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Blick in die
inzwischen aufgelöste Johannisburger Heimatstube in Flensburg |
Heimatvertriebene am Ende?
Heimatmuseen
stehen vor dem Zerfall
Der
Zerfall der Vertriebenenorganisationen jenseits von Bayern ist unübersehbar geworden.
Immer mehr Patenschaften deutscher Städte über historisch-ostdeutsche Kreise und
Städte in den Vertreibungsgebieten werden stillgelegt. So hat die Region Hannover
die Patenschaft für den ostpreußischen Kreis Heiligenbeil, den schlesischen Kreis
Löwenberg und den
ostbrandenburgischen Kreis Arnswalde bereits am 3.11.2009 offiziell aufgekündigt.
Andere Kommunen legen die Patenschaften schleichend auf Eis und kündigen die unentgeltlichen
Räumlichkeiten für die Heimatmuseen auf oder setzen die Position „Patenschaft“ im
kommunalen Haushalt auf Null.
Versickern Archivalien
ostpreußischer Kommunen in Ostmitteleuropa?
Die Hintergründe liegen zum Teil auf der Hand: Viele
Vertriebenenorganisationen sind überaltert, wirken kraftlos und sind bar ernstzunehmender
Gesprächspartner für die Politik. Der EU-Beitritt Polens und anderer Staaten hat
zudem neue Realitäten geschaffen: Freizügigkeit und freier Kapitalverkehr. Wer zurück
will, der kann auch - auch wenn es nicht mehr jenes heimatlich-heimelige Umfeld
ist, das man einst verlassen hatte.
Die auf Eis gelegten Patenschaften für Heimatkreise
lassen hilflose Organisationen zurück. Das hat Folgen. Die
Heimatstube für das ostpreußische Johannisburg musste bereits 2008 das Schleswig-Flensburger
Kreishaus verlassen. Auch andere Kreisgemeinschaften kämpfen um den Erhalt ihrer
Räume. Und so stehen gleich ganze
Museen ostdeutscher Heimatkreisgemeinschaften vor der Auflösung. Das Bundesinstitut
für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa hat sich der Sache bereits
angenommen und erstellt ein Gesamtverzeichnis der Heimatsammlungen.
Die Dramatik der Situation belegt ein
aktueller Beschluss
der Landsmannschaft Ostpreußen vom November 2011, nach dem die Sammlungen nicht
an die Verwaltung der heute polnischen, russischen oder litauischen Gebietskörperschaften
übergeben werden sollen. Hintergrund für den Beschluss ist die Verlegung zweier
Heimatsammlungen ins Ausland.
So wurde die Johannisburger
Heimatstube an den heute polnischen Kreis Pisz übergeben. Auch das
Archiv der Memellandkreise wurde nach Klaipeda verlegt. Wie und mit welcher
Verbindlichkeit dort mit den Sammlungen verfahren wird, ist nicht bekannt. Im schlechtesten
Fall ist mit der Zerschlagung und dem Verkauf der Sammlungen zu rechnen. Damit wäre
das Wissen faktisch vernichtet.
Erfolgreiches
Wirken findet Respekt selbst bei der politischen Linken
Natürlich gilt der Auflösungsprozess nicht für alle
Vertriebenen-Heimatkreise. Das Museum der
Kreisgemeinschaft Preußisch
Holland in Itzehoe nimmt jährlich an Bedeutung zu. Erst im Jahr 2011 wurden
neue Hinweisschilder von der Itzehoer Stadtverwaltung zu dem in einem Adels-Stadtpalais
untergebrachten Preußisch Holländer Museum aufgestellt. Das Palais gehört den Vertriebenen,
die regelmäßig wissenschaftliche Abhandlungen zur Kreisgeschichte publizieren, sich
an Kulturveranstaltungen der Stadt beteiligen und zwei selbständige Kommunalpartnerschaften
mit dem polnischen Landkreis Elbing (Elblag) und der Stadt Preußisch Holland (Paslek)
pflegen.
Lesungen Arno Surminskis (Jokehnen oder Wie lange
fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?, 1974), die Präsentation gefragter Wanderausstellungen
oder Förderabende mit Wilhelm von Boddien zum Wiederaufbau des Berliner
Schlosses haben den Preußisch Holländern einigen Respekt in der
schleswig-holsteinischen und polnischen Kommunal- und Landespolitik eingebracht.
Selbst Sozialdemokraten und Grüne zollen den Vertriebenen angesichts solchen
Wirkens Respekt. ...
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