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»Mehr Mut zur klaren Meinung«
Weihbischof Pieschl über die Sache der Vertriebenen,
die Kirchensteuer und das Erbe Preußens

Weihbischof Gerhard Pieschl war über viele Jahre der Beauftragte der Katholischen Bischofskonferenz für die Vertriebenenseelsorge. So deutlich hat er für die Vertriebenen Stellung bezogen, dass sogar der frühere Kanzler Helmut Kohl (nicht ohne Respekt) gelegentlich über ihn stöhnte. Anlässlich seiner Verabschiedung hat die Preußische Allgemeine Zeitung den Sudetendeutschen interviewt.

PAZ: Exzellenz, im Januar haben Sie Ihr 75. Lebensjahr vollendet, nun hat die Bischofskonferenz Sie als „Vertriebenenbischof“ verabschiedet. Wie geht es weiter mit der Seelsorge an den Vertriebenen?

Gerhard Pieschl: Laut Kirchenrecht bieten Bischöfe mit Erreichen des 75. Lebensjahres dem Papst ihren Rücktritt an, so war es auch in meinem Fall. Die deutsche Bischofskonferenz hat auf ihrer Herbstversammlung in der vergangenen Woche mit dem Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke einen Nachfolger als Beauftragten für die Vertriebenenseelsorge bestellt. Ihr ist also daran gelegen, dass diese Aufgabe ebenso weitergeführt wird wie die Arbeit der Visitatoren für die ehemaligen ost- und sudetendeutschen Diözesen.

PAZ: Ist das Thema mit dem Abtreten der Erlebnisgeneration erledigt – seelsorgerlich und vielleicht auch sonst?

Pieschl: Das ist damit in keiner Weise erledigt! Denken Sie nur an das Schicksal der Armenier, das heute, über 90 Jahre nach ihrer Verschleppung im Jahre 1915 immer noch nicht abgeschlossen ist. In gewisser Weise kam dieses Thema ja in den zurückliegenden Jahren, also nach dem Abtreten der letzten Zeitzeugen, sogar erst richtig an die Oberfläche. Man kann also schon mit Abraham Lincoln sagen: Nichts ist endgültig geregelt, solange es nicht gerecht geregelt ist. Und das gilt meiner Überzeugung nach auch für die Anliegen der deutschen Vertriebenen.

PAZ: Wie bewerten Sie den Stand der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Debatte – generell und was die Belange der Vertriebenen angeht?

Pieschl: Dass diese Debatte noch keineswegs abgeschlossen ist, das sagen nicht nur die betroffenen Vertriebenen. In einem aktuellen Interview hat der tschechische Kardinal Miroslav Vlk angesichts aktueller Probleme seines Landes betont, dass wir aus seiner Sicht sogar eher am Anfang dieser Debatte stehen. Sicher ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Kirchen aufzuarbeiten. Der damalige Papst Pius XII. hat mit seinem klaren Protest gegen die Vertreibung eine, wie ich meine, sehr gute Rolle gespielt, was man von den Kardinälen Hlond und Beran so nicht sagen kann.

PAZ: Wollen wir hoffen, dass Hlond nicht heiliggesprochen wird ...

Pieschl: Hlond war ein großer polnischer Patriot, aber eben kein Heiliger der katholischen Kirche. Beran wiederum nannte die Vertreibung „gerechtfertigt“, was mit der Sittenlehre der Kirche ebenfalls nicht zu vereinbaren ist. Er hatte ein schweres persönliches Schicksal, was man berücksichtigen muss, das ändert aber nichts daran, dass er hier falsch lag.

PAZ: Ein wichtiges Thema der Bischofskonferenz war die Frage, ob man aus der Kirche als diesseitiger Institution („Körperschaft des öffentlichen Rechts“) austreten kann, aber weiterhin Mitglied der Glaubensgemeinschaft, also des mystischen Leibes Christi, bleiben kann. Geht das?

Pieschl: Das geht in keiner Weise! Die Kirche hat eine sichtbar-diesseitige Dimension und eine unsichtbar-transzendente. Nach katholischer Auffassung sind beide untrennbar miteinander verbunden. Die sichtbare Seite steht in den Notwendigkeiten dieser Welt und kommt ohne eine wirtschaftliche Grundlage nicht aus. Man kann es also nicht trennen.

PAZ: Benedikt XVI. hat, als er noch Kardinal war, viele Sympathien für das italienische Modell der Kirchenfinanzierung erkennen lassen: Es gibt eine allgemeines Kultussteuer, aber dem Bürger bleibt die Wahl, ob er diese eher der Kirche oder aber anderen kulturellen Aufgaben, wie beispielweise der Denkmalpflege, zuweisen möchte. Wie bewerten Sie diesen Weg?

Pieschl: Es gibt ganz unterschiedliche Modelle, etwa in Frankreich, Italien und Deutschland, die unter verschiedenen Bedingungen historisch gewachsen sind. Dass im Elsass innerhalb Frankreichs immer noch ein Modell gilt, das teilweise dem deutschen entspricht, zeigt, dass man diese Dinge nicht so einfach ganz verändern kann. Der Kirche geht es keineswegs um Reichtümer, sondern um die Sicherung ihrer Unabhängigkeit. Es gibt die historisch begründete Sorge, die Kirche könnte abhängig werde beispielsweise von Wohltätern, Grundbesitzern oder gar von weltlichen Machthabern. Dagegen ist die Kirchensteuer ein Schutz.

