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Kulturerbe vor dem Untergang In Masuren existiert noch einer der letzten weitestgehend erhaltenen ehemaligen ostpreußischen Herrensitze. Doch der bauliche Zustand der Anlage ist so schlecht, dass höchste Eile geboten ist, will man dieses Kulturerbe noch vor dem Untergang retten. Die Rede ist von der historischen Schlossanlage Steinort (Sztynort), deren letzter Herr Heinrich Graf Lehndorff zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 gehörte. Nachdem die in Görlitz ansässige Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz, die ihre Tätigkeit im Frühjahr 2007 aufnahm, bereits im November vergangenen Jahres polnische und deutsche Historiker, Architekten und Denkmalpfleger in einem von ihr zusammen mit der Kulturgemeinschaft Borussia in Allenstein veranstalteten Symposium zur Rettung von Schloss Steinort zusammengebracht hat, gibt es für das schützenswerte Denkmal wieder Hoffnung. War bei dem Symposium die Aufmerksamkeit für Schloss Steinort, das etwa anderthalb Autostunden nordöstlich von Allenstein und unweit von Hitlers Wolfsschanze liegt, vor allem auf regionaler Ebene schon groß, erfuhr das Interesse bei einer Gedenkfeier zu Ehren Heinrich Graff von Lehndorffs, der 2009 100 Jahre alt geworden wäre, nochmals eine Steigerung. Unter den rund 150 deutschen und polnischen Gästen waren auch die vier Töchter Heinrich von Lehndorffs, die aus gegebenem Anlass vor dem Schloss einen Gedenkstein zu Ehren ihres so jung aus dem Leben geschiedenen Vaters enthüllten. Der offizielle Vertreter der polnischen Regierung, Vize-Woiwode Jan Mascianica, betonte in seinem Grußwort, er sehe in dem von Lehndorff erbrachten Opfer und dem Leid, das damit über seine Familie gekommen ist, eine mutige Tat und ihre Folgen verbänden die Polen und Deutsche im vereinigten Europa verbinde. Der ehemalige polnische Botschafter Janusz Reiter brachte seine große Bewunderung für Heinrich Graf Lehndorff zum Ausdruck, dass dieser aus voller innerer Überzeugung gegen Hitler gehandelt habe. Für Vera Gräfin von Lehndorff steht der Gedenkstein zur Erinnerung an ihren Vater symbolisch als Ansporn, den Mut aufzubringen, Widerstand gegen ein politisches Unrechtssystem wie Diktatur zu leisten. Der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz, Andrzej Tomaszewski, strich Steinort als deutsch-polnischen Erinnerungsort heraus, der mit Blick auf die Zukunft zu einer internationalen Begegnungsstätte im Stile des niederschlesischen Kreisau werden könne. Gräfin Vera wünscht sich einen lebendigen Ort für den kulturellen Austausch zwischen Ost und West, der zugleich eine Brücke zwischen leidvoller Vergangenheit und gemeinsamer Zukunft bildet. Steinort, in einer faszinierenden, früh von Menschenhand geformten Naturlandschaft gelegen, war seit dem 16. Jahrhundert Stammsitz der deutschen Adelsfamilie von Lehndorff. Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002) nannte Steinort in ihren „Ostpreußischen Erinnerungen“ „ohne Zweifel den schönsten Besitz in Ostpreußen“ und „einen sagenumwobenen Ort“. Das Schloss in der Woiwodschaft Ermland-Masuren blieb 1945 von Zerstörung verschont, erlebte nach Kriegsende die Einquartierung von Rotarmisten, war später Verwaltungssitz eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebs und schließlich Segelschule, bis es dann mehr und mehr verfiel. In den 1980er Jahren fiel die Anlage in private Hände, was für sie verhängnisvoll wurde. Die neuen Eigentümer interessierten sich nur für den benachbarten Yachthafen und ließen die historischen Gebäude und den Park verwahrlosen. In Anbetracht dessen, dass sich der Zustand des Hauptteils des Herrenhauses ständig verschlechterte, kam der heutige Eigentümer TIGA S.A. im Februar zu dem Schluss, dass nur die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz imstande sei, die notwendigen Fördermittel und Spenden für die Rettung des Schlosses zu beschaffen, und beschloss, den Bau der Stiftung zu übergeben. Die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz betreibt die Rettung des Herrenhauses und des verwilderten Parks im Verbund mit ihrer polnisch-deutschen Schwesterstiftung in Warschau, um beides öffentlich nutzbar und zu einem kulturtouristischen Anziehungspunkt zu machen. Trotz des ansonsten weitgehenden Substanzverlusts im Inneren verfügt das Gebäude über eine besondere Kostbarkeit: die ausgelagerten 1000 Quadratmeter, bemalten Holzdecken aus der Barockzeit. Restauriert und zusammen mit den noch beträchtlichen, vor 1945 gen Westen in Sicherheit gebrachten Inventar-Beständen könnten sie den Adelssitz in seiner Vorkriegsgestalt wieder erlebbar machen. Damit Schloss und Park ab 2010 wiederhergestellt werden können, braucht es aber die Hilfe vieler neuer Freunde von Steinort. Als erste spendenwirksame Maßnahme sollen die geborgenen bemalten Deckenbretter konservatorisch gesichert werden.
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