Professor Dr. Alfred de Zayas,
Grand Saconnex, Schweiz:
Unzulässige Diskriminierung der deutschen Opfer
Zu
"Polen gegen Gedenktag für Vertriebene" (F.A.Z. vom 15.
Februar): Die schwere und anhaltende Verharmlosung der Vertreibung der Deutschen
durch deutsche, polnische und tschechische Historiker stellt eine
Menschenrechtsverletzung dar, denn sie bedeutet eine unzulässige Diskriminierung
der Opfer. In diesem Zusammenhang muss an Artikel 26 des UN-Paktes über
bürgerliche und politische Rechte erinnert werden, der die rechtliche Gleichheit
aller Menschen garantiert und jede Willkür und Diskriminierung verbietet. Die
Missachtung des Status der Vertriebenen als Opfer kann zudem als eine Verletzung
des Artikels 16 dieses Paktes verstanden werden, der das Recht auf Anerkennung
als Rechtsperson garantiert. Eine massive Verharmlosung der Vertreibung oder die
Leugnung der Vertreibungsverbrechen kann darüber hinaus eine Verletzung von
Artikel 20 dieses UN-Paktes darstellen, wenn eine Aufstachelung zu Hass,
Erniedrigung und Diskriminierung beabsichtigt wird. Zumindest aber stellt eine
solche Verharmlosung eine Verletzung von Artikel 17 dieses Paktes dar, der
Beeinträchtigungen der Ehre und des Rufes von Menschen verbietet. Die deutschen
Vertriebenen und ihre Nachkommen dürfen keine Opfer zweiter Klasse sein. Die
anhaltende Diskriminierung der Vertriebenen in den Medien, in Schulbüchern und
im politischen Dialog stellt eine Verletzung allgemein anerkannter
menschenrechtlicher Normen dar. Die Haltung der Historiker, die kein Zentrum
gegen Vertreibungen und keinen Gedenktag für die Vertriebenen wollen, bedeutet
letzten Endes, dass die Deutschen beziehungsweise die Vertriebenen kein Recht
haben, Opfer zu sein, und dass ihres Leidens nicht zu gedenken ist.
Es besteht kein Zweifel darüber, dass unter der
nationalsozialistischen Besatzung den Völkern Ost- und Zentraleuropas
unermessliches und unvergessliches Unrecht zugefügt worden ist. Sie hatten daher
einen legitimen Anspruch auf Reparation bzw. Wiedergutmachung. Jedoch dürfen
legitime Ansprüche nicht durch die Verhängung von Kollektivstrafen auf der
Grundlage allgemeiner Diskriminierung und ohne die genaue Untersuchung
persönlicher Schuld verwirklicht werden. In den Nürnberger und Tokioter
Prozessen wurde das unerlässliche Prinzip persönlicher Haftung für Verbrechen
wohlweislich angewandt. Es lohnt sich, die Nürnberger Protokolle und das
Nürnberger Urteil in vielerlei Hinsicht noch einmal zu lesen.
Polen gegen
Gedenktag für Vertriebene
ul. WARSCHAU, 14. Februar. Wissenschaftler,
Politiker und Publizisten aus Polen und anderen Ländern hadern mit der Forderung
des Bundestages, zu prüfen, wie der 5. August zum Gedenktag für die Opfer der
Vertreibung erhoben werden könne. 68 Historiker nannten die Entschließung am
Montag in einer Erklärung ein "falsches Signal". Auch das polnische
Außenministerium kritisierte den Parlamentsbeschluss vom Donnerstag. (Siehe
Seite 5, Kommentar Seite 8.)