PAZ: Ein weiteres aktuelles Thema für die katholische Kirche in Deutschland ist der Dialog mit der Piusbruderschaft. Bischof Gerhard Ludwig Müller spricht von „theologischem Nachhilfeunterricht“, die Bruderschaft redet selbstbewusst von „Verhandlungen“. Was erwarten Sie von den Gesprächen?

Pieschl: Die Einschätzung Bischof Müllers teile ich! Die katholische Kirche hat ihre Identität seit jeher behalten und die Piusbruderschaft ist keine eigenständige Organisation, die von gleich zu gleich mit Kirche und Papst verhandeln könnte. Es gibt da Dinge zu regeln und zu klären, aber es gibt nichts zu verhandeln.

PAZ: Die Piusbruderschaft rechnet vor, dass sie in diesem Jahr etwa 30 Neupriester weihen wird, die gesamte deutsche katholische Kirche hingegen nur etwas über 90. Demnach wäre der Klerus in einer Generation ganz anders zusammengesetzt als heute …

Pieschl: Allein der deutsche Vergleich besagt in diesem Zusammenhang sehr wenig. Die katholische Kirche ist nun einmal eine Weltkirche und im globalen Maßstab sehen die Dinge ganz anders aus. Wie diese Herren sich verhalten, verstehe ich nicht, vielleicht sind sie noch im Trotzalter?

PAZ: In den zurückliegenden Monaten haben mehrere öffentlich-rechtliche Sender, darunter NDR und ZDF, in einer Tonlage, die der Hetze nahe kam, über christliche Mission berichtet. Können das im schlimmsten Fall die ersten Vorboten einer Christenverfolgung in Deutschland sein?

Pieschl: Ich kenne diese Sendungen nur aus Zeitungsberichten. Anlass waren ja die Entführungen und Morde im Jemen, damit sind wir beim großen Thema Religionsfreiheit. Die ist für Christen klar und für Muslime eben nicht. Der christliche Glaube drängt seinem Wesen nach zur Weitergabe und damit zur Mission. Das zu kritisieren ist immer schlecht, eine Parallele zwischen christlichen Missionaren und islamischen Selbstmordattentätern ist unerträglich. Der negative Beiklang des Wortes Mission ist nicht gerechtfertigt, denn dem Angesprochenen bleibt völlig frei, ob er sich die Botschaft zu Eigen machen will oder nicht. Wenn das in diesen Sendungen anders dargestellt wurde, muss man klar widersprechen. Einen Vorboten einer Christenverfolgung sehe ich darin dennoch nicht.

PAZ: Sie gelten als temperamentvoll und volksnah und sind wegen ihrer klaren Sprache beliebt. Womit wollen Sie den Lesern der Preußischen Allgemeinen Zeitung Mut machen?

Pieschl: Ich möchte Ihren Lesern und auch Ihrer Zeitung Mut machen, indem ich sie an all das Positive erinnere, was mit Preußen verbunden ist! Preußen musste nach 1945 herhalten für alles, was in der deutschen Geschichte schiefgelaufen war, aber zu Unrecht. Das Erbe Preußens sind vor allem die preußischen Tugenden und die sollten eingebracht werden in das „Gesamt“ des deutschen Volkes, das in seinen Stämmen fortbesteht. Ihre Zeitung sollte ihren Lesern Mut machen, auch weiterhin preußisch zu denken und sich entsprechend zu engagieren. Preußen ist ja als Idee nicht untergegangen, nur weil die Sieger von 1945 den preußischen Staat aufgelöst haben. Die katholische Kirche nutzt ja bis heute das Preußische Konkordat. Preußen ist nicht einfach Militarismus. Das Gute sollte gesehen werden und weiterleben. Vor allem den Mut zur klaren Meinung und die Wahrhaftigkeit brauchen wir heute besonders.

Die Fragen stellte Konrad Badenheuer.

Quellen:
Foto: www.junge-aktion.de/typo3temp/pics/Weihbischof_Gerhard_Pieschl...;
Text: Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt 40/09, 03.10.2009

 

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weitere Informationen:
20 Jahren deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag - Viele Erwartungen haben sich nicht erfüllt
http://agmo.de/aktuelles/mitteilungen/90-20-jahren-deutsch-polnischer-nachbarschaftsvertrag...;


Weihbischof Pieschl über die Haltung der katholischen Kirche
zur Vertreibung der Deutschen
Quelle: Ostpreußen-TV - Ostpreußischer Rundfunk - www.youtube.com/watch?v=7zSDxIqSSsY
 
weitere Informationen:
»Mehr Mut zur klaren Meinung« Weihbischof Pieschl über die Sache der Vertriebenen;
Chance vertan: Papst Johannes Paul II.;
Mit Lug und Trug vertrieb er Amtsbrüder;
"Ostpreußische Blutzeugen und Gewaltopfer in der Zeit von 1933-1945"
www.ostpreussen-nrw.de/Zeitgeschichte/Ostpreussische-Blutzeugen.htm

Die katholische Kirche Polens und die Rolle des Primas Hlond
 bei der Vertreibung der Deutschen
Quelle: Ostpreußen-TV - www.youtube.com/watch?v=O-Nbw4hmysY - 05.09.2018

Ostpreußen-TV - Ostpreußischer Rundfunk - Mediathek - Preussen-Mediathek

 

 

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