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Wendehals Westerwelle Der Streit um die Berufung von BdV-Präsidentin Erika Steinbach in den Beirat des Vertriebenenzentrums geht weiter. Die Spitzen der Unionsfraktion forderten Außenminister Westerwelle zum Einlenken auf. Unmittelbar davor hatte dieser behauptet, es gäbe „Absprachen mit der polnischen Regierung auf diesem Feld“, die vor seiner Zeit getroffen worden seien und an die er sich zu halten habe. Enthüllung oder Lüge? Im Streit um die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) haben Unionsfraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich die Liberalen am Wochenende dazu gedrängt, ihr Nein zu überdenken. Der FDP-Vorsitzende Westerwelle müsse in der Frage „in sich gehen“. Kauder erklärte, er würde es „sehr bedauern“, wenn die Liberalen bei ihrer Ablehnung Steinbachs blieben. „Ihre Zustimmung würde ein Problem der Koalition lösen.“ Auch der Appell von Hans-Peter Friedrich war „weich“ formuliert: „Die FDP muss sehen, dass Frau Steinbach nicht für Polarisierung, sondern für Versöhnung steht“, so der Jurist. Westerwelle möge „in sich gehen“, zumal man in Polen „gar nicht so viele Probleme“ mit der Personalie habe. Man muss kein Politologe sein, um zu wissen, dass zur Durchsetzung entschlossene Politiker eher anders reden. Mögliche Formulierungen würden lauten: „Wir würden es bedauern, wenn die Bundeskanzlerin wegen dieser Frage erstmals von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müsste“, oder: „Falls es zur Abstimmung im Kabinett kommen sollte, werden die Unionsminister selbstverständlich zu Frau Steinbach stehen.“ Tatsächlich macht Westerwelle nicht die geringsten Anstalten, seine Position zu revidieren, im Gegenteil. Unmittelbar vor dem Appell Kauders und Friedrichs hatte er in einem langen Interview mit der „FAZ“ mit großer Geste seine Position sogar noch bekräftigt. Westerwelle erklärte allen Ernstes, er versuche, mit seiner Position „Schaden von unserem Land abzuwenden, indem wir die Beziehung zu unseren Nachbarländern nicht belasten“. In dieser Haltung fühle er sich nach seinem jüngsten Besuch in Warschau bestätigt. Dass auch Westerwelle unter Druck steht, wurde an einem fragwürdigen Argument erkennbar, zu dem er nun Zuflucht nahm: „Im Übrigen habe ich die Absprachen mit der polnischen Regierung auf diesem Feld nicht getroffen. Das ist vor meiner Zeit geschehen.“ Dankenswerterweise haben die „FAZ“-Redakteure Klaus-Dieter Frankenberger und „FAZ“-Herausgeber Berthold Kohler sofort nachgefasst, wer denn hier welche Absprache getroffen hätte. Sie wäre in der Tat brisant: Eine „harte“ Absprache gegen Steinbach würde schließlich bedeuten, dass das Wahlversprechen der Unionsparteien, der BdV könne über seine Vertreter im Beirat selbst entscheiden, unerfüllbar und deswegen a priori verlogen war. Westerwelle vermied denn auch klare Aussagen, wer der polnischen Regierung was genau zugesichert habe und erinnerte nur an „Eindrücke, die seinerzeit von deutscher Seite zum Beispiel in Polen erweckt worden sind“ und weiter: „Deswegen lege ich großen Wert darauf, dass die polnische Seite nicht das Gefühl bekommen kann, dass das, was aus ihrer Sicht als Geschäftsgrundlage dem Projekt zugrunde lag − nämlich der Versöhnungsgedanke − nicht mehr oder nicht mehr ausreichend gilt.“ Hier stellen sich zwei interessante Fragen: Gab es womöglich doch eine „harte“ Zusicherung Berlins an Warschau gegen Steinbach, die Westerwelle an dieser Stelle nur nicht öffentlich gemacht hat, um seinen Koalitionspartner CDU/CSU nicht als Lügner im Wahlkampf bloßzustellen? Oder war das bemerkenswerte Lavieren Westerwelles auf die Nachfrage der „FAZ“ zumindest insofern ehrlich, als es eine solche „harte“ Zusage nicht gab? Dies wiederum würde interessante Rückschlüsse auf Westerwelles Meinung über die Relevanz des Völkerrechts in den internationalen Beziehungen und die Bedeutung des Wortes „Versöhnung“ zulassen. Das Völkerrecht wäre in dieser Logik dann nicht etwa die Grundlage des gedeihlichen Miteinanders der Staaten, sondern geradezu ein Störfaktor, jedenfalls sobald an eklatante Verstöße erinnert wird. „Versöhnung“ wiederum wäre dann nicht der Zustand, der nach ehrlicher Aufarbeitung des Unrechts und zumutbarer Wiedergutmachung erreicht wird, sondern letztlich das „Recht“ des aktuell Stärkeren, nicht an Leichen im eigenen Keller erinnert zu werden. Die mangelnde Aufrichtigkeit Westerwelles belegen auch die starken Worte, die er in den Jahren der rot-grünen Bundesregierung selbst zugunsten Steinbachs gemacht hatte. Thomas Brügmann, Chef des Info-Dienstes „Vertrauliche Mitteilungen“ (VM), hat dazu einige „goldene“ Zitate ausgegraben: „Der Bundeskanzler und der Außenminister (= Schröder und Fischer) sollten bei unseren Nachbarn um Verständnis werben. Ich verstehe nicht, warum der Bundeskanzler und der Außenminister den Sorgen der Nachbarn nicht entgegentreten, sondern die Debatte noch unverantwortlich anheizen“, geißelte Westerwelle 2003 im „Focus“ genau die Politik, die er heute selbst betreibt. „Ich kann in einem sechsjährigen Jungen, einem zwölfjährigen Mädchen, die unter brutalsten Umständen ihre Heimat verloren haben, keinen Täter erkennen“, warf der FDP-Chef sich den Vertriebenen an die Brust. Das geplante Zentrum, „muss nach Berlin“, und das Engagement von Frau Steinbach, mit der er eben erst wieder geredet habe, sei „selbstverständlich alles andere als revanchistisch“. Noch zum Deutschlandtreffen 2008 sagte Westerwelle in der PAZ: „Wir Liberale wissen: Vertreibung, egal aus welchem Grund und egal wo, stellt immer eine krasse Missachtung der Menschenrechte dar. Die Freien Demokraten setzen sich auch in Zukunft für die weltweite, uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte ein. Darauf können Sie sich verlassen.“
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