Starke Geste,
schwache Rede: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Polens Präsident Lech
Kaczynski (l.) tragen auf der Westerplatte bei Danzig Grablichter zum
Gedenken an die Kriegsopfer.
Rund 20 europäische Staats- und Regierungschefs gedachten am 1. September
der rund 45 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit von Konrad Badenheuer
Der Berliner Theologe Rolf Schieder gab bereits
im Jahre 2001, als das Holocaust-Denkmal in Berlin im Bau war, zu bedenken:
„Welche Form das Mahnmal auch immer annehmen wird, es wird ein Ort mit einer
sakralen Aura werden. Wer etwas über die deutsche Zivilreligion wissen will,
wird sie hier studieren können.“ Schieder sollte recht behalten, wobei die
Tendenz zur Sakralisierung zunehmend nicht nur das Gedenken an die Shoah,
sondern den Umgang mit dem Nationalsozialismus insgesamt prägt: Die Rationalität
tritt zurück, und der Gedenkdiskurs einer säkularisierten politischen Klasse
erstarrt – auch zum Ärger religiöser Juden – in quasi-liturgischen Formeln.
Ein eindrucksvolles Beispiel bildet die Rede von
Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. September in Danzig. Zitat: „Ich gedenke der
60 Millionen Menschen, die durch den von Deutschland entfesselten Krieg ihr
Leben verloren haben.“
Einmal abgesehen davon, dass man im Deutschen
nicht „sein Leben verliert“, sondern „ums Leben kommt“: Waren es wirklich 60
Millionen? Wieviele der tatsächlich eher 45 Millionen Getöteten entfallen auf
den asiatischen Kriegsschauplatz? Können ganze Staaten oder gar Länder Kriege
entfesseln, tun das nicht eher Regierungen, genauer: Mitglieder von Regierungen
und andere Einzelpersonen (wobei deren Zahl groß sein kann)?
Das mögen noch Ungenauigkeiten sein, aber dann
kam Merkels Gedenken an das Leid der deutschen Vertriebenen in der einst zu 97
Prozent deutschen Stadt: „Wenn wir in meinem Land bis heute auch an das
Schicksal der Deutschen erinnern, die infolge des Krieges ihre Heimat verloren,
dann tun wir das ... in dem Bewusstsein der Verantwortung Deutschlands, die am
Anfang von allem stand. Dann tun wir das, ohne irgendetwas an der immerwährenden
geschichtlichen Verantwortung Deutschlands umschreiben zu wollen. Das wird
niemals geschehen.“
Hatte denn Hitlers Machtergreifung keine
Vorgeschichte, oder was bedeutet der Satz von der „Verantwortung Deutschlands,
die am Anfang von allem stand“? Und was genau bedeutet „immerwährende
Verantwortung“? Deutsche Verantwortung – von Ewigkeit zu Ewigkeit? Das mag gut
gemeint sein, aber es hat keinerlei Grundlage im Völkerrecht, ja es schreibt den
Deutschen eine quasi-religiös begründete Sonderstellung in der
Völkergemeinschaft zu, wie sie – natürlich mit umgekehrten Vorzeichen – gerade
der Nationalsozialismus immer behauptet hat.
Ganz klar war aber eine Botschaft: Es soll keine
wie auch immer geartete Wiedergutmachung für die Ost- und Sudetendeutschen
geben! Bitter, aber wahr: Eine der großen „Lehren“, die die deutsche politische
Klasse aus dem Nationalsozialismus ziehen zu können glaubt, besteht ausgerechnet
darin, dass für eine letztlich durch ihre Volkszugehörigkeit definierte Gruppe
von 14 Millionen Menschen das Völkerrecht nicht gelten soll.
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