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Streit um Agnes Miegels Rolle in NS-Zeit Bad Nenndorf (dpa) - Fast lebensgroß sitzt Agnes Miegel in Bronze gegossen im Kurpark von Bad Nenndorf bei Hannover: Eine schlanke Frau mit strengen Gesichtszügen, ein Buch in der Hand. Das Denkmal eines Stifters wurde zum 30. Todestag der Schriftstellerin 1994 aufgestellt. Jetzt werden Rufe lauter, es zu entfernen oder wenigstens mit einem kritischen Hinweisschild zu versehen. «Zu Miegel gibt es bisher keine politischen Beschlüsse. Die Beratungen stehen noch aus», sagt der stellvertretende Stadtdirektor Heinrich Bremer. Während der Rat der Stadt Celle kürzlich die Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße beschlossen hat, in Braunschweig oder Hildesheim darüber diskutiert wird und Realschulen in Osnabrück, Wilhelmshaven und Düsseldorf von ihrer Namensgeberin abgerückt sind, steht in Bad Nenndorf die Diskussion ganz am Anfang. Hier war man bisher eher stolz auf die heimatvertriebene Dichterin, die sich 1948 in dem beschaulichen Ort am Deister niederließ. Ihre berühmte Ballade «Die Frauen von Nidden» fand Eingang in viele Schulbücher. Die Agnes-Miegel-Gesellschaft, die in ihrem ehemaligen Wohnhaus ein Museum betreibt, sieht sie als unpolitische Humanistin, von den Nazis instrumentalisiert. Allerdings schrieb sie Hymnen auf Adolf Hitler, etwa «An den Führer», und trat 1940 in die NSDAP ein. «Sie sympathisierte offen mit nationalsozialistischem Gedankengut», heißt es im Harenberg Lexikon der Weltliteratur. «Agnes Miegel hat sich nachweislich zur Herrschaft Hitlers und zur Ideologie des Nationalsozialismus bekannt», schreibt Prof. Hans-Jürgen Döscher in einem Gutachten, auf dem die Schulumbenennung in Osnabrück fußt. Kritiker werfen Miegel vor allem vor, dass sie sich nach dem Krieg nie öffentlich von den Nazis distanziert hat. Für Inge Meyer, die ehrenamtlich das kleine Museum am Agnes-Miegel-Platz betreut, ist die Autorin unverschuldet zum politischen Spielball von Antifaschisten und Rechtsradikalen geworden. Im Museum seien schon Vermummte aufgetaucht, sagt die ältere Dame. In Hildesheim verteilte eine «Bürgerinitiative für Zivilcourage» in der dortigen Agnes-Miegel-Straße Flugblätter gegen die Umbenennung. Hinter dieser «Initiative» stecken vom Verfassungsschutz beobachtete Neonazis, in deren Umfeld sich der bundesweit agierende Rechtsextremist Christian Worch bewegt, wie eine Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutzes erläutert. In vielen deutschen Städten gibt es Agnes-Miegel-Straßen, oft wollen die Anwohner am gewohnten Namen festhalten. In Verden beispielsweise plädierte der Stadtrat 2009 gegen eine Umbenennung. Die Stadt Hameln, wo die 1879 in Königsberg geborene Dichterin häufig Lesungen hielt, habe Miegel über Jahrzehnte hinweg hofiert, berichtet der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom. «Sie bekam auf Antrag der Ostpreußischen Landsmannschaft und nach einstimmigem Ratsbeschluss ein lebenslanges Jahreslegat, das 1961 von 2000 auf 3000 Mark erhöht wurde.» Die Oberschule von Bad Nenndorf sollte 1969 auf Wunsch der Stadt Agnes-Miegel-Gymnasium getauft werden, das Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand von Lehrern und Schülern. Ihre Grabstätte wird aber seit Jahrzehnten von der Stadt gepflegt. Wie das in Zukunft aussehen soll, steht jetzt zur Debatte.
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