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Affront gegen Vertriebene Die grün-roten Landesfürsten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, und Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, wollen den Südwestrundfunk (SWR) neu gestalten. Dabei sollen die Vertriebenen und die Freikirchen ihre Sitze im Rundfunkrat verlieren. Statt ihrer sollen zusätzliche Vertreter von Umweltverbänden, Migranten und der Muslime in das SWR-Gremium einziehen. Cuius regio, eius religio – „Wes der Fürst, des der Glaub“, hieß die alte Formel, wonach der Landesfürst den Glauben seiner Landeskinder vorgab. In verfeinerter Form versuchen auch heutige Landesherren noch, diesem Grundsatz bei ihren Landesrundfunkanstalten stets neues Leben einzuhauchen. „Wes der Fürst, des der Sender“, so platt geht es natürlich nicht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlangt Subtilität, Fingerspitzengefühl und zeitgemäße Sprachregelung. Der SWR-Staatsvertrag werde „novelliert“, damit der Sender „leistungsfähiger“ und „flexibler“ werde. Es geht um Geschlechterquoten und ein Redaktionsstatut, das besonders die vielen grünen und roten Redakteure erfreuen und ihnen mehr Unabhängigkeit vom Intendanten verschaffen wird. Einen „schlanken“ SWR verkündet der medienpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Salomon. Der aufgeblähte SWR-Rundfunkrat nimmt jedoch kein Gramm ab, er soll weiter 74 Mitglieder haben. Zum Vergleich: der BR-Rundfunkrat hat 47, der WDR 48, der NDR 58 und das Deutschlandradio 40 Rundfunkratsmitglieder. Der hohe Body-Mass-Index des SWR-Gremiums kommt besonders daher, dass hier bestimmte Gruppierungen nicht nur einen, sondern gleich mehrere Vertreter entsenden können, was gar nicht nötig wäre. Aber anstatt hier bei „Doppelvertretungen“ zurückzuschneiden, will man nur den Vertreter der Freikirchen und die des Bundes der Vertriebenen (BdV) ganz herauswerfen. Im SWR-Eckpunktepapier der Landesregierungen heißt es, sie hätten einen „bisher einzigartigen, breiten Dialog über die Reform des SWR-Staatsvertrages mit den Beteiligten in- und außerhalb des SWR-begonnen“. Dabei hatten sogar die BdV-Vertreter im Rundfunkrat erst aus der Zeitung erfahren, dass sie ihre Sitze in dem Gremium verlieren sollen. Auch in der Synopse zur Novelle des Staatsvertrages vom Juni dieses Jahres findet sich bezüglich der neu geplanten Zusammensetzung des Rundfunkrats nur eine große weiße Lücke. Eine Fußnote vermerkt: „Die Zusammensetzung des Rundfunkrats ist im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen ... noch zu prüfen.“ Das war bis vor kurzem der offizielle Stand. Die Landesherren wollen laut Eckpunktepapier mit der Reform auch die „regionale Identität stärken“. Die in der Region immer noch bedeutsamen Vertriebenen – 1,5 Millionen kamen nach 1945 in den Südwesten, 1965 war jeder fünfte Baden-Württemberger ein Vertriebener oder Flüchtling, das Land hat die Patenschaft über die Donauschwaben inne – und die in der Region aktiven Freikirchen sollen jedoch im SWR den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommen. Sie sind linken Büchsenspannern nicht genehm und sollen daher abgeschossen werden. Im benachbarten Bayern wäre das undenkbar. Im BR-Rundfunkrat hat der BdV unangefochten ebenso einen Sitz wie im Deutschlandradio. Erst im Jahr 2000 verschaffte Roland Koch den für den SWR angeblich nicht mehr zeitgemäßen Vertriebenen einen Sitz im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks. BdV-Präsidentin Erika Steinbach sitzt im ZDF-Fernsehrat. Am Schönsten liest sich, was Kretschmann noch im September in einem Grußwort zum 60. Jubiläum des BdV Baden-Württemberg und zum „Tag der Heimat“ schrieb: „Bis heute“, so der Ministerpräsident, „prägen die verschiedenen Vertriebenengruppen mit ihren Traditionen und Brauchtümern unser gesellschaftliches und kulturelles Leben. Sie geben den Menschen in Baden-Württemberg dadurch Halt und Orientierung.“ Der BdV-Landesverband hat jetzt an Kretschmann geschrieben und ihn wegen des SWR an seine Worte erinnert. Auch an Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat man sich gewandt. Die BdV-Vertreter im SWR sind der Sudetendeutsche Werner Nowak und die frühere CDU-Landtagsabgeordnete Andrea Krueger. Doch während Bernd Friedrich von den Freikirchen starke öffentliche Solidarität für seinen Verbleib im SWR erfährt, auch von einem Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), haben die Vertriebenen bislang keine entsprechende Unterstützung mobilisiert. Es gibt keine Pressemitteilung des BdV-Bundesverbandes, auch hüllt sich die CDU bislang in Schweigen. Ohne öffentlichen Protest laufen die Vertriebenen Gefahr, auf kaltem Wege abserviert zu werden. Der Staatsvertrag wird 2013 in den Landesparlamenten in Mainz und Stuttgart behandelt. Der Autor war von 1994 bis 2010 Vertreter des BdV im Hörfunkrat des Deutschlandradios und zuletzt stellvertretender Vorsitzender des Programmausschusses.
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