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Heinz-Hermann
Rottmann mit einer Liste von Exponaten,
die er demnächst nach Gusev transportieren wird.
Hier sind einige alte Ansichten jener Stadt zu erkennen, die zu deutschen
Zeiten Gumbinnen hieß |
Alte Ware, neue Herausforderung
Warum die nächste Fahrt nach Russland für Heinz-Hermann Rottmann etwas ganz
Besonderes ist
Von Meiko Haselhorst
Hiddenhausen. Wie oft er jetzt schon in Russland war, kann er nicht sagen.
Seit den frühen 90ern fährt er mehrmals jährlich in die Gegend um Kaliningrad,
um Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen mit Sachspenden zu
beliefern. Diesmal hat er eine andere Fracht an Bord: Rund 1.000 Kilogramm an
Dokumenten und Gegenständen, die ostpreußische Flüchtlinge einst von Gumbinnen
nach Bielefeld retteten – und die bislang in Kellerräumen der Stadt
schlummern.
"Dort ist jetzt kein Platz mehr", sagt Heinz-Hermann Rottmann. Daher habe der
Bielefelder Verein "Kreisgemeinschaft Gumbinnen" vor geraumer Zeit beschlossen,
das komplette Material wieder dorthin bringen zu lassen, wo es hingehört: Ins
Museum für Stadtgeschichte nach Gusev, damals Gumbinnen. Und wer bot sich für
den Transport besser an, als Heinz-Hermann Rottmann, der mittlerweile seit
Jahrzehnten mit russischen Behörden und dem Zoll zu tun hat?
Als die Vereinsmitglieder vor einiger Zeit an ihn
herantraten, war in Rottmann sofort der Ehrgeiz geweckt: "Das ist doch noch mal
eine echte Herausforderung – da ist sicher noch die ein oder andere
bürokratische Hürde zu nehmen", sagt der Hiddenhauser. Und die Vorfreude ist
ihm anzusehen. Als sein Freund Willi Banze von dem Unterfangen hörte, unkte
er: "Junge, wenn Du Dich da mal nicht übernimmst."
Doch Rottmann ist nicht der Typ, der sich von so
etwas ausbremsen ließe. Im Gegenteil: Wenn er sich Ende Oktober – wie immer als
Vertreter der Kirchengemeinde Eilshausen – auf den Weg nach Russland macht, wird
Freund Willi Banze als Beifahrer neben ihm sitzen und auf die Landkarte gucken.
Sind Zoll und Grenze erst überwunden, wird die Sache zum Selbstläufer. "In
Russland renne ich damit offene Türen ein", sagt Rottmann. Die Museumsdirektorin
sei – gelinde formuliert – "sehr, sehr interessiert". Bislang seien dort kaum
Gegenstände aus der Zeit der Deutschen vorhanden. "Und wenn da jetzt etwas
kommt, wertet das das Museum natürlich unheimlich auf. Immerhin ist das ein ganz
wichtiges Stück Stadtgeschichte", sagt der Rentner .
In der einen Tonne Gepäck, die sich im Lkw auf mehreren Metern Ladefläche
verteilen werden, befinden sich nicht nur Vitrinen mit Bildern und
Schriftstücken, sondern auch Exponate wie Mützen, Stadtpläne, Figuren,
Ortsschilder und hölzerne Miniatur-Nachbildungen von einstmals wichtigen
Gebäuden und Brücken der Stadt Gumbinnen. Prunkstück der umfangreichen Sammlung
ist ein Modell der kompletten Stadt.
"Wäre doch eine tolle Sache, wenn das hinhauen würde", sagt Rottmann. Ist da
etwa ein Hauch von Zweifel herauszuhören? Ach was – wenn alle Stricke reißen,
greift sicherlich wieder die alte Rottmann’sche Weisheit: "Man muss einen
kennen, der einen kennt." Und wer Rottmann kennt, der weiß: Er kennt einen, der
einen kennt.
Gumbinnen und die Kreisgemeinschaft
Die ehemalige ostpreußische Kleinstadt Gumbinnen
heißt heute Gusev und liegt im Oblast Kaliningrad, einer russischen Exklave
zwischen Polen und Litauen an der Ostsee.
Gusev liegt in der Nähe der Oblast-Hauptstadt, die heute ebenfalls Kaliningrad
heißt, zu ostpreußischen Zeiten noch Königsberg.
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs kamen zahlreiche ostpreußische
Flüchtlinge ins Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und ließen sich
unter anderem auch in Bielefeld nieder.
Flüchtlinge gründeten zunächst in Hamburg-Altona den Verein "Kreisgemeinschaft
Gumbinnen", seit 1970 ist er im Vereinsregister in Bielefeld eingetragen.
Heinz-Hermann Rottmann hat auch schon vor seiner jetzigen Fahrt mit dem Verein
zusammen gearbeitet.
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