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Schnega / Külitz. Wer Wilhelm von Gottberg zuhört, wie er aus seiner Vita erzählt, kommt schnell zum Schluss: Veränderungen gehören zum Leben des heute 73-Jährigen. Wenngleich sein Haus in Külitz, die Art wie von Gottberg redet und seine akkurate Erscheinung ein anderes Bild vermitteln. Er setzt auf Erinnerungskultur, wenn es um Ostpreußen, die Heimat seiner Eltern, geht. Sätze werden von ihm zunächst im Kopf sortiert, bevor sie den Mund verlassen. Das wirkt alles wohl geordnet, sehr konstant, und doch: Immer wieder prägen Veränderungen sein Lebensweg. Für ihn ist es deshalb auch nichts Dramatisches, wenn er sich nach 40 Jahren Treue zur CDU nun in der neuen Partei „Alternative für Deutschland“, die, wenn am kommenden Sonntag Wahlen wären, mühelos in den Bundestag einziehen würde, engagiert. Er versteht diesen Schritt auch nicht als Bruch zu seiner bisherigen politischen Arbeit, zu der das Bürgermeisteramt für die Gemeinde Schnega an der Kreisgrenze zu Uelzen gehört: „Wenn es mir ernst ist, dann muss ich an die Zukunft für meine sechs Kinder und zwölf Enkelkinder denken“. Er selbst erlebt die früheste Kindheit in Ostpreußen („Habe noch Erinnerungen“), bevor die Eltern mit ihm über Swinemünde in den Kreis Lüchow-Dannenberg flüchten. Dem Besuch der Volksschule folgen zwei Lehren zum Landwirt und Tischler. 1960 schließlich leistet er seinen Wehrdienst ab, entschließt sich, im Anschluss zum Bundesgrenzschutz zu gehen. Auf dem zweiten Bildungsweg erwirbt er in den acht Jahren als Grenzer die Fachhochschulreife in Abendkursen. 1969 entschließt er sich dann, in die freie Wirtschaft zu gehen, er ist im Sicherheitsdienst einer Firma tätig. Das ist die Zeit, in der von Gottberg auch seine Frau kennenlernt und „schnell heiratet“ sowie in der er den Weg zur CDU findet. „Die Christdemokraten erweckten damals den Eindruck, dass sie eine andere Position als die Sozialdemokraten bei der Frage hatten, wie bei einer Annäherung in der Ostpolitik mit den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie umzugehen ist“, berichtet von Gottberg. Der Haltung der SPD damals, auf die Gebiete verzichten zu wollen, konnte er nicht folgen. Gottbergs Liebe zur Heimat Ostpreußen ist stark, begleitet ihn bis heute, wenn er sich noch immer im Stiftungsrat des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg engagiert. Über viele Jahre war er auch im Bundesvorstand der Ostpreußengruppe – eine Tätigkeit, mit der er auch in den Fokus der Antifaschisten geriet, wie er sagt. „Als rechter Hardliner und Antisemit wurde ich bezeichnet. Davon bin ich aber weit entfernt“, so von Gottberg. Selbstkritisch räumt er ein, einen Fehler begangen zu haben, als er – wie er sagt – in einer seiner vielen Reden unwissentlich einen rechten Italiener zitiert habe. „Aber nur, weil ich einen Fehler gemacht habe, gehe ich nicht mein ganzes Leben in Sack und Asche.“ Gegen Äußerungen, die ihn in die rechte Ecke drängten, sei er auch gerichtlich vorgegangen. Er habe auf Unterlassung geklagt und verloren. „In meinen Ämtern muss ich mir solche Vorhaltungen bis zu Schmähäußerungen gefallen lassen, so das Urteil“, erzählt Wilhelm von Gottberg. Wer ihn kenne, wisse, dass die Vorwürfe haltlos seien. Der 73-Jährige erinnert daran, dass er bis heute im Stiftungsrat des Ostpreußenmuseums sitze, ein Gremium, in dem das Land und der Bund vertreten seien. Zudem sei er noch Bürgermeister. Ein Amt, zu dem er kommt, als ihn der Lebensweg in den 1970er-Jahren zurück nach Lüchow-Dannenberg führt. Neben seiner Arbeit als Chef des Sicherheitsdienstes absolviert er ein Fernstudium. 1976 besteht er das Staatsexamen als Lehrer. Mehr als 30 Jahre unterrichtet er schließlich Polizisten in der Ausbildung für den Bundesgrenzschutz im Fach Staatslehre, viele Jahre in Bad Bodenteich. Anfang der 1980er Jahre beginnt er sich dann, in der Kommunalpolitik zu engagieren, erringt schnell Mandate im Ortsrat, im Samtgemeinderat und im Kreistag, wird Bürgermeister von Schnega. Immer für die CDU, „auch wenn ich als Querdenker galt.“ 2011 jedoch dann ein radikaler Schritt: Der Austritt aus der Partei. Bei der Aufstellung der Kandidatenliste für den Kreistag wird er „entgegen anderer Vereinbarungen“ durch eine „gezielte Intrige“, so von Gottberg, von Platz zwei verbannt. „Einer solchen Partei wollte ich nicht mehr angehören“, sagt er. Und nun die „Alternative für Deutschland“? Über seinen Sohn sei auf die Partei aufmerksam geworden. „Ich habe mich sehr ausführlich mit den Programmpunkten beschäftigt und bin zum Ergebnis gekommen, dass die Politik der Rettungsschirme eben nicht alternativlos ist“, sagt er. Mit der Gründung des Landesverbandes Niedersachsen der AfD wird er Mitglied des Vorstandes, auf der Landesliste für die Bundestagswahl steht er auf Platz acht. Dass er den Euro kritisch sehe, heiße nicht, dass
er auch Europa kritisch sehe. „Im Gegenteil. Wir haben nur die Frage zu
beantworten, ob es legitim ist, unseren Nachkommen solche Schuldenberge zu
hinterlassen“, so der Politiker. Der Partei wolle er nun vor allem helfen, die
Strukturen zu schaffen. Ein Bezirksverband für die Kreise Lüneburg und
Lüchow-Dannenberg werde in der kommenden Woche gegründet. Wann Uelzen an der
Reihe sei, wisse er noch nicht. „Die Partei ist noch im Aufbau, da kann ich
helfen. Vielles muss auch noch geklärt werden.“ Sätze, die zu von Gottberg
passen. Die Ordnung und die Veränderung sind in ihnen zu finden.
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