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Der Westen beteiligte sich an der Vertuschung Im Februar 1943 stießen Soldaten der Wehrmacht bei Katyn auf Massengräber, in denen die Leichen tausender polnischer Offiziere lagen. Diese waren einer Mordaktion des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes NKWD zum Opfer gefallen, die im April 1940 begonnen hatte. Vonseiten der UdSSR wurde die Verantwortlichkeit für das Massaker bis 1990 zurückgewiesen. Im Einklang mit dem geheimen Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages annektierte die Sowjetunion zwischen dem 17. September und dem 1. Oktober 1939 den Ostteil der Republik Polen. Dabei gerieten rund 250.000 polnische Militärangehörige sowie auch Grenzschützer und Polizisten in Gefangenschaft. Von diesen wurden dann 39.600 mit zumeist höheren Dienstgraden in Lagern wie Koselsk, Starobilsk und Ostaschkow interniert, wo eine Umerziehung unter Aufsicht des NKWD stattfinden sollte, da es sich angeblich um „reaktionäre Elemente“ handelte – so lautete die sowjetkommunistische Beschreibung des Umstandes, dass viele der Festgehaltenen Reserveoffiziere mit bürgerlich-intellektuellen Berufen wie Journalist, Arzt, Anwalt, Ingenieur, Universitätsprofessor oder Künstler waren. Allerdings blieb die Umerziehung, zu der nicht zuletzt die Dauerbeschallung mit Radio Moskau gehörte, vollkommen erfolglos, wie ein Bericht des NKWD-Chefs Lawrenti Beria (1899–1953) vom 5. März 1940 ausweist. Darin heißt es: „Die kriegsgefangenen Offiziere und Polizisten in den Lagern versuchen, ihre konterrevolutionären Aktivitäten fortzusetzen und antisowjetische Agitation zu betreiben … Sie sind alle eingeschworene Feinde der Sowjetmacht, hasserfüllt gegen das sowjetische System.“ Als Konsequenz hieraus empfahl Beria die umfassende „Anwendung der Höchststrafe: Tod durch Erschießen“ – und zwar nach „Sonderverfahren … ohne Vorladung der Inhaftierten und Darlegung der Beschuldigungen“. Diesem Vorschlag schloss sich das Moskauer Politbüro noch am selben Tag an. Das beweist ein Dokument, das die Unterschriften von Josef Stalin (1878–1953), Kliment Woroschilow (1881–1969), Wjatscheslaw Molotov (1890–1986), Anastas Mikojan (1895–1978), Lasar Kaganowitsch (1893–1991) und Michail Kalinin (1875–1946) trägt. Die Hinrichtungen fanden zwischen dem 3. April und 19. Mai 1940 im 20 Kilometer westlich von Smolensk gelegenen Wald von Katyn sowie bei der Ortschaft Mednoje und im NKWD-Gefängnis von Charkow statt. Verantwortlich für die Durchführung der Aktion zeichneten zum einen Berias Stellvertreter Wsewolod Merkulow (1895–1953) und zum anderen die regionalen NKWD-Behördenchefs Jemeljan Kuprijanow, Pjotr Safonow und Dimitri Tokarjew. Und dann waren da natürlich noch die Todesschützen, welche die polnischen Häftlinge mit aufgesetzten Genickschüssen töteten, wobei importierte deutsche Walther-Pistolen und 7,62-Millimeter-Patronen der Karlsruher Firma Genschow zum Einsatz kamen. In den Akten finden sich unter anderem die Namen von Andrej Rubanow, Josef Gribow, Timofej Kuprij, Nikita Melnik und Wassili Blochin (1895–1955), dem prominentesten Henker des NKWD, der seit 1924 bereits 40.000 „Staatsfeinde“ erschossen hatte, darunter auch den Marschall der Sowjetunion Michail Tuchatschewski (1893–1937) sowie seine früheren Vorgesetzten Genrich Jagoda (1891–1938) und Nikolai Jeschow (1895–1940). Nach einer detaillierten Auflistung, die der