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Warum Mitte Juli im
Schloß Cecilienhof? Die letzte Hoffnung der Führung des Deutschen Reiches war es gewesen, daß die sogenannte Anti-Hitler-Koalition noch vor der deutschen Niederlage auseinanderbreche. Hierzu kam es nicht, doch verschlechterte sich das Verhältnis unter den Alliierten zusehends, um schließlich wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges im „Kalten Krieg“ zu münden. Zum Antipoden des sowjetischen Diktators Josef Stalin entwickelte sich dabei Winston Churchill. Der britischen Premier dachte sogar an das „Undenkbare“. So ließ er insgeheim eine Operation „Unthinkable“ prüfen, die Aufnahme von Kampfhandlungen der Westalliierten gegen die Rote Armee. Churchill erkannte Stalins Politik, die Westalliierten vor vollendete Tatsachen zu stellen, und versuchte deshalb, den Georgier möglichst ohne großen Verzug auf einer Konferenz vertraglich zu binden, bevor die Westalliierten ihre Trümpfe aus der Hand legten. Hierzu gehörten die westalliierten Truppen auf von Stalin beanspruchtem und ihm zugesagten Territorium Deutschlands und Europas sowie die starke US-amerikanische Truppenpräsenz auf dem europäischen Kontinent, die im Schwinden begriffen war, da Washington nach dem Waffenstillstand in der alten Welt Truppen für die noch tobenden Kämpfe in Asien abzog. Bereits zwei Tage vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht versuchte Churchill den US-amerikanischen Präsidenten Harry Spencer Truman per Telegramm für seinen Vorschlag zu gewinnen, daß „die drei Regierungschefs so bald wie möglich persönlich zusammenkommen“. Er begründete dies damit, daß sie „die Dinge auf schriftlichem Wege nicht weiter fördern“ könnten. Bis zu dieser Konferenz sollten die Westalliierten „festhalten an den Positionen, die“ ihre „Armeen in Jugoslawien, in Österreich, in der Tschechoslowakei, an der zentralen Hauptfront der Vereinigten Staaten und an der britischen Front bis hinauf nach Lübeck, Dänemark eingeschlossen, erreichten oder zu erreichen im Begriff sind“. Dem Briten schwebte eine Konferenz bereits Mitte Juni vor. Dagegen war jedoch nicht nur Stalin, der bis Konferenzbeginn möglichst viele vollendete Tatsachen schaffen wollte, sondern auch Truman. Der US-Präsident meinte zum Wechsel des Haushaltsjahres am 30. Juni in Washington sein zu müssen. Truman wollte sich durch Churchill nicht unter Termindruck setzen lassen. Zum einen teilte er nicht Churchills stalinkritische Einstellung. Sein Stalin als „Uncle Joe“ sträflich verharmlosender Vorgänger Franklin D. Roosevelt war zwar seit einigen Wochen tot, aber noch regierten in Washington nicht die „Kalten Krieger“. Zum anderen verließ er sich in seiner Politik gegenüber Stalin weitgehend auf die Wirkung der noch in Entwicklung befindlichen ersten Atombombe. Vom US-amerikanischen Amtskollegen im Stich gelassen, hatte der Regierungschef der kleinsten der drei Mächte keine Chance mit seinem Drängen. Am 30. Mai sprach Stalin sich gegenüber Truman und Churchill für Mitte Juli beziehungsweise den 15. Juli als Konferenzbeginn aus. Das war im Sinne des US-Präsidenten. Churchill bemühte sich zwar noch um eine Vorverlegung, aber gegen die beiden späteren Supermächte hatte er keine Chance. Es blieb die Frage nach dem Konferenzort. Am 11. Mai plädierte Churchill in einem Telegramm an Truman für eine „unzerstörte Stadt in Deutschland“ außerhalb „der derzeitigen russischen Militärzone“, nachdem man „zweimal nacheinander … zu Stalin gekommen“ sei. Truman war für einen Treffpunkt außerhalb Deutschlands und des sowjetischen Machtbereiches. Ihm schwebte Alaska vor. Mit diesem Vorschlag wußte der Präsident jedoch noch nicht einmal seine eigene Administration zu überzeugen. So wandte sein enger Mitarbeiter Charles Bohlen, der ihn später auch zur Potsdamer Konferenz begleiten sollte, ein, „daß ein Ort näher an Moskau – ob in Deutschland oder an anderer Stelle – vorzuziehen sei, da es von großer Bedeutung sei, daß Stalin in der Lage sei, schnell und sicher mit Mos- kau Verbindung aufzunehmen“, denn „andernfalls könnten Verzögerungen oder zumindest größere Schwierigkeiten dabei auftreten, Vereinbarungen jeglicher Art zu treffen“. Bohlen unterstützte damit unbewußt Stalin, der sich schließlich auch in der Frage des Konferenzortes durchzusetzen vermochte. Nachdem er sich einen Tag zuvor bereits in diesem Sinne gegenüber Trumans Sonderbotschafter Harry Lloyd Hopkins geäußert hatte, telegraphierte er am 27. Mai Churchill bezüglich des von diesem so dringlich gewünschten Treffens, „daß es am bequemsten in der Umgebung von Berlin durchzuführen sein würde“ und daß das „richtig und politisch gut“ wäre. Churchill, für den der Zeitpunkt wichtiger war als der Ort, erklärte sich mit „dem erhalten gebliebenen Teil von Berlin“ einverstanden und auch Truman stimmte schließlich zu. So begann die Konferenz Mitte Juli im Raum Berlin. Die „Befreier“ hatten allerdings ganze Arbeit geleistet, und so erwies es sich als gar nicht so einfach, in diesem Raum ein passendes unzerstörtes Konferenzgebäude zu finden. Auf Vorschlag des Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Marschall Georgii Schukow fiel die Wahl auf die unzerstörte Residenz des ehemaligen Kronprinzenpaares, das Schloß Cecilienhof.
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