote und weiße Quadersteine, die zur Einfassung von Mauerecken, Fenstern und Türen dienten, gewann man in den Steinbrüchen von Rothwaltersdorf und Wünschelburg in der Grafschaft Glatz, während das benötigte Armierungseisen sowie das Kupfer und das Blei für die Entwässerungsleitungen aus Oberschlesien beziehungsweise Breslau kamen. Zu Beginn der Befreiungskämpfe gegen Napoleon 1813 diente die Festung als Sammelplatz von Kriegsmaterial und als Aufstellungsort preußischer Artilleriekompanien. Dort saß zu dieser Zeit der britische Reiseschriftsteller Robert Semple ein, den man zu Unrecht als französischen Spion verdächtigte. Literarischen Ruhm gewann die Festung Silberberg jedoch nicht durch diesen Briten, sondern durch Fritz Reuter. In seinem Buch „Ut mine Festungstid“ beschrieb der deutsche Dichter seine durchaus nicht lustige Festungshaft als politischer Gefangener auf preußischen Festungen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Durch schnelle Fortschritte bei der Entwicklung der schweren Artillerie verlor die kleine Festung gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend an militärischem Wert. 1860 wurde sie aus Kostengründen als militärisches Objekt aufgegeben. In den Jahren nach 1860 nahm die preußische schwere Artillerie verschiedene Übungs- und Erprobungsschießen auf die nunmehr nutzlosen Silberberger Befestigungsanlagen vor, die nach der fachmännischen Ansicht des preußischen Artilleriegenerals von Müller im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 bei der vielfachen Belagerung französischer Festungen der eigenen Artillerie zugutekamen. Abgesehen vom Zweiten Weltkrieg, in dem die Festung für die Unterbringung militärischer Gefangener genutzt wurde, trat an die Stelle einer militärischen die Nutzung als Sehenswürdigkeit für den Fremdenverkehr in der ansonsten eher strukturschwachen Region. Die heute noch ansehnlichen Reste der Festung Silberberg können denn auch gegen einen kleinen Obolus besichtigt werden.
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