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Erika Steinbach, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, hat ihre heftig kritisierte Äußerung über den polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski verteidigt, dem sie öffentlich einen „schlechten Charakter" bescheinigt hatte. Zwar räumt sie ein, sie hätte sich gegenüber „einem 88-jährigen alten Herrn etwas freundlicher" ausdrücken sollen, bleibt aber in der Sache hart. Ihr Urteil beruhe auf persönlichen Erfahrungen und Verletzungen.
Politik verdirbt den Charakter, das sagt man ja gerne, und sie kann tatsächlich auch eine Charakterfrage sein. Mit dem Charakter von Erika Steinbach scheint mindestens derzeit etwas nicht zu stimmen, denn man setzt sich nicht zu einem Frühstücksgespräch ins Deutsche Fernsehen, um zwischen Kaffee und Brötchen einen hoch betagten und weithin respektierten Mann vor Millionenpublikum zu beleidigen. Nein, das tut man nicht. Das tut man auch dann nicht, wenn man persönliche Gründe hat, mit dem Mann überkreuz zu sein. Solche persönlichen Gründe deutet Frau Steinbach auf Nachfrage an: Sie habe den polnischen Deutschland-Beauftragten Bartoszewski sehr bewundert, sie habe ihm herzliche Briefe geschrieben, nie eine Antwort erhalten, aber Reaktionen öffentlicher Art, und daraus könne man einiges schließen. Sie hat also eine persönliche Enttäuschung erlebt, aber warum schmiert sie uns das im Frühstücksfernsehen aufs Butterbrot? Frau Steinbach kommt doch nicht als persönlich enttäuschte Privatfrau auf den Bildschirm, sondern als Vorsitzende eines großen deutschen Verbandes, nämlich des Bundes der Vertriebenen, sie wird interviewt als die Spitzenpolitikerin der CDU, die gerade einiges Aufsehen mit der im Grunde bedeutungslosen Feststellung erregt hatte, dass Polen vor Hitlerdeutschland mobil gemacht habe. Ja, es stimmt, Frau Steinbach hat einiges erlebt, auch aus Polen, was äußerst unschön und verletzend war; man hat sie als SS-Domina dargestellt, als revanchistische Ostlandreiterin diffamiert, man hat ihr viel schlimmeres unterstellt und angedichtet als einen schlechten Charakter. Dabei hat die Frau große Verdienste um eine Modernisierung des Verbandes der Vertriebenen, für Versöhnung nach innen und nach außen; sie hat über alte Frontstellungen und über Parteigrenzen hinweg Gräben zugeschüttet, ohne das große Unrecht der Vertreibung vergessen zu lassen. Gedankt hat man ihr das wenig, und es hat auch in Polen reaktionäre und ewiggestrige Scharfmacher gegeben, die das Klima mindestens so vergiftet haben wie die ganz bösen Finger aus den Reihen der Vertriebenen; die aber hatten in Erika Steinbach immer eine entschiedene und kräftige Gegnerin. Es hat etwas Tragisches, wie die Frau sich jetzt, am Ende ihrer politischen Tage, ins Abseits vergaloppiert und mit diesem Ritt so vieles wieder niedertrampelt. Es kann ja sein, dass jemand Auschwitz überlebt wie Bartoszewski und trotzdem einen schlechten Charakter hat; der Mann muss kein Heiliger sein. Aber Respekt, großen Respekt hat er verdient, und es zeugt von keinem guten Charakter, ihn öffentlich zu beleidigen, dafür keinen einzigen handfesten Grund liefern zu können und sich dann nicht entschuldigen zu wollen. Politisch dumm ist das auch. Charaktere verderben die Politik - so rum ist der alte Spruch richtig.
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