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Wie Weichsel und Netze verbunden wurden Westpreußen wurde nicht nur durch Friedrich den Großen Bestandteil des Hohenzollernstaates, sondern hat dem Preußenkönig auch viel zu verdanken. Zu nennen ist hier nicht zuletzt der Bromberger Kanal. Im Zuge der sogenannten Ersten Teilung Polens vor 240 Jahren kam Friedrich II. in den Besitz des heutigen Westpreußen. Welchen Gewinn die Landverbindung zwischen den beiden Kerngebiete des Hohenzollernstaates, Brandenburg im Reich und (Ost-)Preußen außerhalb, auch in ökonomischer Hinsicht darstellte, zeigen die folgenden Zeilen des Franz Balthasar Schönberg von Brenckenhoff (Geheimer Finanzrat und Leiter der staatlichen Meliorationsarbeiten) an seinen König vom 27. März 1772 über die damals noch bevorstehende Teilung: „Der größte Vorteil aber, welcher Ew. Kgl. Majestät übrigen Staaten erwachsen dürfte, würde meines Dafürhaltens wohl unstreitig darin bestehen, dass Ew. Kgl. Majestät alsdann vermittels des Weichselstromes entweder über Danzig oder auch durch eine Verbindung der Netze mit der Weichsel das alleinige Commerce mit dem größten Teil Polen dergestalt erhalten würden, dass die Polen nicht allein necessieret würden, ihre Landesprodukte wie Getreide, Holz, Wolle, Häute und dergleichen lediglich nach Ew. Kgl. Majestät Staaten zu verkaufen, sondern auch ihren Bedarf an Fabrikwaren aus Ew. Kgl. Majestät Provincen nehmen.“ Da Danzig bei der Ersten Teilung bei Polen verblieb, setzte Friedrich umso mehr auf „eine Verbindung der Netze mit der Weichsel“. Im Februar 1772, schrieb er an Johann Friedrich Domhardt (Preußischer Oberpräsident, Präsident der Kriegs- und Domänenkammern Königsberg, Gumbinnen und Marienwerder sowie der Kammerdeputation Bromberg): „Ich bin gewillt, die Weichsel mit der Netze durch einen Kanal zu verbinden und die Nogat mehr räumen zu lassen und so den Danziger Verkehr unvermerkt nach Elbing und Bromberg zu ziehen.“
Zur Vorbereitung des Baus nahm Landbaumeister Jawein Vermessungen des Bruchs zwischen Nakel und Bromberg vor und berechnete die Anlegung des Kanals mit vier Schleusen. Brenckenhoff wies auf die Notwendigkeit von Stauschleusen an der Netze hin, da durch die Begradigung der Fluss ein größeres Gefälle erhalten würde und daher der obere Teil im Sommer einen zu niedrigen Wasserstand haben würde. Der Kondukteur (Landmesser) Dornstein legte einen Bauplan für einen etwa 26 Kilometer langen Kanal vor. Der Kostenaufwand wurde einschließlich der Netzeregulierung auf 687.806 Taler ohne das aus den Staatsforsten zu liefernde Holz veranschlagt, eine Summe, die sich im Nachhinein als realistisch erwies, da sie nicht wesentlich überschritten wurde. Nachdem der König alle diesbezüglichen Örtlichkeiten persönlich in Augenschein genommen hatte, wurde im Frühjahr 1773 mit dem Bau des Bromberger Kanals begonnen. Die Arbeiten wurden, was sich sehr bald als äußerst nachteilig erweisen sollte, in einer ungewöhnlichen Eile durchgeführt und mussten im eiskalten Sumpfwasser vollzogen werden. Unterkünfte waren in dem feuchten Moor nicht vorhanden. Viele der Teich- und Deichgräber kampierten in Strauchhütten auf freiem Feld, mit der Folge, dass zeitweise bis zu 400 Erkrankte in den eigens eingerichteten Krankenzelten behandelt wurden. 