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Lügen im Namen des Papstes Der Vorgang belastet bis heute das Verhältnis schlesischer, pommerscher und ostpreußischer Katholiken zur Kirche in Polen: Am 12. August 1945 fuhr Primas Kardinal Augustyn Hlond in einer Limousine mit der Standarte des Vatikan unangemeldet zu Kapitelsvikar Ferdinand Piontek, der nach dem Tod von Kardinal Adolf Bertram die Erzdiözese Breslau verwaltete. Der Pole eröffnete dem Deutschen in dessen Notwohnung bei den Ursulinen, er habe den päpstlichen Wunsch nach dem Rücktritt Pionteks zu übermitteln. Hlond präsentierte ein dubioses, angeblich im „Staatssekretariat Seiner Heiligkeit“ abgefaßtes Schreiben, daraufhin setzte Piontek seine Unterschrift unter das Dokument. Unter Berufung auf vatikanische Anordnungen erreichte der Primas auch Verzichtserklärungen des ermländischen Bischofs, Maximilian Kaller, des Generalvikars in Schneidemühl sowie der Leiter der Bezirke, die zu ausländischen Diözesen gehörten: Glatz (Erzbistum Prag) und Branitz (Erzdiözese Olmütz). An die Spitze der bisherigen deutschen Bistümer östlich von Oder und Neiße traten polnische Administratoren, wurden also gezielt polonisiert. Peinlich für Hlond: Papst Pius XII. stellte wenige Wochen später im Gespräch mit dem Breslauer Konsistorialrat Johannes Kaps, der sich auf abenteuerlichem Weg nach Rom durchgeschlagen hatte, richtig: Der Primas sei keineswegs beauftragt gewesen, Piontek und die anderen Betroffenen zur Resignation zu bewegen, er habe sich nur um die Besetzung der verwaisten polnischen Bischofssitze kümmern sollen. Hlond wollte „polnische Kirche“ in Ostdeutschland So stand es auf italienisch in dem vatikanischen Schreiben: in tutto il territorio polacco (auf dem gesamten polnischen Gebiet). Hlond hatte seine päpstlichen Sondervollmachten überschritten, indem er auch die deutschen Ostgebiete einbezog – vier Wochen bevor die Potsdamer Konferenz die Oder-Neiße-Gebiete unter polnische Verwaltung stellte. Revidiert wurde das eigenmächtige Vorgehen nicht, Rom wollte Hlonds Stellung gegenüber dem kommunistischen Regime nicht schwächen, der Primas hatte den Vatikan schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt. 1946 gestand er in einem Brief an Pius XII. sein Fehlverhalten ein. Er blieb aber dabei, daß seine „Fehler“ durch den Gewinn für Polen gut ausgewogen worden seien, brüstete sich damit, der „Häresie“ und dem „germanischen Protestantismus“ in den genannten Gebieten ein Ende bereitet zu haben, wie der Priester und Theologieprofessor Franz Scholz, ehemals Görlitz, 1996 in seinem „Hlondheft“ festhielt. Scholz bescheinigte Hlond Unfähigkeit, die Vertreibung als unmenschlich und in sich böse zu entlarven, der Kardinal habe geistige „Finsternis“ verbreitet, statt „Licht der Welt“ zu sein, „mit den Wölfen geheult“ und den Standpunkt der Kirche politisch eingefärbt: „Kardinal Hlond, als liturgischer Pontifex, war kein Brückenbauer in einer gespaltenen Kirche. (...) Er stand hinter der Vertreibung der Deutschen, um eine ‘polnische Kirche’ auf ‘polnischem Boden’ zu schaffen.“ Kein deutscher Widerstand mehr gegen Seligsprechung Das Heft ist jetzt in dritter Auflage bei der Zentralstelle Grafschaft Glatz/Schlesien e.V. in Lüdenscheid herausgekommen – und so aktuell wie vor zwei Jahrzehnten. Damals erhoben die deutschen Bischöfe noch Einspruch gegen das polnische Begehren, den Kardinal wegen seiner Verdienste um die „Rekatholisierung der wiedererlangten Westgebiete“ seligzusprechen. Es bestand Übereinstimmung, erklärte die Deutsche Bischofskonferenz, „daß eine Seligsprechung aus deutscher Sicht keine Zustimmung finden kann“. Die Bedenken seien auch gegenüber dem Apostolischen Stuhl zum Ausdruck gebracht worden. Inzwischen mehren sich jedoch die Anzeichen, daß das Seligsprechungsverfahren vorankommt. 2013 wurde in Polen ein Hlond-Jahr begangen, und in Kattowitz ist das dritte Hlond-Denkmal im Entstehen. Der Kardinal gilt heute als eine der großen Gestalten des polnischen Katholizismus des 20. Jahrhunderts – „die deutschen Vorbehalte gegen ihn stoßen auf Unverständnis“ (Thomas Urban in „Der Verlust“). Zu einer neuerlichen Warnung vor einer Seligsprechung Hlonds hat sich der deutsche Episkopat nicht aufgerafft. Er blieb auch, vorsichtig ausgedrückt, reserviert gegenüber der Scholz-Schrift, in welcher der 1998 verstorbene Moraltheologe das unwürdige Vorgehen des Primas akribisch nachzeichnete. 2015 steht die Fünfzig-Jahr-Feier des Briefwechsels der deutschen und polnischen Bischöfe mit der wechselseitigen Bitte um Vergebung an, die unter kommunistischem Druck vom polnischen Episkopat relativiert wurde. Da möchte man an das heikle Thema Hlond erst recht nicht rühren. Zu beziehen ist das „Hlondheft“ unter: Grafschafter Bote, Marx-Verlag, Zentralstelle Grafschaft Glatz e.V., Friedhofstraße 3, 58507 Lüdenscheid, www.grafschafter-bote.de, Franz Scholz: Das Hlondheft. 3. Auflage, Lüdenscheid 2014, broschiert, 63 Seiten, Abbildungen, 6 Euro
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