damalige Leiter des sowjetischen Geheimdienstes KGB Alexander Schelepin (1918–1994) am 3. März 1959 vorlegte, wurden während der Massaker vom Frühjahr 1940 insgesamt 14.552 polnische Offiziere und Unteroffiziere sowie 7.305 weitere Internierte liquidiert – wahrscheinlich waren es aber noch etliche mehr. Jedenfalls befanden sich unter den Opfern über 1000 höhere Chargen der polnischen Armee, einschließlich der Generäle Bronisław Bohaterewicz (1870–1940), Henryk Minkiewicz-Odrowaz (1880–1940) und Mieczysław Smorawinski (1893–1940). Dazu kamen die erwähnten Reserveoffiziere mit ihren vielfältigen akademischen Qualifikationen. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass der NKWD einen nicht unerheblichen Teil der polnischen Elite auslöschte. Die Liquidierung von Angehörigen verfemter sozialer Gruppen wurde im Frühjahr 1943 publik, nachdem eine internationale Kommission aus zwölf Gerichtsmedizinern unter der Leitung des Schweizer Pathologen François Naville (1883–1968) die Leichen untersucht und die Täterschaft der Sowjets nachgewiesen hatte. Damit war nun auch den Briten klar, dass hier ein Kriegsverbrechen unerhörten Ausmaßes vorlag. Trotzdem beschlossen sie, den Fall zu ignorieren, um die Anti-Hitler-Koalition nicht zu schwächen. So schrieb Premierminister Winston Churchill (1874–1965) am 28. April 1943 an Außenminister Anthony Eden (1897–1977): „Man muss aufhören, krankhaft immer wieder um die drei Jahre alten Gräber bei Smolensk zu kreisen.“ Noch rigider reagierte der US-Präsident Franklin D. Roosevelt (1882–1945), indem er seinem Balkan-Sondergesandten George Earle (1890–1974) mit barschen Worten verbot, Material über Katyn zu veröffentlichen, das eindeutig von der Schuld der Sowjets zeugte: „Das ist nichts als deutsche Propaganda, ein Anschlag der Deutschen. Ich bin mir absolut sicher, dass es die Russen nicht getan haben.“ Vor diesem Hintergrund versuchte Moskau, ein riesiges Lügengebäude um die Tötung der polnischen Offiziere zu errichten, wobei das Ziel darin bestand, die Erschießungen der Wehrmacht in die Schuhe zu schieben. Allerdings scheiterte das Vorhaben dann im Verlaufe der Nürnberger Prozesse, weil die deutsche Verteidigung hier einfach die besseren Karten hatte. Die Frage, wer für die Toten von Katyn verantwortlich sei, wurde am Ende aus „Mangel an Beweisen“ aus den weiteren Verhandlungen ausgeklammert. Wenige Jahre später erzwangen einige Abgeordnete des US-Kongresses eine erneute Untersuchung des Falles – und diesmal war das Ergebnis eindeutig. Nach akribischen Recherchen und Zeugenbefragungen kam die Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des vormaligen Diplomaten Arthur Bliss Lane (1894–1956) am 22. Dezember 1952 zu dem Schluss, dass das Massaker vom NKWD verübt worden sei. Das hinderte Moskau aber nicht daran, seine Verantwortlichkeit noch bis ins Jahr 1990 hinein abzustreiten. Heute wird in Russland gefordert, das Massaker von
Katyn historisch zu kontextuieren, sprich die der Tat vorausgegangene Misshandlung
sowjetischer Kriegsgefangener durch Polen im
Polnisch-Sowjetischen Krieg (1919–1921)
nicht zu verschweigen. Allerdings sind Historiker beider Länder bereits im Jahre
2004 anhand zeitgenössischer Dokumente zu dem Schluss gekommen, dass es in den polnischen
Lagern keinerlei systematische Massentötungen von gegnerischen Militärangehörigen
gegeben habe.
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