1500 Menschen erlagen den Strapazen und Seuchen. Trotz der vielen Schwierigkeiten wegen des „schwimmenden Bruchs“ und der vielen Erkrankungen konnte der Bau in 18 Monaten durchgezogen werden. Nachdem bereits im Juli 1774 Kanalbett und Schleusen fertig waren und auch die Netzedurchstiche zwischen Nakel und Usch ausgeführt waren, wurde der erste Versuch einer Durchfahrt unternommen. Es ergaben sich aber noch Schwierigkeiten und Verbesserungen wurden notwendig. Am 14. September 1774 schließlich konnte der erste Kahn Bromberg anfahren. Gegen Ende des Jahres 1775 meldete Brenckenhoff dem König, dass der Kanal mit allen Schleusen sich in schiffbarem Zustand befinde und dass bereits 222 Schiffe und 1151 Holzflöße den neuen Wasserweg befahren hätten. Bis Bromberg hatte der Kanal auf der Wasseroberfläche eine Breite von 19 Metern und in der Sohle von 7,5 bis 9,5 Metern. Zehn hölzerne Schleusen, darunter zwei Doppelschleusen, wurden von den zeitweise 6.000 Arbeitern errichtet. Ein „Meisterstück“ für die Zeitgenossen, denn man muss bedenken, dass allein menschliche Muskelkraft und die einfachsten Arbeitsgeräte eingesetzt werden konnten. Mit dem Bromberger Kanal war das Flusssystem der Weichsel und damit Ostpreußen an die mitteldeutschen Ströme Brandenburgs angeschlossen, die Ost-Westverbindung war hergestellt. Nach der 1772 gewonnen Land- gab es nun auch eine Wasserstraßenverbindung zwischen Ostpreußen und Brandenburg. Allerdings zeigten sich sehr bald die Mängel des übereilten Kanalbaues. Was vorher bereits befürchtet worden war, bestätigte 1776 die jährliche Inspektion: Dichtungsmaterial war weggeschwemmt worden und die Holzverkleidungen hatten angefangen zu faulen. Eineinhalb Jahrzehnte später wurden deshalb die Holzteile durch festes Mauerwerk ersetzt, wofür am Kanal eine eigene Ziegelei errichtet wurde. Zur Überwachung und laufenden Unterhaltung des Kanals wurden Grundstücke von drei Morgen Land an Kolonisten vergeben, mit der Auflage, gegen ein Entgelt Wartungsarbeiten zu leisten wie das Auskrauten und Reinigen des Kanals oder die Anpflanzungen von Weiden und Pappeln. Diese Arbeiten wurden meistens im Februar und März durchgeführt, wenn die Kanalschifffahrt wegen der Frostzeit ruhte. Der Aufwand lohnte sich, brachte der Kanal doch erhebliche Gewinne ein. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden bei jährlich etwa 6.000 Talern Unterhaltungskosten 12.000 Taler erwirtschaftet. Ab 1842 konnte daher der Kanalzoll mehrmals ermäßigt werden, was wiederum zu Preissenkungen der Transportkosten führte und dem Kanal eine zusätzliche Attraktivität verlieh. 1787/1788 nutzten jährlich 500 Schiffe den Kanal. 1817 waren es 755 Kähne beziehungsweise Schiffe, die durch den Kanal geschleust wurden, 1848 waren es schon 1599 Kähne beziehungsweise Schiffe und im Reichsgründungsjahr 1871 waren es sogar 4678. Im Deutschen Reich setzte sich der Aufwärtstrend fort. Durch Ausbau wurde der Kanal in den Jahren 1905 bis 1917 zu einer großen Weichsel-Oder-Wasserstraße mit größter wirtschaftlicher Bedeutung für den Güter- und Holzfloßverkehr. In den letzten Friedensjahren verzeichnete die Netzeschleuse 22 bei Kreuz einen durchschnittlichen jährlichen Güterdurchgang von 456.000 Tonnen. Nach den amtlichen Angaben des Wasserbauamtes in Driesen passierten 1912 die Kreuzer Schleuse 4.626 Schleppdampfer und Güterschiffe mit 833.288 Tonnen Tragfähigkeit und 291.269 Tonnen Ladung sowie 4774 Flöße mit 1.660.535 Kubikmeter Floßholz. Die Holzflöße kamen aus dem Land der dunklen Wälder und wurden über den Kanal Richtung Westen transportiert. Auch nach Hamburg. So wurde nach dem dortigen großen Brand des Jahres 1842 das gesamte für den Wiederaufbau auf schwammigem Untergrund benötigte Holz über die Netze und den Kanal herbeigeschafft. Unterhalb von Weißenhöhe im Kreis Wirsitz entstand ein großer Holzhafen, der Arbeit und einen gewissen Wohlstand für viele Anwohner brachte. Der Erste Weltkrieg beendete dann die preußische Geschichte des Bromberger Kanals. Mit dem überwiegenden Teil des von Friedrich dem Großen gewonnenen Westpreußen ging auch der von ihm gebaute Bromberger Kanal als Folge des Versailler Diktates verloren.
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